Führen als Beruf. Boris Kaehler

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Führen als Beruf - Boris Kaehler

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müssen, denn er zieht ja sozusagen die Klammer um den Beruf des Führens und es wäre sehr unplausibel, wenn etwas Eindimensionales dabei herauskäme. Auch muss auf das Thema Leistungsbeurteilung vorgegriffen werden, denn Führen ist ja schließlich eine ganz normale berufliche Arbeit, für die die normalen Grundsätze gelten müssen. Zu beachten ist, dass Arbeitnehmer arbeitsrechtlich nicht das Arbeitsergebnis (das Werk), sondern nur den Arbeitseinsatz (das Wirken) schuldenXIV. Die meisten Führungskräfte sind ja Arbeitnehmer, und dieser Grundsatz ist außerdem so sinnvoll, dass man ihn auch auf Nicht-Arbeitnehmer übertragen kann. Der Arbeitnehmer ist zwar dafür verantwortlich, Arbeitsergebnisse anzustreben, der Arbeitgeber hat die Arbeit aber so zu organisieren und zu lenken, dass die Ergebnisse auch tatsächlich erzielt werden. Wenn die Führungskraft also keinen Führungserfolg erzielt, ist dies ein mögliches Anzeichen für mangelnden Einsatz und dysfunktionales Verhalten. Ebenso gut kann es aber auch ein Indiz für mangelhafte Führungsstrukturen sein, und tatsächlich ist dies vielerorts der Fall. Leistung mit Resultaten gleichzusetzen ist ohnehin eine große Dummheit, denn der Arbeitseinsatz und das Arbeitsverhalten sind die Bedingungen dafür und nicht weniger wichtig. Die Resultate sind am Ende das Entscheidende, aber ohne Berücksichtigung von Einsatz und Verhalten blendet man den Weg dorthin aus und kann letztlich überhaupt nicht beurteilen, ob die Resultate dem unter den jeweiligen Umständen Möglichen entsprechen. Als Arbeitgeber schleicht man sich so aus der Verantwortung für den Leistungsprozess – das ist unanständig und das Gegenteil managerialer Steuerung.

      Schlechte Führungsleistung ist nicht immer Schuld der Führungskraft.

      Woran wollen und müssen Sie sich nun also als Führungskraft – nach den Standards der Komplementären Führung – messen lassen? Ganz grundsätzlich sollte erst einmal zwischen den Personalführungsleistungen und den sachbezogenen Führungsleistungen unterschieden werden. Letztere stellen wir hier einmal zurück, in Kapitel 13 („Personalführung und Sachgeschäftsführung“) kommen wir darauf zurück. Hier soll es also erst einmal nur um die Personalführungsleistung gehen. Der erste Leistungsaspekt, der Führungseinsatz, lässt sich als Wahrnehmung der Führungsroutinen (Kapitel 5) und Bewerkstelligung der Führungsaufgaben (Kapitel 2) verstehen. Die Frage ist hier einerseits, ob die Führungskraft die festgelegten Routinen wirklich in den vorgesehenen Abständen durchführt (z. B. wöchentliche Aufgabengespräche). Andererseits geht es darum, ob sie im Rahmen dieser Aktivitäten tatsächlich für klare Arbeitsaufträge, wirksame Anreize, notwendige Qualifizierung etc. sorgt, also dafür, dass alle Führungsaufgaben in Bezug auf jeden Mitarbeiter tatsächlich umgesetzt werden. Dies entspricht – um ein Vergleichsbeispiel zu bringen – dem Verkäufer, der Kundentermine vereinbart und ihnen Produkte vorstellt. Wenn Sie sich einen Eindruck davon verschaffen, ob Ihre Mitarbeitenden umfassendes Selbstmanagement betreiben (d. h. ob sie alle definierten Führungsaufgaben selbst übernehmen, sich z. B. die richtige Arbeit suchen und ihren Leistungsstand kennen) und bei Bedarf kompensatorisch eingreifen, ist das voller Einsatz. Wissen Ihre Mitarbeiter hingegen nicht, was sie zu tun oder wie sie ihre bisherigen Leistungen einzuschätzen haben, haben Sie diese Personalführungsaufgaben – und mit ihnen einen wichtigen Teil Ihrer Führungstätigkeit – vernachlässigt. Der zweite Leistungsaspekt, das Führungsverhalten, betrifft das Arbeits- und Sozialverhalten der Führungskraft. Dies beinhaltet vor allem ihren Umgang mit den übrigen Führungsakteuren sowie den Umgang mit den formalisierten Personalinstrumenten (Kapitel 4) im Sinne der Einhaltung der instrumentenbezogenen Vorgaben. Es geht hier also um die Erfüllung der organisationsspezifischen Verhaltensstandards. Wer sein Team zerstört, indem er die besten Mitarbeiter in die Eigenkündigung treibt, sollte nicht für sonstige Leistungen gefeiert werden. Der dritte Aspekt betrifft dann in der Tat die Führungsresultate. Hier geht es darum, ob die erzeugten Arbeitsleistungen und Personalkosten quantitativ und qualitativ die angestrebten Vorgaben erfüllen und die sonstigen Ziele erreicht werden (Kapitel 14). Ist dies der Fall, so bedeutet dies Führungserfolg. Sinnvoll ist es, bei diesen sonstigen Zielen gleich auch die prognostizierten Auswirkungen auf die dauerhaftstrukturelle Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen und die rein periodenbezogenen Ergebnisse damit zu relativieren. Wer ein bestimmtes Ergebnisziel erreicht, indem er übermäßigen Druck auf die Belegschaft ausübt, das Arbeitszeitgesetz bricht und wahllos irgendwelche Leute einstellt, dessen Personalführung mag kurzfristig erfolgreich sein. Sie schwächt aber dauerhaft die Personalstruktur und vernachlässigt Stakeholder sowie Rechtsnormen. Nach diesem Maßstab wäre dann die Personalführung insgesamt eben nicht erfolgreich. Auch dies entspricht genau dem Vertriebsbeispiel, wo es nicht nur ums Verkaufen geht, sondern auch darum, die Kundenbasis, Kaufbereitschaft und Weiterempfehlungsbereitschaft dauerhaft zu erhalten. Die ersten beiden Aspekte – Einsatz und Verhalten – lassen sich recht gut bei den beteiligten Führungsakteuren abfragen und damit messbar machen. Für den dritten Aspekt, die Ergebnisse, liegen in den meisten Unternehmen geeignete Kennzahlen vor oder lassen sich sonst recht problemlos generieren.

