Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski

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Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski Nils Johansen und Arne Lassen

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      „Keine Ahnung.“

      „Keine Ahnung?“, wiederholt er ihre Worte. Sie spürt förmlich, wie er ungläubig den Kopf schüttelt. Sie nickt langsam, ihr Kopf stößt gegen die Wand.

      „Am liebsten würde ich aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Traum war.“

      „Helena, Frühstück!

      In Gedanken hört sie die glockenreine Stimme ihrer Mutter.

      „Aber das hier ist kein Traum, nicht wahr?“, fragt sie seufzend und öffnet die Augen, die nun so lange geschlossen waren, dass sie sich erst wieder an die Helligkeit gewöhnen müssen.

      Alles weiß, schießt es Helena durch den Kopf. Alles so steril. Keine Fenster, kein Eingang, kein Ausgang – keine Verbindung zur Außenwelt.

      Am liebsten würde sie schreien, ganz laut schreien, doch sie hält den Drang zurück.

       Wo zur Hölle bin ich hier? So etwas gibt es in der Wirklichkeit gar nicht, das muss ein Traum sein!

      „Nein“, Oliver seufzt, als hätte er ihre Gedanken gelesen, „kein Traum.“

      Doch er hat nur auf ihre vorangegangene Frage geantwortet.

      Samstag, 29.06.2019, 16: 03 Uhr

      - Oliver -

      „Okay, ganz ruhig.“

      Oliver hebt beschwichtigend die Hände. „Noch mal von vorne, und dieses Mal voll konzentriert.“

      „Ich bin konzentriert!“, schreit Helena und stampft wütend auf den Boden. „Was guckst du so blöd?“

      Oliver grinst.

      „Jetzt lachst du auch noch?! Was gibt es da zu lachen?“

      „Nichts…“

      Er schüttelt den Kopf und zwingt sich zu einem mehr oder weniger ernsten Gesichtsausdruck. „Es ist nur… Das ist das erste Mal, dass ich dich so erlebe; so…“

      „Echt? Unkontrolliert?“, hilft ihm Manni auf die Sprünge.

      „Genau!“

      Helena senkt unsicher den Blick, während sie eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger wickelt und die Fußspitze in den Boden zu bohren versucht.

      „Entschuldigt… Lasst uns weiter machen.“

      Sie strafft die Schultern und schaut auf die Uhr. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck lässt vermuten, dass es bereits später ist als erwartet. Oliver ordnet die Blätter in seiner Hand und sucht die Seite nach der Zeile ab, an der sie hängengeblieben waren. Helena schüttelt den Kopf.

      „Fangen wir noch mal von vorne an.“

      Oliver nickt.

      „Okay, ich bin so weit.“

      Helena holt tief Luft. Manni, Sabrina und Julius stehen aufmerksam daneben.

      „Warum?“, fängt sie an und bewegt sich theatralisch durch den Raum. „Was sollte das? War das Absicht? Rache dafür, dass ich im letzten Semester besser als sie abgeschnitten habe?“

      Helena setzt die imaginäre Flasche an den Mund und trinkt einen Schluck Bier daraus. „Sie ist meine Freundin, sie würde mir niemals so etwas antun! Ja, sie hat das Auto ihrer Schwester zerkratzt, weil es ein neueres Modell als ihr eigenes war. Ja, sie hat das Portemonnaie ihrer Mutter geklaut, als die ihr kein neues Paar Schuhe kaufen wollte und ja, sie hat einer Mitschülerin einmal einen Bob verpasst, weil sie sie wegen ihres schief geschnittenen Ponys ausgelacht hat; aber ist das nicht etwas völlig anderes? Wahrscheinlich…“, Helena stockt mitten im Satz. Oliver wartet einen Moment, bevor er ihr als Souffleur auf die Sprünge hilft.

      „Wahrscheinlich hatte sie mal wieder ein Bierchen zu viel…“

      „… und wollte das gar nicht“, nimmt Helena den Satz wieder auf. „Vielleicht trägt er auch die Schuld und hat sie angesprochen. Vielleicht habe ich die Situation ganz falsch gedeutet und…“, wieder kommt sie ins Stocken. Doch dieses Mal wartet sie nicht darauf, dass Oliver ihr den Rest des Satzes leise zuflüstert. „Ach Mann, ich kann das einfach nicht! So ein Scheiß!“

      Helena rauft sich wütend die Haare, und Manni kann sie glücklicherweise noch rechtzeitig davon abhalten, sie sich in Büscheln auszureißen.

      „Hey“, redet er ruhig auf sie ein. „So wird das auch nichts.“

      Helena stößt einen resignierten Seufzer aus. Sie zittert am ganzen Körper. „Wie viel Uhr ist es?“

      „Kurz nach vier. Wir haben immer noch genug Zeit, um den Text in deinen Kopf zu bekommen.“

      Wozu?, fragt sich Oliver, doch er spricht den Gedanken nicht laut aus, um Helena nicht noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon ist. Sie ist ein nervliches Wrack, und obwohl sie sich größte Mühe gibt, nach außen hin einen gefassten Eindruck aufrecht zu erhalten, ist ihr das deutlich anzumerken. Oliver geht es nicht anders.

      „Wie lange genau?“

      Sie pilgert ungeduldig hin und her. Manni nimmt das kurze Begleitschreiben in die Hand, das beim vierzehnten Betrachten allerdings auch keine neuen Auskünfte gibt. Wieder gehen sie es von Anfang bis Ende durch; Absatz für Absatz, Zeile für Zeile, Wort für Wort. Erst der Steckbrief, dann die Regieanweisung, und schließlich die Anforderungen, die – obwohl an Mia adressiert – eindeutig an Helena gerichtet sind:

      Du bist Mia, die Protagonistin. Erfülle deine Rolle. Sei nicht wie Mia, sei Mia.

      Nutze die Zeit bis zum Anbruch der Dunkelheit zum Lernen. Dann muss die Situation skriptgetreu abrufbar sein, eine Alternative gibt es nicht.

      Sei Mia.

      „Bis zum Anbruch der Dunkelheit“, schimpft Helena, ehe sie sich wieder ihrer Performance widmet. „Das kann doch alles bedeuten! Wenn ich schon kaum Informationen bekomme, dann möchte ich wenigstens wissen, wie lange ich Zeit habe, um meinen Text zu lernen. Warum geht es denn nicht ein bisschen präziser?“

      Manni steht ratlos daneben und betrachtet das Mädchen mit einem mitleidigen Blick. Er würde zu gerne helfen, dessen ist sich Oliver sicher, doch ihm geht es wie ihm selbst – er weiß weder wie noch womit.

      „21: 08 Uhr“, wirft Julius in den Raum, nachdem er Manni das Skript aus der Hand gerissen und wie wild durch die Seiten geblättert hat. „Um 21: 08 Uhr geht die Sonne unter. In den nächsten Tagen tendenziell früher.“

      Oliver wollte seine ursprüngliche Einschätzung bezüglich Julius‘ Intelligenz gerade revidieren, als dieser auf den Mondkalender deutet, der dem Umschlag neben dem Skript und dem kurzen Anschreiben beigelegt wurde.

      „Das steht zumindest hier. Ich wusste doch, dass ich es irgendwo gelesen habe.“

      Immerhin hat er es gefunden, denkt Oliver, während er sich selbst von Julius‘ Aussage überzeugt. Obwohl ich wahrscheinlich auch noch darauf gekommen wäre.

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