Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Wenn es sich bei der Diagnose von Sophie tatsächlich um eine Verwechslung handeln würde …«, murmelte der Landarzt auf dem Rückweg kopfschüttelnd.
»Dann läuft irgendwo ein armer Mensch herum, der unter dieser lebensbedrohlichen Krankheit leidet und noch nichts davon weiß«, beendete Ulrike seinen Satz.
*
Sophie und Thomas saßen auf dem Balkon des Krankenzimmers. Der Uhrmacher hatte zum Abendessen eine Schwarzwälder Jause mitgebracht. Schinken, Käse aus der Herstellung seiner Mutter und Brot. Voller Freude beobachtete er, mit welch gutem Appetit Sophie zugriff. Ab und zu nippte sie an dem Rotwein und ließ ihn über die Zunge rollen. Sie hatte Farbe bekommen von dem Nachmittag an der frischen Luft. Ihren Erholungsschlaf hatte sie draußen gehalten. Abgesehen von den Schrammen im Gesicht sah sie gesund aus. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Wie anmutig sie sich bewegte! Und wenn sie ihn ansah, begannen ihre Augen zu strahlen.
Er wagte nicht, das Thema anzusprechen, das ihm auf der Seele lag. Den Zauber dieser Stunde wollte er nicht durch Probleme zerstören, die Sophie vergessen zu haben schien.
»Dr. Brunner hat gesagt, dass ich übermorgen entlassen werde«, sagte sie, nachdem sie Messer und Gabel akkurat auf das Holzbrett gelegt hatte.
»Das freut mich«, erwiderte er mit schlechtem Gewissen, da er diese Freude tief im Innern nicht empfand. Wie ging es danach weiter? Das war doch die entscheidende Frage. Ihre Entlassung hatte nichts mit der Heilung ihrer Krankheit zu tun. »Was hast du dann vor?«
Diese Frage konnte er nicht unterdrücken.
Sophies Blick lag klar und offen auf ihm. »Sag du es mir.«
Ihre Stimme klang weich und melodisch, ihr Lächeln war voller Zärtlichkeit.
Er räusperte sich. »Ich fände es gut, wenn du ein paar Tage hierbleiben würdest. Auf unserem Hof zum Beispiel. Ich habe schon mit meiner Mutter gesprochen. Wir haben hübsche Gästezimmer zu bieten. Und dein Urlaub war ja eigentlich zu kurz, um dich richtig erholen zu können.«
Er wollte sie nicht gehen lassen. Nicht nur, weil er sich nach ihr sehnen würde, sondern auch, weil er befürchtete, den Einfluss auf sie zu verlieren. Er kannte die Leute nicht, mit denen sie in Karlsruhe zusammen war. Vielleicht rieten sie ihr ja auch, die Krankheit auf sich beruhen zu lassen. Hier war Dr. Brunner, dem daran gelegen war, Sophie zu heilen, der nicht locker lassen würde, bis sie sich einer Biopsie unterzog.
»Möchtest du das wirklich?«, fragte sie mit forschendem Blick.
»Natürlich möchte ich das. Ich würde dich am liebsten gar nicht mehr weggehen lassen. Außerdem bist du ja erst einmal krank geschrieben. Es gäbe also gar kein Argument dagegen. Es sei denn, dass du mich nicht sehen möchtest.«
Da stand sie auf und setzte sich auf seinen Schoß, legte die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn.
»Das ist eigentlich eine gute Idee«, meinte sie. »Ich könnte wirklich eine Weile hierbleiben. Nur meine Sachen …«
»Die hole ich dir«, fiel er ihr ins Wort. »Du machst mir eine Liste, gibst mir deinen Wohnungsschlüssel und binnen drei Stunden hast du hier alles, was du möchtest. Bei mir im Haus ist Platz genug.«
Da lachte sie. »Ich habe nicht vor, meinen ganzen Hausstand mitzubringen.«
»Schade.«
Sie küsste ihn auf die Wange, nicht auf den Mund. Doch das war ihm zu wenig. Er umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und nahm sich den Kuss, den er sich vorstellte. Einen sehr langen und sehr innigen Kuss. Als sie sich voneinander lösten, sagte Sophie schmunzelnd: »Überzeugt.«
Sie lachten, nahmen sich wieder in die Arme und blieben Wange an Wange sitzen. Dabei schauten sie auf die Hügelketten am Horizont, auf die in weinfarbenem Abenddunst verschmelzenden Linien, deren Schönheit sie anrührte.
