Baltrumer Bärlauch. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Bärlauch - Ulrike Barow страница 7
»Mein Mann«, erklärte Frau Meyer. »Er macht solche Dinge. In seiner Freizeit. Sie können ihn nachher ruhig in seiner Laube besuchen. Er wird sich freuen. Aber erst zeige ich Ihnen Ihre Wohnung.«
Inga nickte erfreut. Das ging ja gut los. Kaum auf der Insel und schon ein Gleichgesinnter. Wenn die Chemie stimmte, würde daraus sicher die eine oder andere Fachsimpelei entstehen. Möglicherweise konnte der Mann ihr einige Türen öffnen.
Von ihrer neuen Bleibe war Inga begeistert. Große Fenster gaben auf der einen Seite die Aussicht auf die Dünen und auf der anderen Seite zu den Häusern und Gärten des Ostdorfes frei. Als Frau Meyer die Tür zum Schlafzimmer öffnete, fiel Ingas Blick auf eine riesige bunte Patchworkdecke, die das große Bett einhüllte. »Was für eine großartige Arbeit«, sagte sie beeindruckt.
»Die habe ich geschneidert. An langen dunklen Winterabenden«, erklärte ihre Vermieterin. »Ich sitze an der Nähmaschine, wenn mein Mann sein Schnitzmesser schwingt.«
Auch die blitzblanke Küche und das von einer gemütlich aussehenden blauen Couchgarnitur dominierte Wohnzimmer überzeugten Inga. »Hier werde ich es problemlos die erste Woche aushalten, und vielleicht bleibe ich noch länger. Mal sehen.«
Frau Meyer nickte. »Die Wohnung ist frei. Sagen Sie nur Bescheid.«
Inga ließ sich den Weg zu den Einkaufsmöglichkeiten beschreiben und packte dann ihre wie immer viel zu reichlich mitgenommene Kleidung in den Schrank. Schließlich weiß man nie, was an der Nordsee für ein Wetter herrscht, versuchte sie sich einzureden. Das wechselt doch ständig.
Im Moment brauchte sie für einen Strandspaziergang nur ein T-Shirt und eine leichte Hose. Der Spätsommer zeigte sich von seiner schönsten Seite. Aber zuerst musste sie einkaufen. Sie wusste nur zu gut, dass ein leerer Kühlschrank bei ihr das Gefühl von Verlorenheit wachrief. Ein guter Tag begann für Inga immer mit einem ausgedehnten Frühstück.
Als sie aus dem Haus trat, sah sie in der Tür gegenüber Lena mit ihrer Oma. Sie winkte fröhlich, erhielt aber keine Antwort. Dann eben nicht, dachte sie, und hatte das Gefühl, dass die beiden sich gerade in einer nicht angenehmen Unterhaltung befanden.
Sie lief an der Aussichtsdüne vorbei und sah links einen kleinen Park, versteckt in einem Dünental. Sie bog ab, um einen Blick hineinzuwerfen. Die schwere Tür quietschte beim Öffnen. Sie wunderte sich, dass dieser hübsche Garten mit den muschelbedeckten Wegen so hoch eingezäunt war. Ein kleines, blaues Schild wies sogar darauf hin, dass die Tür wieder zu schließen sei. Seltsam.
»Das ist wegen der Karnickel und der Rehe«, hörte sie plötzlich eine Stimme. Auf einer der Bänke saß ein Mann in den Fünfzigern, neben sich ein aufgeschlagenes Buch und eine Flasche Wasser. »Entschuldigung, aber Sie sahen so ratlos aus. Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten.«
»Nein, genau diese Frage habe ich mir gerade gestellt. Gibt es denn auf der Insel so viele davon?«
»Jede Menge. Darum ist auch das Friedhofstor so stabil angelegt. Müssen Sie mal drauf achten, wenn Sie dort einen Besuch abstatten sollten.«
Inga bedankte sich und ging weiter, am Kinderspielhaus und am Schwimmbad vorbei. Rund um den Marktplatz herrschte reges Treiben. Kleine Kinder spielten auf einem blauen Ungetüm, das Inga nach langer Betrachtung als einen Wal erkennen konnte. Sie fragte sich, ob aus dem Loch im Kopf des Monstrums ab und zu Wasserfontänen zur Belustigung der Gäste austraten. In diesem Moment tat sich allerdings gar nichts. Das Becken war ausgetrocknet, der blaue Verputz blätterte ab. Ein Gitter, das in guten Zeiten wohl das gewaltige Gebiss des Wals hatte darstellen sollen, war seltsam achtlos neben seinem vorgesehenen Platz abgestellt worden. Der Freude der Kinder tat der Verfall des Kunstwerkes allerdings keinen Abbruch. Sie tobten herum, während die Eltern auf den Bänken saßen und sich von der Sonne bescheinen ließen oder vielleicht in den Geschäften rundherum ihre Einkäufe erledigten.
