Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Einen Moment lang stand Jenny schweigend da und betrachtete Fees leichenblasses Gesicht. Nur ihre Wangen zeigten eine ungesunde Röte und glühten vor Fieber. Mit geschlossenen Augen lag die Ärztin im Bett, ihr Atem war unregelmäßig, flach und stoßend.
»Ich weiß nicht … Es ist nicht meine Art, mich allein auf Gefühle zu stützen. Aber irgendwas stimmt hier nicht«, traf Jenny schließlich schweren Herzens eine Entscheidung. »Mir wäre wohler, wenn wir Felicitas auf die Intensivstation bringen. Wenn sich ihr Gesundheitszustand weiter so dramatisch verschlechtert, müssen wir sie beatmen.«
Diese Einschätzung teilte auch Mario Cornelius, und er übernahm es, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, dass seine Schwester so schnell wie möglich verlegt werden konnte. Jenny hingegen stand eine andere, schwere Aufgabe bevor. Sie musste ihren Freund Daniel über den besorgniserregenden Zustand seiner Frau informieren. Das war umso schlimmer, als sie keine Ahnung hatte, mit welchen Mitteln sie die Gefahr für Fees Leben abwenden sollte.
*
Inzwischen hatte auch der Rettungswagen mit Sebastian Hühn die Notaufnahme erreicht. Ricarda lief neben der Liege her, die Dr. Weigand in Empfang nahm.
»Ist er wirklich vom Dach gefallen?«, erkundigte er sich bei dem Sanitäter, der bereit stand, um die erste Diagnose weiterzugeben.
»Na, wie ein Schreibtischtäter sieht er ja nicht gerade aus, oder?«, witzelte der junge Mann mit einem Blick auf die Handwerkerkleidung, die Sebastian trug.
Während sich Matthias Weigand Notizen machte, musste er lächeln.
»Stimmt«, räumte er mit einem schnellen Blick auf seinen immer noch ohnmächtigen Patienten ein. »Haben Sie schon eine erste Diagnose?«
»Das kann alles sein«, erwiderte der Ersthelfer. »Nackenwirbel, Lendenwirbel, Becken«, zählte er die Art der Verletzungen auf, die typisch waren bei einem Sturz aus mehreren Metern Höhe. »Ich persönlich tippe ja auf Becken- oder Wirbelfraktur.«
Dr. Weigand hatte aufmerksam zugehört und nickte.
»Wir müssen sofort röntgen und ein CT machen«, wandte er sich an Schwester Nicole, die neben ihm stand und auf Anweisungen wartete. »Sein Kreislauf ist instabil. Haben wir die Blutgruppe?«, fragte er den Kollegen, als Sebastian leise stöhnte.
Sofort gehörte ihm alle Aufmerksamkeit, und der Internist beugte sich über den Dachdecker.
»Herr Hühn, können Sie mich hören?«
»Ricky?«, krächzte Sebastian und öffnete die Augen. Er blinzelte eine paar Mal, ehe sein Blick über die Menschen irrte, die sich über ihn beugten. »Wo … wo bin ich? Wo ist Ricky?«
Als Ricarda ihren Namen hörte, wäre sie um ein Haar in Tränen ausgebrochen. Um die Arbeit der Ärzte nicht zu stören, hatte sie sich bisher dezent im Hintergrund gehalten. Doch jetzt gab es kein Halten mehr. Sie drängte sich an Dr. Weigand vorbei an die Liege und beugte sich über Sebastian.
»Ich bin hier, Basti«, raunte sie ihm mit zitternder Stimme zu. Eine Träne tropfte herab und zerplatzte auf seiner Hand, die sie zwischen die ihren genommen hatte. »Mach dir keine Sorgen. Ich bleibe bei dir, bis du wieder gesund bist.«
An dieser Stelle war Matthias Weigands Geduld erschöpft. Sanft aber bestimmt nahm er Ricarda an den Schultern und zog sie von der Liege weg.
»Tut mir leid, junge Frau. Das ist nicht möglich. Wir werden Ihren Mann jetzt röntgen und danach sehr wahrscheinlich sofort operieren.«
Einen Moment lang war Ricarda sprachlos. Dann holte sie tief Luft.
