Führen als Beruf. Boris Kaehler

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Führen als Beruf - Boris Kaehler

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sei Aufgabe der Führungskraft, letztere hingegen Aufgabe der Personalabteilungen. Dieses Verständnis ist fatal. Zum einen ist es schlicht unmöglich, Personalmanagement in Gänze oder auch nur überwiegend zentral zu betreiben. Personalspezialisten wirken zumeist mittelbar, nämlich über die Führungskräfte als dezentrale Verteiler. Es gibt zwar auch direkte Interventionen und Selbstbedienungssysteme (engl. „employee self-services“). Im Regelfall aber sind Maßnahmen und Instrumente der Personalabteilungen an Führungskräfte adressiert, die diese dann in Richtung der Mitarbeiter umschlagen. „Jede Führungskraft ist ein Personalmanager.“19. Umgekehrt verhält es sich genauso: Führungskräfte betreiben Mitarbeiterführung in der Regel nicht allein, sondern werden durch Personalspezialisten orientiert, unterstützt und kontrolliert. Natürlich gibt es Organisationen, die gar keine Personalabteilung unterhalten; in Kleinstunternehmen ist dies sogar die Regel. Fast immer aber wird hier auf externe Hilfe zurückgegriffen, um z. B. Gehaltsabrechnungen oder Arbeitszeugnisse zu bewerkstelligen.

      All dies verdeutlicht: Mitarbeiterführung und Personalmanagement bilden keine getrennten Sphären, sondern sind ein und dasselbe. Führungskräfte und HR-Abteilungen arbeiten nicht unabhängig voneinander, sondern erfüllen ein gemeinsames Mandat, das in der zielgerichteten Beeinflussung der Mitarbeiter besteht. Natürlich gehen sie dabei arbeitsteilig vor und spezialisieren sich auf bestimmte Aspekte. Diese Aufteilung ist aber umfeldabhängig. So sind in manchen Unternehmen Führungskräfte für Bewerbungs- und Kündigungsgespräche zuständig, in anderen die Personalspezialisten, in wieder anderen beide gemeinsam. In jedem Falle ist es ein und dasselbe Geschehen, an dem sie als Akteure mitwirken – sei es koordiniert oder planlos, harmonisch oder konfliktär. Das Schlagwort „One HR“ wird oft genutzt, um die Einheit zergliederter Personalabteilungen zu beschwören. Eigentlich aber müsste es für die Einheit von Führung und Personalmanagement stehen. Der ebenso schöne wie gebräuchliche Begriff der Personalführung beinhaltet beides und bringt den wichtigen Grundsatz damit gut zum AusdruckXI.

      Als Führungskraft betreiben Sie Personalmanagement.

      VII Zur Gleichsetzung von Menschen und Ressourcen siehe Kapitel 3 („Ethische und rechtliche Aspekte des Führens“).

      VIII Eine besonders schräge Variante halten Bennis/Nanus bereit (1985, S. 28 f.): Leadership sei gleich Effektivität, Management gleich Effizienz. Da jedwede Tätigkeit natürlich beide Aspekte aufweist, sagt die anhaltende Popularität dieser These viel über das Reflexionsniveau unserer Führungsdebatten aus.

      IX Meiner Meinung nach liegt dies an der unzureichenden theoretischen Fundierung, extremen Mikrofokussierung und ausgeprägten Praxisferne der empirischen Führungsforschung und ist natürlich ein Armutszeugnis für uns Wissenschaftler.

      X Zur US-amerikanischen Führungsliteratur ist anzumerken, dass sie weltweit stilprägend wirkt. Europäische Personalmanagement- und Führungskonzepte gibt es praktisch nicht, Trends aus den USA werden in der Regel 1: 1 übernommen.

      XI Der Begriff findet sich z. B. auch im Namen der Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP), einer der Fachorganisationen für Personalmanagement im deutschsprachige Raum.

      2 Das Theoriemodell der Komplementären Führung

      Personalführung ist eine Dienstleistung – diese These scheint mittlerweile fast konsensfähig zu sein. Dahinter steckt eine eigentlich selbstverständliche, im Ergebnis aber spektakuläre Grunderkenntnis, die Robert Greenleaf mit seinem Ansatz des „Servant Leadership“20 herausgearbeitet hat: Die Mitarbeiter sind nicht für die Führenden da, sondern umgekehrt. So weit wie Greenleaf mit seinem stark christlich orientierten Dienst am Mitmenschen muss man dabei gar nicht gehen, und man kann es im Arbeitskontext auch gar nicht verlangen. Die säkularisierte Variante des Führens als Dienstleistung reicht völlig aus21. Die meisten Autoren, die vom Führen als Dienen sprechen, meinen damit wohl ohnehin eher konkrete Arbeitsverpflichtungen22. In diesem Sinne lässt sich auch eine berühmte Aussage des alten Fritz interpretieren: „Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seines Standes aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, dass er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und […] die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite“23. Diese Vorstellung vom Staatsdiener entspricht dem Bild eines professionellen Dienstleisters, nicht dem eines Hausdieners.

