Gabriele Reuter – Gesammelte Werke. Gabriele Reuter

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gabriele Reuter – Gesammelte Werke - Gabriele Reuter страница 65

Gabriele Reuter – Gesammelte Werke - Gabriele Reuter Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

man mehr da­von re­den als heut. Die­ser Gref­fin­ger ist eine gan­ze, fes­te Per­sön­lich­keit. Ich woll­te, wir hät­ten mehr ih­res­glei­chen.«

      »Nun – das freut mich – das freut mich.« Der Re­gie­rungs­rat be­schloss, ge­le­gent­lich ein­mal in das Werk hin­ein­zu­se­hen. Er hielt es für rich­ti­ger, die Fra­ge, ob er es ken­ne, of­fen zu las­sen.

      »Ich den­ke mir, dass Gref­fin­ger heut Abend wie­der hier vor­spricht«, mein­te der Stu­dent, der den Pro­fes­sor auf den Vor­über­ge­hen­den auf­merk­sam ge­macht hat­te.

      »Wir wol­len doch un­se­re Frau Wir­tin fra­gen, ob er Nacht­quar­tier ge­nom­men hat«, rief der Pro­fes­sor leb­haft. »Es soll­te mich wirk­lich freu­en, wenn ich durch Sie Ge­le­gen­heit fän­de, den Mann per­sön­lich ken­nen zu ler­nen!«

      »Wir sind uns ziem­lich, fremd ge­wor­den«, be­merk­te der Re­gie­rungs­rat aus­wei­chend.

      Aga­the amü­sier­te sich heim­lich. Ihr Va­ter wur­de den Men­schen be­deu­tungs­voll, weil er ein Ver­wand­ter von Mar­tin war! Man er­bat sich von ihm die Freu­de, Mar­tin ken­nen zu ler­nen! Wer das je ge­dacht hät­te … Das war­me Ge­fühl für den Ju­gend­freund er­wach­te wie­der. Käme er doch!

      Der Nach­mit­tag wur­de ihr lang bei dem stil­len War­ten. Sie nahm ih­ren Hut, ein Stück­chen durchs Dorf zu ge­hen.

      Die Stu­den­ten stan­den jetzt vor dem Ho­tel bei­ein­an­der und un­ter­hiel­ten sich la­chend.

      »Köst­li­cher al­ter Kun­de«, hör­te Aga­the den Äl­tes­ten sa­gen, als sie vor­über­ging.

      Sie wuss­te, dass er da­mit ih­ren Va­ter mein­te – ih­ren Va­ter, der ihr trotz al­lem, wo­durch er sie ge­kränkt, als ein Mann er­schi­en, an den ein ab­fäl­li­ges Ur­teil sich über­haupt nicht her­an­wa­gen wür­de.

      Köst­li­cher al­ter Kun­de – sag­te der Stu­dent von ihm … Das Wort schnitt Aga­the ins Herz. Sie fand es roh. Doch der jun­ge Mann hat­te ihr vor­her kei­nen ro­hen Ein­druck ge­macht – er sah im Ge­gen­teil in­tel­li­gent und be­geis­tert aus.

      Trau­rig ging sie an ho­hen Stein­mau­ern ent­lang. Sie um­grenz­ten die Gär­ten der wohl­ha­ben­den schwei­zer Bür­ger, wel­che hier ihre Vil­len be­sa­ßen, und schlos­sen sie vor al­lem Frem­den ab. Di­cker, al­ter Epheu hing an ih­nen nie­der. So be­stand der Ort aus ei­nem weit­läu­fi­gen La­by­rinth en­ger Gän­ge. Nie­mals konn­te Aga­the sich zu­recht­fin­den und wuss­te sel­ten, in wel­chem Teil sie her­aus­kom­men wür­de.

      Am Ende der feuch­ten, grau­en Gas­se schim­mer­te bläu­lich der See.

      Aga­the ging schnell und im­mer schnel­ler, als flie­he sie vor et­was hin­ter ihr Lie­gen­dem, die­sem fer­nen blau­en Schein ent­ge­gen. Frei­lich wür­de es zu spät sein, ihn heut noch zu er­rei­chen, aber sie woll­te we­nigs­tens einen un­ge­hemm­ten Aus­blick ge­win­nen.

      Und sie konn­te nicht mehr trau­rig sein. Wenn sie heim kam, wür­de sie Mar­tin fin­den! Sie war ganz si­cher, dass sie ihn se­hen wür­de!

