Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg Dr. Norden Staffel

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sie wütend an.

      »Ach, du also auch? Wissen eigentlich alle um mich herum Bescheid, nur ich bin der ahnungslose Volltrottel?«, fragte er bitter. »Dann sag mir nur noch, dass es dir egal ist, dass du mich im Rollstuhl durch die Gegend schieben musst.«

      Ricarda zögerte kurz. Schließlich fasste sie sich ein Herz und trat wieder dicht an Sebastians Bett. Sie griff nach seiner Hand und nahm sie zwischen die ihren.

      »Aber ich liebe dich doch, Basti«, versicherte sie leise. »Ich bin so froh, dass ich dich wiedergefunden habe. Alles andere ist egal. Das Wichtigste ist doch, dass du lebst.«

      Ihre Worten rührten ihn fast zu Tränen. Und doch konnte er nicht über seinen Schatten springen. Der Gedanke daran, vielleicht für den Rest seines Lebens an einen Rollstuhl gefesselt zu sein, war mehr, als er ertragen konnte. Sicher, als Geschäftsführer konnte er den Betrieb auch vom Schreibtisch aus leiten. Aber was war mit seinem Hobby, dem Geocaching? Was mit all den anderen Dingen, die das Leben seiner Ansicht nach erst lebenswert machten?

      »Ich liebe dich auch«, erwiderte Sebastian heiser. »Aber wenn ich behindert bleibe, will ich dich nicht an mich binden. Was hätten wir davon? Wir könnten nichts mehr zusammen tun. Noch nicht mal mehr … Liebe machen.« Er presste die Lippen aufeinander und wagte es nicht, ihr ins Gesicht zu sehen. »Du bist noch so jung und hast was anderes verdient. Einen ganzen Mann! Deshalb will ich, dass du jetzt gehst.«

      Ricarda hatte genug Berufserfahrung, um um die Verzweiflung Schwerverletzter zu wissen. Und sie tat das, was ihrer Erfahrung nach das einzig Richtige war.

      »Vielleicht bin ich jung. Aber ich bin alt genug um zu wissen, was mir an einer Beziehung wichtig ist. Mal abgesehen davon, dass du ja noch gar nicht weißt, wie sehr du eingeschränkt sein wirst. Es gibt Rollstuhlfahrer, die sehr wohl noch in der Lage sind, eine Frau glücklich zu machen. Wie dem auch sei, lasse ich dich so oder so nicht im Stich. Weil du mir als Mensch wichtig bist. Deshalb bleib ich bei dir. So nah, dass du mich spüren kannst.« Während sie sprach, machte sie Anstalten, wieder ins Bett zu klettern.

      Aber das war mehr, als Sebastian im Augenblick ertragen konnte.

      »Hau ab!«, schrie er aus Leibeskräften. »Warum kapierst du nicht, dass du mich einfach in Ruhe lassen sollst?« Vor Wut vergaß er sogar, dass er verletzt war und wendete sich abrupt ab. Dabei verdrehte er das Bein, sodass er vor Schmerzen aufschrie.

      Ricarda wusste sofort, dass etwas Schreckliches passiert war.

      »Basti! Um Gottes willen!« Sie zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Dann rannte sie los, um Hilfe zu holen.

      *

      Nach dem Besuch bei dem Dachdecker hatte sich Jenny Behnisch unter einem fadenscheinigen Vorwand wieder in ihr Büro zurückgezogen. Aus gutem Grund übte der Computer an diesem Tag eine fast magische Anziehungskraft auf sie aus.

      »Ach, da sind Sie ja«, begrüßte Andrea Sander ihre Chefin, als sie grußlos durch das Vorzimmer in ihr Büro stürmen wollte.

      Jenny wusste, was dieser Tonfall bedeutete. Sie kehrte an den Schreibtisch ihrer Assistentin zurück und machte keinen Hehl aus ihrem Missfallen.

      »Was gibt es? Welche neue Katastrophe haben Sie denn für mich?« Sie wusste, dass Andrea alles von ihr fernhielt, was möglich war.

      Unwillkürlich musste Andrea Sander schmunzeln.

      »Das kommt darauf an. Wenn ein Kinobesuch mit Ihrem Lebensgefährten einer Katastrophe gleichkommt …« Das Ende des Satzes schwebte im Raum, und Jenny fiel siedend heiß das Versprechen ein, das sie ihrem Lebensgefährten, dem Architekten Roman Kürschner, am Morgen gegeben hatte. Schon seit Wochen bat er sie um ein paar ungestörte Stunden, doch immer war in letzter Minute etwas dazwischen gekommen. Zuletzt hatte der Orkan dafür gesorgt, dass nur der Gedanke an einen freien Abend wie ein Traum erschien. Doch Roman hatte nicht aufgegeben und seine Lebensgefährtin erneut um einen romantischen Abend zu zweit gebeten.

