Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski

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Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski Nils Johansen und Arne Lassen

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sitzt auf einem der fünf Plastikstühle, die den nicht weniger strahlend weißen Tisch umrunden, dessen Oberfläche so blitzblank ist, dass sich ihr verzweifeltes Gesicht darin spiegelt. Sie seufzt, rauft sich die Haare und blättert mit zittrigen Fingern durch das Manuskript. Während sie auch die letzte Textpassage noch einmal durchgeht, wippen ihre Beine unter dem Tisch nervös auf und ab.

      Warum tue ich mir das eigentlich an?, fragt sie sich in Gedanken. Warum mache ich mir bloß so einen Stress?

      Den kompletten Textauszug auswendig zu lernen hat Helena einige Nerven gekostet, doch trotz regelmäßigem Fluchen und immer weiter sinkender, miesepetriger Laune war sie insgeheim froh, durch die Aufgabe endlich mal etwas Ablenkung bekommen zu haben. Allerdings hätte sie ohne Oliver und Manni, die sie die ganze Zeit über tatkräftig unterstützt und mit bestärkenden Worten immer wieder aufgebaut haben, schon längst das Handtuch geschmissen und das Textdokument in zigtausend kleine Fetzen zerrissen.

      „21: 07 Uhr“, bemerkt Helena mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. Sie legt das Manuskript beiseite und schiebt den Stuhl mit einem unangenehmen Quietschen zurück. „Ich wäre dann bereit für meinen großen Auftritt.“

      Mit siegessicherer Pose baut sie sich vor den anderen auf, doch die Worte klingen aus ihrem Mund nicht halb so optimistisch, wie sie es eigentlich hätten tun sollen.

      Samstag, 29.06.2019, 21: 09 Uhr

      - Oliver -

      „21: 09 Uhr“, sagt Helena und tippt tadelnd mit ihrem Zeigefinger auf die Uhr an ihrem Handgelenk. „Schon eine Minute zu spät.“

      Sie dreht sich einmal um die eigene Achse und sinkt dann seufzend auf einem der Plastikstühle zusammen. Mit dem Kopf in den Händen vergraben murmelt sie irgendetwas vor sich hin.

      „Was hast du gesagt?“

      Helena reagiert nicht, anscheinend war es nicht so wichtig.

      „Wenn ich doch nur wüsste, worauf ich warte…“, stöhnt sie und wirft den Kopf in den Nacken. Oliver setzt gerade zu einer Antwort an, als plötzlich das Brummen des Lastenaufzuges zu hören ist. Innerhalb eines Wimpernschlags sind alle Augen auf dessen Türen gerichtet; jeder wartet auf das Geräusch, das wie gewohnt die Ankunft des Liftes ankündigt.

      „Vielleicht kommt jetzt die Filmkamera?“

      Helenas Satz – mehr als Frage formuliert – wird vom altbekannten Pling beendet.

      „Vielleicht auch nicht“, antwortet Julius, als sich die Türen öffnen und den Blick auf einen leeren Innenraum freigeben. Er ist der erste, der sich dem Lastenaufzug nähert und neugierig seinen Kopf hineinsteckt.

      „Ist da was?“

      Niemand rührt sich vom Fleck. Julius nickt. Es ist so still im Raum, dass alle Anwesenden bei dem plötzlichen, lauten Dong unweigerlich zusammenzucken.

      „Was war das?“

      Helenas Augen sind schreckgeweitet. Sie steht da, wie zur Salzsäule erstarrt. Julius reibt sich den schmerzenden Hinterkopf und stößt einen Fluch aus.