      Plötz­lich ließ sie den Ge­dan­ken an den See, wen­de­te sich um und lief ei­lig heim­wärts. Aber nun hat­te sie einen falschen Gang ein­ge­schla­gen, und es dau­er­te ziem­lich lan­ge, bis sie das Ho­tel er­reich­te.

      Als sie heim kam, sah sie am Ge­län­der der Ve­ran­da einen Herrn ne­ben der Kell­ne­rin ste­hen und über die ro­ten Nel­ken zu ihr hin­un­ter bli­cken.

      Sie er­kann­te Mar­tin gleich, ob­schon er vol­ler und äl­ter ge­wor­den war. Mit aus­ge­streck­ten Hän­den kam er ihr ent­ge­gen.

      »Aga­the! Das freut mich aber, Dich hier zu se­hen!«

      La­chend, be­wegt und er­hitzt stan­den sie vor­ein­an­der und blick­ten sich glück­lich an. Es war, als sei­en die Jah­re aus­ge­löscht und sie wie­der der be­geis­ter­te Schü­ler und der fri­sche Back­fisch, die un­ter der Som­mer­son­ne im ho­hen Gra­se la­gen und von Frei­heit und Men­schen­glück träum­ten.

      Mar­tin ließ Aga­thes Hän­de nicht aus den sei­nen.

      »Du hast Dich gar nicht ver­än­dert«, be­haup­te­te er kühn.

      »Ist es denn wirk­lich so lan­ge her, dass wir uns nicht ge­se­hen ha­ben? Un­glaub­lich!«

      Sie konn­ten nicht mehr nach­rech­nen, wie lan­ge es wohl war.

      »Seit ich Dir die ver­bo­te­nen Bü­cher brach­te? – Ach, war das ein Un­sinn! Du warst doch viel zu fest an­ge­ket­tet. Sag’ mal – bist Du denn jetzt al­lein hier?«

      »Nein – na­tür­lich mit mei­nem Va­ter«, ant­wor­te­te Aga­the er­staunt.

      »Ach so – na­tür­lich! Ich ver­gaß – jun­ge Da­men rei­sen ja nicht al­lein.«

      Er sah sie schalk­haft von der Sei­te an. Die Stel­le sei­ner frü­he­ren Herb­heit nahm nun eine lä­cheln­de Iro­nie ein, wel­che Aga­the sehr gut ge­fiel.

      »Ja – also, den­ke Dir: Ich kom­me von mei­nem Spa­zier­gang zu­rück, da sagt mir die Kell­ne­rin, eine Ge­sell­schaft war­te auf mich, und eine jun­ge Dame wäre mir ent­ge­gen ge­gan­gen.«

      »Aber – kei­ne Rede … Ich bin Dir nicht ent­ge­gen ge­gan­gen«, rief Aga­the.

      »Was – kei­ne Rede … Und ich ste­he hier und ver­ge­he vor Neu­gier­de, wer die schö­ne jun­ge Dame sein kann, die mich su­chen will! – Da mögt ihr am Ende gar nichts von mir wis­sen?«

      »O doch – vor­hin ha­ben uns ein paar Her­ren ge­sagt, Du hät­test so ein be­deu­ten­des Buch ge­schrie­ben?«

      Mar­tin Gref­fin­ger lach­te hell auf.

      »Und Ihr dach­tet, ich säße ir­gend­wo im Zucht­haus? Das ist ja aus­ge­zeich­net! – Wer wa­ren die Her­ren?«

      »Pro­fes­sor Bürkner aus Zü­rich.«

      »So – ja! Der hat mein Buch der Frei­heit be­spro­chen. – Ist er noch hier?«

      »Ja – er hat sich mit Papa an­ge­freun­det. Sage nur, Mar­tin – bleibst Du heut Abend?«

      »Heut Abend?« rief Gref­fin­ger ver­gnügt, »ich habe mich vor­hin für eine Wo­che hier in Pen­si­on ge­ge­ben.«

      »Ach, das ist hübsch!«

      »Ihr wohnt auch hier im Haus?«

      »Ja.«

      Ein Schat­ten ging über Gref­fin­gers cha­rak­ter­vol­les Ge­sicht. Sei­ne Au­gen blick­ten nach­denk­lich zu Bo­den. Und als sie dann wie­der auf sei­ner Cou­si­ne

Скачать книгу