Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
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Abb. 2.1 (a) Für ein offenes System sind Stoff- und Energieaustausch mit der Umgebung möglich. (b) Bei einem geschlossenen System kann ein Energie-, aber kein Stoffaustausch mit der Umgebung stattfinden. (c) Für ein abgeschlossenes System sind weder Stoff- noch Energieaustausch mit der Umgebung möglich.
Unter der Energie eines Systems verstehen wir seine Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Wenn Arbeit an einem ansonsten abgeschlossenen System verrichtet wird (etwa durch Komprimieren eines Gases oder Spannen einer Feder), wächst die Fähigkeit dieses Systems, selbst Arbeit zu verrichten; seine Energie steigt also. Wenn das System Arbeit verrichtet (der Kolben gibt nach, die Feder entspannt sich), bedeutet dies eine Reduzierung seiner Energie, da es danach weniger Arbeit verrichten kann.
Durch Experimente kann man zeigen, dass die Änderung der Energie eines Systems (seiner Fähigkeit, Arbeit zu verrichten) nicht unbedingt durch Arbeit erfolgen muss. Wenn sich die Energie eines Systems als Folge einer Temperaturdifferenz zur Umgebung ändert, sagt man: Energie wurde in Form von Wärme übertragen. Bringt man eine Heizspirale in ein Becherglas mit Wasser (unser System), steigt die Fähigkeit dieses Systems, Arbeit zu verrichten (da Wasserdampf umso stärker expandieren kann, je heißer er ist). Nicht durch alle Grenzflächen hindurch kann ein Energietransfer stattfinden, selbst dann nicht, wenn eine Temperaturdifferenz zwischen System und Umgebung vorliegt. Wände, die einen Austausch von Energie in Form von Wärme erlauben, nennt man diathermisch; solche, bei denen das nicht möglich ist, heißen adiabatisch.
Ein Prozess, der Energie in Form von Wärme freisetzt, wird als exotherm bezeichnet. Verbrennungsreaktionen beispielsweise verlaufen grundsätzlich exotherm. Prozesse, denen Wärmeenergie zugeführt werden muss, nennt man endotherm. Ein Beispiel ist die Verdampfung von Wasser. Im Sinn einer kurzen und prägnanten Ausdrucksweise wollen wir uns auf folgende Sprachregelung einigen: Ein exothermer Prozess setzt Energie „in Form von Wärme“ in die Umgebung frei, ein endothermer Prozess entnimmt der Umgebung Energie „in Form von Wärme“. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass Wärme eigentlich ein Prozess ist (nämlich eine Energieübertragung infolge eines Temperaturunterschieds) und keine physikalische Größe. Wenn in einem Behälter mit diathermischer Wand ein endothermer Prozess abläuft, so strömt Energie in Form von Wärme in das System hinein, um die Temperatur auf die der Umgebung zu halten. Ein exothermer Prozess in demselben Behälter bewirkt die Übertragung von Energie in Form von Wärme an die Umgebung. Findet ein endothermer Prozess dagegen in einem Behälter mit adiabatischen Wänden statt, sinkt die Temperatur des Systems; ein exothermer Prozess bewirkt in diesem Fall einen Temperaturanstieg im System. Diese Eigenschaften sind in Abb. 2-2 zusammengefasst.
Die molekulare Interpretation von Arbeit und Wärme
Aus molekularer Sicht ist Wärme die Übertragung von Energie im Zusammenhang mit der zufälligen (ungeordneten) Bewegung der Moleküle in der Umgebung. Diese zufällige Bewegung nennt man auch thermische Bewegung. Durch die schnellere thermische Bewegung der Moleküle in der wärmeren Umgebung werden auch die Moleküle im kälteren System zu einer heftigeren Bewegung angeregt, wodurch dessen Energie steigt. Wenn das System die Umgebung erwärmt, bewirken die schnelleren Moleküle im System eine heftigere Bewegung der Moleküle in der Umgebung (Abb. 2-3).