»Erstens ist er nicht mein Mann, sondern mein Freund«, erklärte sie unter Matthias‘ ungläubigem Blick. »Und zweitens haben wir uns erst gestern nach über zehn Jahren wiedergesehen. Ich habe extra Urlaub genommen und bin aus London hierher gekommen, um Zeit mit Sebastian zu verbringen. Deshalb …«
Ihre Worte gingen ins Leere. Kopfschüttelnd hatte sich Dr. Weigand abgewandt und nickte Schwester Nicole zu zum Zeichen, dass sie den Dachdecker auf schnellstem Weg in die Radiologie bringen sollten.
Wie vom Donner gerührt stand Ricarda da und sah dem kleinen Tross nach, als sie fühlte, wie sich eine Hand beschwichtigend auf ihren Arm legte.
»Aber… aber…«, stammelte sie.
»Kommen Sie. Ich bringe Sie in unseren Aufenthaltsraum. Da können Sie erst einmal Kaffee trinken und zur Ruhe kommen«, erklärte Schwester Lydia freundlich, aber bestimmt. Sie hatte die Szene beobachtet und spontan beschlossen, der verzweifelten jungen Frau beizustehen. »Ich darf Sie leider nicht über die Verletzungen Ihres Freundes informieren. Aber sobald ich weiß, wie es ihm geht, sage ich Ihnen Bescheid«, versprach sie, während sie Ricarda in einen der Aufenthaltsräume führte, die für Angehörige und Patienten gleichermaßen bereit standen. Dort gab es nicht nur Tee und Kaffee, sondern auch eine verlockende, tägliche frische Gebäckauswahl aus der Klinikküche. Doch im Augenblick galt Ricardas einziges Interesse ihrem Freund Sebastian, und ohne länger Widerstand zu leisten, sank sie auf einen Stuhl und fügte sich in ihr Schicksal.
*
Obwohl Dr. Daniel Norden nicht nur als Allgemeinmediziner, sondern auch als Chirurg jahrelange Erfahrung gesammelt hatte und ihm der Anblick schwerkranker Menschen nicht fremd war, war er bis ins Mark erschüttert, als er ans Bett seiner Frau trat.
»Mein Gott, Feelein … meine Liebste … das ist ja schrecklich.« Seine Stimme war heiser.
Zum Glück lag sie allein Bett auf der Intensivstation, sodass Daniel seine Gefühle nicht zurückhalten musste. Er schlug die Hände vors Gesicht und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann ließ er die Arme langsam sinken.
Fees Anblick war nur schwer zu ertragen. Durch dünne, durchsichtige Plastikschläuche tropfte nicht nur Ringerlösung direkt in ihr Halsvene. Auch andere Medikamente wie Antibiotika und Schmerzmittel wurden auf diese Weise verabreicht, um eine schnellere Wirkung zu erzielen. Der Beatmungsschlauch verdeckte die Mundpartie fast vollkommen, und ihre Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen. Durch eine Klammer am Zeigefinger wurde automatisch der Sauerstoffgehalt im Blut kontrolliert. Auch Herzfrequenz und Blutdruckwerte wurden aufgezeichnet. Felicitas hatte die Augen geschlossen.
Daniel schluckte schwer. Er nahm die rechte Hand seiner Frau und beugte sich dicht hinunter an ihr Ohr.
»Wenn du mich hören kannst, dann drück bitte meine Hand, mein Engel«, raunte er ihr zu. Mit angehaltenem Atem wartete er auf eine Reaktion. Doch sie kam nicht. »Bitte, Fee, nur ein kleines Zeichen«, flehte er sie an und starrte wie gebannt auf ihr Gesicht.
Diesmal schien sie seine Stimme gehört zu haben. Daniel meinte, ein schwaches Lächeln zu erkennen, das wie der zarte Flügelschlag eines Schmetterlings über ihr Gesicht zuckte.
»Oh mein Gott, du ahnst nicht, was mir das bedeutet!«
Daniel war so begeistert, dass er die Intensivschwester nicht bemerkte, die auf leisen Sohlen ins Zimmer kam, um die Geräte zu kontrollieren. Sie hatte seine Worte gehört.
»Im Augenblick ist Ihre Frau nicht bei Bewusstsein«, erinnerte sie den Kollegen vorsichtshalber sanft. »Es ist gut, wenn Sie