»Ich mag meinen Beruf nicht mehr ausüben«, sagte Sophie nach einer Weile unvermittelt. »Ich mag nicht mehr jede Woche irgendwo anders hinreisen. Ich mag die Großstädte nicht mehr mit ihrer Hektik, dem Krach; ich mag die Künstler nicht mehr, die ich interviewen muss. Oft sind sie arrogant, herablassend und man muss betteln, um ein paar Fragen beantwortet zu bekommen, weil man den Auftrag dazu hat.« Sie hielt Thomas eine Armlänge auf Abstand und lächelte ihn spitzbübisch an. »Weißt du, was ich eigentlich werden wollte?«
»Sag’s mir.«
»Ich wollte Bücher schreiben. Aber nachdem ein Verlag mir mein erstes Manuskript zurückgeschickt hat, habe ich mich nach dem Studium bei der Datenagentur als Journalistin beworben und bin dort hängen geblieben.«
»Hier bei uns hättest du die Ruhe zum Schreiben.« Er zog sie wieder nah zu sich heran und bettete ihren Kopf in seiner Halskuhle. »Was soll’s denn werden? Ein Krimi?«
Sie lachte leise. »Ein Liebesroman.«
»Dann fang doch gleich mit unserer Geschichte an.«
»Mein Roman soll ein Happy End haben.«
Er fühlte sich, als hätte er einen Schlag vor den Kopf bekommen. Abrupt setzte er sich aufrecht hin, wobei Sophie von seinem Schoß rutschte. Hätte er sie nicht festgehalten, wäre sie auf dem Boden gelandet.
»Für mich hat unsere Liebesgeschichte ein Happy End«, erwiderte er viel härter als er eigentlich wollte, zumal in ihren Augen jetzt wieder der Ausdruck dieser tiefen Wehmut lag. Er stand auf und nahm sie in die Arme. »Sophie, wir beide werden ein Happy End haben. Das weiß ich. Und weil ich das weiß, habe ich dir was mitgebracht, damit du dich zukünftig immer an meine Worte erinnerst, falls dir wieder einmal so ein Schwachsinn wie gerade in den Kopf kommt.« Er griff in seine Jeanstasche und zog eine kleine Schachtel heraus. Ohne große Umstände öffnete er sie und entnahm ihr einen Ring. Einen breiten goldenen Ring mit einem großen Stein, der die Farbe ihrer Augen hatte und flankiert wurde von zwei blitzenden Diamanten.
»Ich möchte, dass du ihn ab heute trägst. Er ist das Zeichen dafür, dass wir miteinander verbunden sind. Zur Hochzeit gibt’s dann einen schlichteren«, fügte er als Scherz hinzu.
Er sah, wie dieses Geschenk der geliebten Frau die Sprache verschlug. Immer wieder drehte sie das Schmuckstück hin und her, steckte es an den Finger, nahm es wieder ab, und schließlich sah sie mit Tränen in den Augen zu ihm hoch.
»Du meinst es wirklich ernst, nicht wahr?«
Todernst, wollte er schon ganz spontan antworten, konnte sich aber gerade noch zurückhalten.
»Ja, ich meine es ernst, und ich hoffe, dass du es genauso ernst meinst.«
Da fiel sie an seine Brust und umarmte ihn.
»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich«, sagte sie immer wieder.
»Für immer und ewig?«, raunte er ihr ins Ohr.
Sie lockerte ihre Umarmung, sodass sie ihm ins Gesicht sehen konnte.
»Für immer und ewig. Und morgen reden wir mit Dr. Brunner über die Biopsie.«
Dieses Versprechen ließ Thomas innerlich aufjubeln.