      »War das wirklich heute?«, fragte Jenny ihre Assistentin fast verzweifelt und dachte an die Arbeit, die auf sie wartete.

      »Roman hat Karten für die 20-Uhr-Vorstellug reserviert«, nickte Andrea Sander zu Jennys Leidwesen. »Ich soll Sie daran erinnern, dass er gegen sieben Uhr hier ist, damit Sie vorher zum Essen gehen können.«

      Sofort hob Jenny die rechte Hand und sah auf die schlichte, aber kostbare Weißgolduhr, ein Geschenk von Roman. Von Anfang an hatte er unter ihrer vielen Arbeit leiden müssen und konnte inzwischen ein Lied von der Zuverlässigkeit einer Klinikchefin singen. Daran hatte auch die schöne Uhr nichts ändern können.

      »Aber es ist ja schon drei Uhr. Wie soll ich das denn hinkriegen?«

      »Effektiv, wie Sie immer arbeiten, habe ich keinerlei Bedenken, dass Sie das mit links schaffen«, machte Andrea ihrer Chefin Mut. Gleichwohl wusste sie, dass jederzeit etwas passieren konnte, das auch die beste Zeitplanung durcheinander bringen konnte.

      »Ihr Wort in Gottes Ohr«, seufzte Jenny und wandte sich ab, um sich in ihrem Büro an den Schreibtisch zu setzen.

      »Ich bringe Ihnen gleich frischen Kaffee und ein bisschen Obst. Es würde kein gutes Licht auf die Klinik werfen, wenn ausgerechnet die Chefin an Skorbut erkrankt«, rief Andrea ihr nach.

      Jenny Behnisch hatte die Bürotür offen stehen lassen und lachte.

      »Ohne Sie wäre ich bestimmt schon längst verhungert und verdurstet.«

      »Und hätten Ihren Lebensgefährten das letzte Mal vor einem Monat gesehen«, erinnerte Andrea ihre Chefin, während sie sich an der Kaffeemaschine zu schaffen machte.

      »Warum nur habe ich mir keinen Arzt gesucht, so wie Daniel und Fee es gemacht haben?«, fragte sich die Klinikchefin halblaut und nicht ganz ernst. »Es macht vieles einfacher, wenn beide in derselben Branche arbeiten.« Sie rief die Seite im Internet auf, mit der sie sich vor der Visite beschäftigt hatte.

      »Weil einfacher nicht unbedingt besser ist«, lächelte Andrea vielsagend und servierte schon mal frische Erdbeeren und Trauben.

      Nebenan blubberte die Kaffeemaschine, und gleich darauf zog ein aromatischer Duft durch die Zimmer.

      Davon bekam Jenny Behnisch schon gar nichts mehr mit. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehörte wieder dem Artikel, auf den sie vorhin durch Zufall gestoßen war.

      »… entwickeln die Patienten innerhalb weniger Tage Unwohlsein, Kopfschmerzen, Fieber und Husten«, las sie halblaut vor. Ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden, griff sie nach der Tasse und trank einen Schluck. »Das deckt sich ja schon mal mit Fees Symptomen … anschließend treten meist im Gesicht, am Hals und Oberkörper massive Hautausschläge auf …« An dieser Stelle schüttelte Jenny den Kopf. »Das wiederum trifft nicht auf sie zu. Bis auf die Blasen auf der Schleimhaut … Moment mal.« Jennys Augen flogen weiter über den Text. »In bis zu 90 Prozent der Fälle treten gleichzeitig mit den Hautausschlägen schmerzhafte orale Verkrustungen auf … Das ist es!« Vor Aufregung über diese Entdeckung begann ihr Herz, schneller zu schlagen. »Die Krankheitsbilder treten bei einem bis fünf von einer Million Menschen auf. Die Schwere des Krankheitsbildes ist bei Patienten mit Immunschwächen höher …«, las Jenny atemlos weiter. Mit der Kaffeetasse in der Hand hielt sie inne und lehnte sich im Stuhl zurück. Unentwegt starrte sie auf den Monitor. »Das würde auch erklären, warum bei Fee der typische Hautausschlag fehlt.« An dieser Stelle hatte sie zumindest vorerst genug gelesen. Sie stellte die Kaffeetasse zur

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