Der Kettenträger. James Fenimore Cooper
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Der Ton einer Geige in einem kleinen Flecken an einem kalten Oktoberabend mußte nothwendig seine Wirkung thun. Nach einer halben Stunde kam die lächelnde Wirthin, um mich einzuladen, mich auch zu der Gesellschaft zu begeben, mit der angenehmen Nachricht, es werde mir nicht an einer Tänzerin fehlen, denn das hübscheste Mädchen im Ort sey so eben erst auch gekommen und habe noch keinen Tänzer. Als ich in das Schenkzimmer trat, ward ich mit einer Menge linkischer Verbeugungen und Knixe, aber mit viel einfacher und wohlmeinender Gastlichkeit begrüßt. Die Begrüßung Jaaps selbst war sehr studirt und durchaus von der Art, daß sie jeden Verdacht ausschloß, daß wir früher schon bekannt gewesen.
Das Tanzen dauerte über zwei Stunden sehr lebhaft fort, als die vorgerückte Stunde die Dorfmädchen an die Notwendigkeit mahnte, sich zurückzuziehen. Als Jaap die Anzeichen des nahe bevorstehenden Auseinandergehens der Gesellschaft bemerkte, hielt er mir in sehr respektvoller Weise seinen Hut hin, worauf ich ganz stattlich meinen Shilling hineinwarf, in einer Weise, welche Aufmerksamkeit erregen mußte, und ihn dann bei den männlichen Mitgliedern der Gesellschaft herumgehen ließ. Noch Einer gab auch einen Shilling, zwei standen zusammen und brachten wirklich einen Viertelsdollar heraus. Einige warfen Sechspencestücke oder Vierund ein halb Pencestücke hinein und das Uebrige waren Kupferstücke. Das Ganze zu krönen, erklärte die Wirthin, welche gut aussah und eine Freundin vom Tanze war, öffentlich, der Geiger und sein Pferd sollten zechfrei seyn, bis er den Ort verlasse. Durch diesen sinnreichen Einfall Jaaps fand ich am nächsten Morgen in meinem Beutel sieben Shillinge und sechs Pence in Silber, außer meinem eigenen Shilling, und außerdem Kupfer genug, um einen Neger eine ganze Woche in Eider zu erhalten.
Ich habe oft über Jaap's Streich und List gelacht, aber ich mochte ihm nicht erlauben, es zu wiederholen. Als ich am Hause eines Mannes von besserem Stande vorbeikam, stellte ich mich dem Eigenthümer vor, obwohl ich ihm ganz fremd war, und erzählte ihm meine Geschichte. Ohne eine weitere Bestätigung zu verlangen, als mein Wort, lieh mir dieser Gentleman fünf Dollars Silber, welche für meine augenblicklichen Bedürfnisse ganz genügten, und die, wie ich hoffentlich kaum nöthig habe ausdrücklich zu sagen, gebührender Weise zurückerstattet wurden.
Es war eine glückliche Stunde für mich, als ich mich als Titularmajor, in der That aber als freien Mann sah, ungehindert zu gehen, wohin ich wollte. Der Krieg hatte seit der Gefangennehmung von Cornwallis und dem Schweden der Friedensunterhandlungen so wenig Abwechslung oder Abenteuer geboten, daß ich der Armee müde zu werden begann, und nunmehr das Land triumphirt hatte, ganz bereit war, sie zu verlassen. Die Familie, das heißt meine Großmutter, Mutter, Tante Mary und meine jüngere Schwester, nahmen noch zu rechter Zeit wieder Besitz von Satanstoe, um im Herbst 1782 noch einen Theil des trefflichen daselbst wachsenden Obstes zu genießen; und früh im folgenden Jahre, nachdem der Friedensschluß unterzeichnet war, die Engländer aber noch in der Stadt blieben, war meiner Mutter die Rückkehr nach Lilaksbush möglich. In Folge dieser vorgängigen Schritte fanden mein Vater und ich, als wir wieder bei den beiden Familien eintrafen, die Dinge schon in besserem Stande und größerer Ordnung, als sonst wohl der Fall gewesen wäre. Der Landhals war bepflanzt und es war ihm die Wohlthat einer Bearbeitung während des Frühlings zu Gute gekommen, während die Gärten und Ländereien von Lilaksbush durch den gereiften und geübten Geschmack meiner vortrefflichen Mutter neu hergestellt und in guten Stand gesetzt worden waren. Ja, wahrhaft bewundernswerth war meine Mutter in allen Verhältnissen des Lebens! Wahrhaft weiblich in Gefühlen und Lebensgewohnheiten, theilte sie Allem, was sie berührte, Etwas von ihrem Gemüth und Zartgefühl mit. Selbst die leblosen Dinge ihrer Umgebung verriethen durch solche Züge, daß sie in Verbindung standen mit einer Frau, begabt mit den schönsten Eigenschaften ihres Geschlechts. Ich erinnere mich, daß Oberst Dirck Follock eines Tages, als wir mit einander die Wirthschafts- und Gesindestuben besichtigt hatten, eine Bemerkung gegen mich äußerte, welche auf diesen Zug in meiner Mutter Charakter ganz ihre Anwendung fand, und dabei vollkommen richtig war.