      „Ich habe mir an dieser blöden Kante den Kopf gestoßen“, antwortet er schließlich; und da keiner nachfragt: „Aber keine Sorge, mir geht’s gut.“

      Samstag, 29.06.2019, 21: 12 Uhr

      - Helena -

      Helena hat keine Zeit, die Beule an Julius‘ Hinterkopf zu betrachten und ihn zu bemitleiden. Seinem Aufschrei und Verhalten nach zu urteilen, muss es sich um ein Monstrum handeln, doch ihr Blick gilt einzig und allein dem Schild im Lastenaufzug. Einmal in der Hälfte gefaltet steht es wie ein Platzkärtchen auf Geburtstagsfeiern in der Mitte es Aufzuges. Mia steht darauf, mehr nicht. Helena schluckt. Verunsichert schaut sie sich zu Manni um, doch seine Aufmerksamkeit ist gerade auf den zum Sterben verurteilten Julius gerichtet. Helena wünschte, sie hätte auch nur eine Beule am Kopf. Ihr Blick trifft den von Oliver; in seinen Augen spiegeln sich Sorge, Angst und Ungewissheit – jedenfalls deutet Helena das so, denn auch seine Mimik und Gestik gleichen nicht mehr der des starken, selbstbewussten jungen Mannes, wie sie ihn kennengelernt hat.

      „Ich muss dann wohl…“, flüstert Helena. Ihr Herz rast, und vor lauter Angst füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie schluckt den Kloß in ihrem Hals herunter und strafft die Schultern. Mutigen Schrittes nähert sie sich dem Lift, doch als sie direkt davor steht, weigert sich alles in ihr dagegen, einzusteigen.

      „Meinst du, du musst da wirklich rein?“

      Olivers Stimme zittert. Jetzt ist Helena noch mehr verunsichert.

      „Sieht alles danach aus, oder?“

      In dem oder steckt so viel Hoffnung. Vielleicht malt sie sich die schlimmen Szenarien gerade völlig umsonst aus… Oliver nickt, weg ist die Hoffnung.

      „Dann komme ich mit“, sagt er zu ihrer Überraschung. Helena fehlen vor lauter Erleichterung die Worte. Auf das kurze Glücksgefühl folgt die Ernüchterung.

      „Da passen wir doch niemals zu zweit rein. Das Ding hat, wenn überhaupt, einen Quadratmeter Fläche, ich muss mich ja schon zusammenfalten, um alleine hineinzupassen.“

      „Helena hat recht“, mischt sich nun auch Manni ein. „Das ist viel zu gefährlich. Solche Kleingüteraufzüge werden normalerweise im Gastronomiebetrieb eingesetzt und sind auch nur für eine bestimmte Gewichtsklasse zugelassen.“

      „Willst du damit sagen, dass ich-“

      „Nein, will ich nicht.“

      Manni tritt einen Schritt näher an den Aufzug heran, um sich noch einmal von Nahem von der Größe des Innenraumes überzeugen zu können.

      „Ja.“

      Mit einem Nicken bestätigt er seine vorangegangene Aussage. „Das ist eindeutig zu klein für euch beide zusammen.“

      „Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir Helena nicht einfach so in dieses Teufelsding einsteigen lassen sollten.“

       Teufelsding.

      Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Helena schmunzeln müssen.

      „Aber irgendeine Entscheidung müssen wir treffen, sonst fährt der Aufzug ohne Passagier wieder dorthin zurück, wo er hergekommen ist.“

      „Und was wäre daran so schlimm?“

      „Ist das dein Ernst, Julius?“

      Oliver schüttelt verständnislos den Kopf. „Was glaubst du denn, was passiert, wenn wir uns der Regieanweisung widersetzen?“

      Julius nagt an seiner Unterlippe herum und zuckt kaum merklich mit den Schultern.

      „Ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass jemandem, der dazu fähig ist, fünf erwachsene Personen zu entführen, ohne dass sie sich im Nachhinein auch nur an eine klitzekleine Kleinigkeit erinnern können, und in einen fensterlosen Raum, wer weiß wie weit von der Zivilisation abgeschottet, zu sperren, noch ganz andere Dinge zuzutrauen sind. So etwas nennt sich Psychopath. Diese Menschen sind zwar unberechenbar,

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