      Führungsleistung umfasst Einsatz, Verhalten und Resultate.

      XII In seinen Hochzeiten sollen die Harzer Akademie pro Jahr um die 30.000 Teilnehmer einschließlich vieler Vorstandsmitglieder durchlaufen haben. Das Modell wurde teilweise als starr und bürokratisch kritisiert, geriet aber vermutlich vor allem durch die NS-Vergangenheit seines Begründers in Verruf (o. V. 1989; Die Akademie für Führungskräfte 2018).

      XIII Modelltheoretisch handelt es sich bei den vier Umsetzungselementen des Komplementären Führungsmodells eigentlich nur um inhaltliche Spezifikationen ausgewählter Führungsaufgaben in Bezug auf die Personalführungsarbeit als berufliche Tätigkeit. Da sie besonders erfolgsrelevant sind, werden sie im Modell aus rein pragmatischen Gründen gesondert herausgestellt (Kaehler 2020).

      XIV Bundesarbeitsgericht 11.12.2003; 2 AZR 667/02

      3 Unschärfen und persönliche Dimensionen

      Sie haben sich hoffentlich gut überlegt, ob Sie Führungskraft werden wollen. Falls nicht, denken Sie am besten jetzt noch einmal darüber nach. Führen hat zwar auch eine sachlich-fachliche Komponente. Im Wesentlichen beinhaltet sie aber Verantwortung für und Kommunikation mit Menschen. Und diese Menschen sind, wie wir schon festgestellt hatten, nicht perfekt. Der Job der Führungskraft bezieht seine Berechtigung letztlich primär aus diesem Umstand. Das impliziert: Als Führungskraft beschäftigen Sie sich tagein tagaus mit Ihren Mitarbeitern, deren Arbeitsleistungen und Selbstführungsdefiziten. Nicht jedem liegt das. Die mit Managementpositionen verbundenen Gehalts-, Ausstattungs-, Gestaltungs- und Statusprivilegien gefallen dagegen fast allen. Organisationen sollten daher unbedingt attraktive Alternativen zur Führungslaufbahn anbieten, z. B. gut dotierte Projekt- und Expertenlaufbahnen. Sonst werden auch solche Leute in die Personalverantwortung gelockt und gezwungen, die gar keine Neigung dazu haben. Selbst wenn man die völlig Untauglichen durch Auswahlmaßnahmen aussortiert, klafft bei ihnen doch oft eine Lücke zwischen dem, was sie tun sollen (insb. Personalführung) und dem, was sie gern tun (Sachaufgaben, Selbstoptimierung). Bringt man sie, z. B. durch wirksame Feedbacksysteme, zur Erfüllung ihres Jobprofils, so bekommt das Ganze den Beigeschmack des Erzwungenen. Als Führungskraft sollten Sie sich diesbezüglich selbst hinterfragen und reflektieren, warum Sie überhaupt führen wollen. Sie haben auch andere Optionen! Hält Ihre Organisation keine solche Angebote bereit, orientieren Sie sich eben auf dem Markt. Viele Investmentbanker verdienen mehr als Vorstände, Softwareingenieure werden überall gesucht und teils fürstlich vergütet, als gefragter Berater haben Sie große Handlungsspielräume und Verdienstchancen. Andere Felder bieten vielleicht nicht ganz so attraktive Rahmenbedingungen, dafür aber ggf. die Arbeit, die Ihnen wirklich liegt. Alles ist besser, als seinen Beruf zu verfehlen.

      Reflektieren Sie Ihre Neigung und Eignung.

      Was den Beruf der Führungskraft ausmacht, ist nicht nur Ordnung, sondern vor allem auch Durcheinander. Henry Mintzberg ist als Managementexperte damit berühmt geworden, den Alltag von Managern, der in der Literatur immer so schön geordnet klingt, zu beobachten und wirklichkeitsgetreu zu beschreiben. Nach seiner Feststellung ist er eben nicht primär durch Strategie und Systematik

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