»Niemand,« sagte er, »kann auch nur die Küche der Mrs. Littlepage sehen, ohne zu merken, daß sie von einer Lady geleitet und beaufsichtigt wird, obgleich sie gar nie selbst hineinzukommen scheint. Es gibt eine Menge Küchen, die ebenso sauber, ebenso groß und ebenso gut eingerichtet sind, aber nicht leicht findet man eine Küche, welche Einem denselben Eindruck macht von gutem Geschmack in Betreff des Tisches und des ganzen Haushalts.«
Wenn dies seine Wahrheit hatte schon in Bezug auf die untergeordneteren Theile der Wohnung, wie viel mehr bewährte es sich noch in Beziehung auf die besseren, die Wohnzimmer der Familie. Da sah man meine Mutter in Person, umgeben von den Dingen und Geräthschaften, welche einen feinen, gebildeten Geschmack beurkunden, ohne doch eine Spur von dem hochgesteigerten Luxus, von welchem wir in den Schilderungen älterer Länder lesen. In Amerika hatten wir viel schönes Porzellan und nicht wenig massives Silber, mit Ausnahme förmlicher Service, schon vor der Revolution, und meine Mutter hatte Beides in ungewöhnlicher Menge geerbt; aber das Land wußte noch wenig von jener bequemen und üppigen Einrichtung des häuslichen Lebens, welche bei uns, in Folge des ungeheuer gesteigerten Handels, rasche Fortschritte macht.
Obgleich der Reichthum des Landes während eines sieben Jahre lang in seinem Innern tobenden Krieges gewaltige Stöße erlitten hatte, begann doch die Elasticität einer jungen und lebenskräftigen Nation bald das Uebel wieder gut zu machen. Es ist wahr, der Handel belebte sich erst wieder vollkommen, die mit ihm zusammenhängenden Interessen kamen erst wieder in bedeutenden Schwung nach der Annahme der Constitution, welche die Staaten einer Reihe gemeinsamer Zollbestimmungen unterwarf; aber doch bewirkte schon Ein Jahr eine offenbare, höchst wohlthätige Veränderung. Man konnte jetzt schon mit einer gewissen Sicherheit Schiffe ausrüsten, und das Land fühlte augenblicklich die Folgen. Das Jahr 1782 war gewissermaßen eine Zeit des Aufathmens für die Nation, obwohl lange vor seinem Ablauf schon die Knochen und Sehnen der Republik anfingen sichtbar und fühlbar zu werden. Da lernte dieses Gemeinwesen zuerst, als Volk, den unermeßlichen Vortheil erkennen, den es dadurch errungen, daß es seine eignen Interessen leitete und sie als solche behandelte, welche denen keines andern Landes der Welt nachstünden. Das war der große Gewinn von allen unsern Mühen.
Drittes Kapitel.
Er sagt ihr Etwas,
Das sie erröthen macht, wahrhaftig, sie
Ist Königin von Milch und Rahm
Wintermährchen.
Glückliches, glückliches Lilaksbush! Nie werde ich das Entzücken vergessen, womit ich über seine Höhen und durch seine Thäler schweifte, und wie ich in der Wonne des Gefühls schwelgte, wieder in gewisser Art Herr und Meister zu seyn an den Orten und Scenen, welche der Tummelplatz meiner Knabenjahre gewesen waren. Es war im Frühjahr 1784, als mich meine Mutter wieder in ihre Arme schloß, und dies nach einer Trennung von beinahe zwei Jahren. Kate lachte und weinte und umhalste mich, gerade wie sie fünf Jahre früher gethan haben würde, obgleich sie jetzt eine liebenswürdige Jungfrau war, die eben das neunzehnte Jahr überschritten hatte. Tante Mary schüttelte mir die Hand, gab mir ein paar herzliche Küsse und lächelte mich freundlich und liebevoll an ihrer ruhigen, sanften Art. Das Haus war in einem förmlichen Tumult, denn mit mir kam auch Jaap zurück,