»Hallo, junge Frau, dürfen wir dich zu einem kühlen Getränk einladen?«
Erstaunt blickte Inga sich um. Vor einem Lokal saßen vier junge Männer, jeder mit einem gefüllten Glas Weizenbier in der Hand. Einer von ihnen, braun gebrannt und mit einem blonden Wuschelkopf, winkte ihr fröhlich zu.
Inga lachte. »Grundsätzlich schon, aber im Moment gerade nicht.«
»Du stehst deinem Glück aber mächtig im Wege«, antwortete der Blonde, und ein anderer fiel zaghaft ein: »Und unserem erst …!«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete sie. »Ihr seht doch aus wie das Urlaubsglück pur. Zumindest du.« Sie nickte dem Blonden zu, bevor sie sich den anderen zuwandte, die missmutig in ihre Gläser starrten. »Ihr drei solltet allerdings etwas an eurer Laune arbeiten. Bis dahin: Macht’s gut.«
Hoffentlich bin ich denen nicht zu nahe getreten, dachte sie, als in Richtung Insel-Markt weiterging, aber eigentlich war es ihr egal. Ingas Programm hieß Lebensmittel besorgen, schwimmen gehen und dem Schöpfer der skurrilen Skulpturen in ihrem Ferienhaus einen Besuch abstatten.
Lena kam ihr mit wehenden Haaren auf dem Fahrrad entgegen und brachte es mit einem waghalsigen Bremsmanöver genau vor ihr zum Stehen.
»So trifft man sich wieder.« Inga lächelte. »Ich hab euch vorhin zugewinkt, aber ihr wart wohl ins Gespräch vertieft, du und deine Oma.«
»Ach Mensch, hör bloß auf«, winkte Lena ab. »Mir könnte schlecht werden, wenn ich sehe, wie Oma sich duckt und windet, wenn das Gespräch auf Opa kommt. Dabei hat sie immer die Karre am Laufen gehalten mit der Pension, während der alte Knabe zeitlebens seine Rückenschmerzen gepflegt hat. Nichts kann er mehr, aber jeden Tag Fahrrad und Wippe durch den tiefen Strandsand schieben, das geht. Und seine alten, verrotteten und salzwassergetränkten Holzbalken auf die Wippe laden, das geht auch! Und sie will es einfach nicht einsehen. Da kann ich reden wie ’ne Blöde.«
Inga schaute ihre neue Freundin nachdenklich an. »Ich kenne deine Großmutter nicht, aber vielleicht hat sie sich in all den Jahren in diesem Zustand eingerichtet und möchte da gar nicht rausgeholt werden?«
Lena nickte. »Genau das ist der springende Punkt. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Dabei will ich Oma natürlich auf keinen Fall unter Druck setzen. Also, wenn überhaupt, dann vielleicht ein bisschen. Sie soll wissen, dass wir auf ihrer Seite sind, wenn sie endlich anfängt, Opa zu zeigen, wer der Herr im Hause ist.« Lena lächelte. »Aber wie auch immer, wir sehen uns morgen beim Kluntje? Ach was, wir können genauso gut zusammen hingehen. Also um drei Uhr auf der Straße? Noch besser, ich hole dich ab. Basta.«
Inga nickte. »Dann bis morgen. Mach’s gut.«
*
»Wie schade, nun ist sie fort«, seufzte Bernd und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas.
»Nun fahr mal wieder runter, Bernd.« Karsten schaute sein Gegenüber mürrisch an. »Du weißt genau, wie die Aufgabe lautet: Kontakte knüpfen, aber nicht auffallen.«
Leonard schloss die Augen. Hörte der denn nie auf zu meckern? Er wünschte sich Ruhe, nichts als Ruhe, aber Karsten gab unerbittlich seine Anweisungen.
»Leonard und ich gehen heute Nachmittag zum Hafen und schauen, was läuft. Bernd, du und Manfred, ihr beide