Im Gegensatz dazu ist Arbeit eine Übertragung von Energie im Zusammenhang mit einer koordinierten (gerichteten) Teilchenbewegung (Abb. 2-4). Wenn ein Gewicht angehoben oder abgesenkt wird, bewegen sich seine Atome geordnet (gleichzeitig nach oben oder unten); gleiches gilt, wenn eine Feder gespannt wird. Wenn ein elektrischer Strom fließt, bewegen sich Elektronen gemeinsam in einer Richtung. Verrichtet ein System Arbeit, so verursacht es eine geordnete Bewegung der Atome oder Elektronen seiner Umgebung. Analog wird Arbeit an einem System auch durch geordnete Bewegung der Teilchen seiner Umgebung verrichtet, etwa wenn alle Atome eines Gewichtes gleichzeitig nach unten verschoben werden oder ein elektrischer Strom fließt.
Die Unterscheidung zwischen Arbeit und Wärme findet allein in der Umgebung statt. In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass beispielsweise ein herabfallendes Gewicht auch thermische Bewegung hervorrufen kann. Arbeit bedeutet Energietransfer durch geordnete Teilchenbewegung in der Umgebung, Wärme bedeutet Energietransfer durch thermische (ungeordnete) Bewegung in der Umgebung. Bei der adiabatischen Kompression eines Gases wird durch das Gewicht, das auf den Kolben drückt, Arbeit in Form von geordneter Teil chenbewegung verrichtet. Dies bewirkt jedoch eine Beschleunigung der Gasmoleküle. Da die Stöße zwischen den Teilchen die Richtungsinformation sehr schnell zerstören, wird die geordnete Bewegung der Atome des Gewichtes in ungeordnete thermische Bewegung der Gasmoleküle umgewandelt. Wir beobachten aber nur das fallende Gewicht, die koordinierte Bewegung seiner Teilchen und schließen daraus, dass Arbeit verrichtet wird, obwohl sie im System eine thermische Bewegung hervorruft.
Abb. 2.2 (a) Durch einen endothermen Prozess sinkt die Temperatur eines adiabatischen Systems; sie steigt (b), wenn der Prozess exotherm verläuft. (c) Wenn ein endothermer Prozess jedoch in einem diathermischen System stattfindet, fließt Wärme von außen in das System hinein; dessen Temperatur bleibt konstant. (d) Dies gilt analog für einen exothermen Prozess im diathermischen System: Wärme fließt nach außen ab, die Temperatur ändert sich ebenfalls nicht.
Abb. 2.3 Durch die Übertragung von Energie in Form von Wärme aufdie Umgebung werden die Moleküle dort zu ungeordneter (thermischer) Bewegung angeregt. Die schnellere thermische Bewegung der Moleküle in der wärmeren Umgebung bewirkt wiederum eine Anregung der Moleküle im kälteren System.
Abb. 2.4 Wenn ein System Arbeit verrichtet, so verursacht es eine geordnete Bewegung der Teilchen in der Umgebung. Die hier gezeigten Atome könnten zum Beispiel zu einem Massestück gehören, das angehoben wird. Analog wird Arbeit an einem System durch geordnete Bewegung der Teilchen (etwa eines herabfallenden Massestücks) verrichtet.
2.1.2 Die Innere Energie
■ Das Wichtigste in Kürze: Die Innere Energie, die Gesamtenergie eines Systems, ist eine Zustandsfunktion. (a) Um die Beiträge klassischer Bewegungsfreiheitsgrade zur Inneren Energie zu bestimmen, kann der Gleichverteilungssatz benutzt werden. (b) Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik sagt aus, dass die Innere Energie eines abgeschlossenen Systems konstant ist.
■ Kommentar 2-1
Nicht eingeschlossen ist die kinetische Energie infolge einer Bewegung des ganzen Systems, etwa gemeinsam mit der Erde