Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Der verwirrte Blick des Dachdeckers verirrte sich ans Bettende.
»Na ja, ein bisschen vielleicht. Aber ich bekomm ja so viele Medikamente. Da ist doch sicher auch ein Schmerzmittel dabei, das die Empfindungen dämpft.«
Die Ärzte tauschten einen kritischen Blick.
»Leider sind die Medikamente nicht für Ihre Schmerzunempfindlichkeit verantwortlich«, war es schließlich Jenny Behnisch selbst, die ihm die unerfreuliche Nachricht überbrachte. Sie hielt nichts davon, ihre Patienten im Unklaren zu lassen. »Durch Ihren Sturz wurden einige wichtige Nerven in Mitleidenschaft gezogen. Sie liegen in scharfkantigen Trümmern, und wir können nicht garantieren, dass wir das wieder hinkriegen.« Jenny liebte ihren Beruf und die Herausforderungen, die er mit sich brachte. Doch solche Botschaften zu überbringen, fiel ihr selbst mit jahrelanger Erfahrung nicht leicht.
Sebastians entsetzte Miene machte ihr das Herz schwer. Trotzdem hätte sie ihm keine anderen Worte als die Wahrheit sagen können.
»Was soll das heißen?«, fragte der Dachdecker mit rauer Stimme.
»Das heißt, dass die Lähmungserscheinungen immer schlimmer werden, je länger wir mit einer Operation warten«, erklärte Frau Dr. Behnisch so verständlich wie möglich. »Auch ein Eingriff kann keine Wunder vollbringen und birgt ein großes Risiko. Aber wenn Sie der Operation zustimmen, können wir den Prozess wenigstens verlangsamen und …«
»Moment mal!« Sebastians Stimme war scharf, als er der Klinikchefin das Wort abschnitt. »Das klingt ja ganz danach, als hätten Sie schon einen Rollstuhl für mich bereit gestellt.«
Nur mit Mühe konnte Jenny ein Seufzen unterdrücken. Sie war Sebastian nicht böse wegen des beißenden Spotts, der in seiner Lage nur verständlich war.
»Nein, das haben wir nicht. Und glauben Sie mir: Am liebsten würde ich Ihnen versprechen, dass alles gut wird«, gestand sie bekümmert. »Leider kann ich das nicht. Ein Risiko bleibt.«
Sebastian verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und starrte blicklos ins Leere. Seine dunklen Locken hingen ihm wirr in die Stirn. Doch er kümmerte sich nicht darum.
»Womit soll ich denn in Zukunft mein Geld verdienen? Ich bin Dachdeckermeister. Und was soll aus mir und Ricarda werden? Sie wird ihr Leben kaum mit einem Krüppel verbringen wollen.« Die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Dennoch fühlte sich Daniel Norden bemüßigt, Einspruch zu erheben.
»Ich verstehe Ihre Verzweiflung. Trotzdem möchte ich aus Respekt gegenüber Menschen mit einer Beeinträchtigung dieses Wort nicht in diesen Wänden hören«, erklärte er freundlich aber bestimmt.
Nur mit Mühe gelang es Sebastian, ein Stöhnen zu unterdrücken.
»Wie Sie wollen.« Sein Blick suchte und fand die Klinikchefin. »Aber eines müssen Sie mir versprechen. Ricarda darf unter keinen Umständen erfahren, wie es um mich steht.«
Dieses Versprechen konnte Jenny Behnisch mit Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht leicht geben.
»Die Entscheidung liegt ganz allein bei Ihnen«, erklärte sie freundlich. »Von uns wird Frau Schmied selbstverständlich kein Wort erfahren«, erklärte sie. »Und jetzt muss ich bitte von Ihnen wissen, ob Sie der Operation zustimmen.«
Der Dachdecker zögerte einen Augenblick. Dann gab er sich einen Ruck und setzte seine Unterschrift unter das Dokument, das ihm eine Schwester hinhielt.