      Wer die Idee des Führens als Dienstleistung ablehnt, missversteht es i. d. R. als grenzenloses Bedienen. Darauf kann man aber natürlich kein Führungssystem aufbauen und es widerspricht auch dem üblichen Verständnis beruflicher Dienstleistung. Der typische Job eines Kellners, Lehrers, Bankkassierers oder Polizisten hat zum einen immer eine Struktur in Gestalt definierter Aufgaben oder jedenfalls Verantwortungsbereiche. Keiner von ihnen tanzt auf Verlangen Samba oder putzt jemandem die Schuhe. Darüber hinaus hat jede dieser Tätigkeiten zwei Seiten: Der Kellner bringt Kaffee, aber er kassiert auch und sorgt für Ruhe, ganz ähnlich der Banker und der Lehrer. Der Polizist kontrolliert vielleicht den Verkehr, wird einer alten Dame aber auch über die Straße helfen. Alle diese Dienstleistungsberufe sind geprägt von einem Spannungsverhältnis zwischen professioneller Hilfeleistung und professioneller Disziplinierung. Genau das macht sie interessant und herausfordernd.

      Sie sind kein Diener, aber Dienstleister.

      In eben dieser Weise hat auch die Dienstleistung Führung eine Ordnungs- und eine Unterstützungsfunktion – das erste Element des Komplementären Führungsmodells. Führungstheoretisch spiegeln sich hierin die klassischen Dualismen Mitarbeiterorientierung vs. Produktionsorientierung24, Fördern vs. Fordern sowie Einzelbedürfnis vs. Kollektivinteresse. Führen als doppelte Dienstleistung – das mag sich banal anhören, ist aber als Leitidee von durchschlagender Kraft. Wer sich als Dienstleister versteht, braucht keinesfalls jedermanns Liebling zu sein, sondern hat mitunter durchaus harte Entscheidungen zu treffen und disziplinarisch durchzugreifen. Er muss sich dabei allerdings den Aufgabenstellungen seiner Führungstätigkeit unterordnen. Mitarbeiter anzubrüllen oder bei Fehlern niederzumachen verträgt sich ebenso offensichtlich nicht mit der Idee der Dienstleistung wie die vorrangige Maximierung der eigenen Karriere-, Gehalts- oder Freizeitinteressen. Und wo alle springen müssen, nicht weil ein Problem oder Kunde drängt, sondern weil die Anliegen des Chefs prinzipiell Vorrang vor der eigentlichen Arbeit haben, stimmt ebenfalls etwas nicht. Darum empfehle ich Unternehmen, die sich an ein richtiges Führungsmodell nicht recht herantrauen, zumindest dieses eine Kernelement der Komplementären Führung – die Führungsfunktionen – in einen Führungsgrundsatz umzusetzen. Führungskräften empfehle ich, sich aus eigenem Antrieb selbst an der Idee des Führens als Dienstleistung zu orientieren und zu messen. Sie werden merken, wie dieses Leitmotiv Ihnen hilft, sich selbst zu disziplinieren und in eine konstruktive Führungsrolle zu finden.

      Führung unterstützt und ordnet.

      Führen ist ein komplexes Geschehen mit vielen Facetten. Entsprechend kann man sehr unterschiedliche Ansatzpunkte wählen, um es zu gestalten (Abbildung 4).

      Und tatsächlich steht jeder einzelne davon im Mittelpunkt irgendeines Führungskonzeptes, das findige Autoren dann in unterschiedlichen Spielarten und Varianten alle paar Jahrzehnte neu herausbringen. Einige davon wurden oben bereits verworfen. Kritische Betrachtungen der anderen erspare ich Ihnen hier und komme gleich zur Empfehlung: Führungskonzepte sollten grundsätzlich an den Führungsaufgaben ansetzen. Wer weiß, welche Aufgaben es zu erfüllen gilt, wird dies in aller Regel auch in Verhalten umsetzen, das dann – sofern die Aufgaben richtig gewählt sind – den Geführten beeinflusst, der seinerseits die für den Geschäftsbetrieb erforderliche Arbeitsleistung erbringt. Vertreter anderer Führungsansätze sind schnell dabei, solches Denken als mechanistisch zu geißeln. Jeder echte Praktiker hingegen weiß,

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