Jenny sah ihm dabei zu. Lieber als das Versprechen zu schweigen hätte sie ihm ein anderes Versprechen gegeben. Da das aber nicht in ihrer Macht lag, blieb ihr nichts anderes übrig als sich zu verabschieden und sich auf den schwierigen Eingriff am nächsten Morgen vorzubereiten. Darüber hinaus war sie bei ihren Recherchen im Internet tatsächlich auf eine heiße Spur gestoßen, die sie unbedingt weiter verfolgen wollte. Ihrem Freund und Kollegen Daniel Norden sagte sie nichts davon. Noch war die Spur zu vage, als dass sie Hoffnungen schüren wollte.
*
»Hast du eigentlich keine Hausaufgaben auf?«, fragte Janni Norden an diesem Nachmittag scheinheilig und strich wie eine Katze hinter der Couch auf und ab, auf der Dési es sich bequem gemacht hatte.
Schnell hatte sich die Familie an Felix‘ provisorische Konstruktion gewöhnt. Glücklicherweise war es trotz des immer wiederkehrenden Regens warm draußen, dass es nicht weiter auffiel, dass der Fensterrahmen statt von einer Scheibe nur von einer dicken Plastikfolie bedeckt war.
»Schon fertig«, antwortete sie beiläufig und steckte ein paar Nüsse in den Mund, die auf dem Couchtisch in einer Schale neben einem Glas Apfelschorle standen.
Zu Jans Leidwesen sah alles danach aus, als ob sich seine Zwillingsschwester für einen längeren Aufenthalt vor dem Fernseher gerüstet hatte.
»Wolltest du nicht was mit Nina unternehmen?«, stellte er eine weitere Frage in der Hoffnung, Dési vom Fernseher wegzulocken.
Vergebens.
»Nö, das Hallenbad ist wegen Sturmschäden geschlossen.« Konzentriert starrte die Schülerin auf den Fernseher. Ein Lifestyle-Magazin für Jugendliche flimmerte über die Mattscheibe, und Janni hörte kurz zu. Im Augenbick drehte sich das Gespräch der beiden Moderatoren um die Haltbarkeit günstiger Möbel. Im Anschluss sollte ein entsprechender Test ausgestrahlt werden.
»Warum schaust du dir diesen Blödsinn überhaupt an? Dein ganzes Zimmer steht voll mit Möbeln, und ich glaube nicht, dass du in nächster Zeit ausziehst«, erklärte er nach einer Weile ungeduldig.
Allmählich war Dési genervt. Sie verdrehte die Augen und griff nach der Fernbedienung, um lauter zu stellen.
»Wenn’s dich nicht interessiert, kannst du ja rausgehen. Ich schau mir das an, weil ich ein bisschen Ablenkung brauch«, fauchte sie wütend. »Immerhin ist es nicht so lustig, dass Mami in der Klinik liegt. Nachdem ich aber sowieso nichts für sie tun kann und auch nicht zu ihr darf, will ich mich einfach ein bisschen ablenken. Ist das so schwer zu kapieren?«
Mit diesem Argument lieferte sie Janni eine Steilvorlage.
»Ach, dann hab ich ja wohl auch ein Recht auf Ablenkung.«
Die Angst um ihre geliebte Mami ließ auch die Nerven der Kinder blank liegen. Die Stimmung im Hause Norden war angespannt, und jedes unbedachte Wort konnte eine Katastrophe auslösen.
»Bitte, du kannst dich gern hinsetzen und mitschauen.« Bereitwillig rutschte Dési ein Stück zur Seite, damit ihr Bruder Platz hatte.
Aber das war nicht das, was Janni wollte.
»Wenn du Ablenkung willst, können wir doch auch was anderes anschauen, oder?«, versuchte er sein Glück. »Im Privatfernsehen läuft so eine coole Dokumentation über einen neuen Skaterpark. Können wir umschalten?«
»Oh nein, auf dein blödes Longboard hab ich echt überhaupt keine Lust«, stöhnte Dési und schüttelte demonstrativ den Kopf. »Wenn du neue Hindernisse brauchst, musst du nur rausgehen. Da liegt jede Menge Baumstämme rum, über die du springen kannst«, machte sie einen Vorschlag, der auf wenig Gegenliebe stieß.
»Was heißt hier blödes Longboard? Immer noch besser als dein spießiges Tanzen«, konterte