Der Kettenträger. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Der Kettenträger - James Fenimore Cooper страница 11
Nach Verfluß dieser Zeit bestellte ich mein Pferd, um nach Satanstoe hinüberzureiten und meine verwittwete Großmutter zu besuchen, welche allen Versuchen widerstanden, die man gemacht hatte, sie zu bereden, die Sorgen der Haushaltung abzugeben und nach Lilaksbush zu kommen, um daselbst zu leben. Der General, denn so nannte Jedermann jetzt meinen Vater, begleitete mich nicht, denn er war ein paar Tage zuvor in Satanstoe gewesen, wohl aber meine Schwester. Da die Straßen während des Krieges sehr vernachlässigt worden waren, machten wir den Weg zu Pferde, denn Kate war eine der beherztesten Reiterinnen, die ich kannte. Mittlerweile hatte sich Jaap das Privilegium erworben, gerade nur das zu thun, was seiner Neigung zusagte, oder, um mich richtiger auszudrücken, er war nicht viel zu brauchen, außer bei zufälligen, nicht zur gewöhnlichen Ordnung gehörigen Geschäften, welche so lange Zeit seine Hauptaufgabe und Obliegenheit gewesen waren; und er ward ein paar Stunden ehe wir selbst ausbrachen, abgeschickt, um Mrs. Littlepage, oder seine »gar alte Missus,« wie der Bursche immer meine Großmutter nannte, zu benachrichtigen, wen sie zum Mittagessen zu erwarten habe.
Ich habe sagen gehört, es gebe Länder in der Welt, wo die Leute so verkünstelt und verschroben werden, daß die allernächsten Verwandten nicht einmal sich eine solche Freiheit nehmen dürfen. Der Sohn nehme sich nicht heraus, an seines Vaters Tisch sich zu setzen, ohne die Förmlichkeit zu beobachten, anzufragen, oder sich einladen zu lassen. Der Himmel sey gepriesen, bis zu dieser Höhe haben wir in Amerika es noch nicht gebracht. Welche Eltern oder Großeltern bis auf die entfernteste Generation zurück, die das Leben hat, würden einen Abkömmling anders als mit einem Lächeln, mit einem herzlichen Willkomm empfangen, möchte er kommen wann und wie er wolle! Wenn kein Zimmer da ist, oder keine Vorbereitungen, so müssen die Mängel durch die Wärme des Willkomms vergütet werden; oder wenn förmliche Unmöglichkeiten dazwischentreten, die nicht durch rasche Besonnenheit überwunden werden können, wie dies doch bei den meisten solchen »Unmöglichkeiten« der Fall ist, so wird die Wahrheit offen herausgesagt und das Vergnügen des Zusammenseyns auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben. Es ist nicht meine Absicht, einer vorangeschritteneren Civilisation einen unwissenden und gemeinen Hohn ins Gesicht zu schleudern, wie dies nur zu leicht und zu häufig die Neigung der Unwissenheit und provinzieller Lebensgewohnheiten ist; denn ich weiß recht gut, daß die meisten Bräuche jener hochgesteigerten Gesellschaftszustände in der Vernunft begründet sind und ihre Rechtfertigung finden in einem gebildeten, gesunden Menschenverstande; aber am Ende hat doch Mutter Natur ihre Rechte, und diese dürfen nicht allzu keck angegriffen und überschritten werden, ohne daß solche Überschreitungen selbst ihre verdienten Strafen mit sich bringen.
Es war gerade neun Uhr, an einem schönen Maimorgen, als Kate Littlepage und ich zum äußeren Thore von Lilaksbush hinausritten, und auf die alte, wohlbekannte Straße von Kingsbridge (Königsbrücke) kamen. Kingsbridge!Dieser Name besteht noch, sowie auch die Namen von Grafschaften nach Königen und Königinnen und Herzoginnen, um Nichts zu sagen von einer Anzahl von Prinzen So und So in andern Staaten, und ich hoffe, sie werden immer bleiben, als ebenso viele Denksteine und Wegweiser in unserer Geschichte. Diese Namen sind Alles, was jetzt bei uns noch von der Monarchie übrig ist; und doch habe ich meinen Vater hundertmal sagen hören: wie er ein junger Mann gewesen, sey seine Ehrfurcht vor dem britischen Throne nur seiner Ehrfurcht vor der Kirche nachgestanden. Ja wie kurzer Zeit hat sich diese Gesinnung bei einer ganzen Nation verwandelt; oder wenn nicht durchaus verwandelt, denn Manche hegen noch die alte Achtung vor der Monarchie, wie gewaltig und unheilbar ist sie geschwächt worden! So sind die Dinge dieser Welt, vergänglich und zeitlich ihrem innersten Wesen nach; und dieser Wahrheit eingedenk zu seyn, würden diejenigen gut thun, welche bei solchen Wechseln Viel auf dem Spiel stehen haben.
Wir hielten vor der Thüre des Gasthauses zu Kingsbridge an, um der alten Mrs. Light, der Wirthin, guten Morgen zu sagen, welche jetzt ein halbes Jahrhundert auf dem Hause war, und uns, sowie unsere Eltern schon, von Kindesbeinen an kannte. Diese redselige Hausfrau hatte ihre guten und ihre schlimmen Eigenschaften, aber Gewohnheit und Bekanntschaft gab ihr eine Art Recht auf unsere Aufmerksamkeit und ich konnte nicht an ihrer Thüre vorbei, ohne mein Pferd, wenn auch nur für einen Augenblick, anzuhalten. Sobald ich dies gethan, erschien auch schon die Gastgeberin in Person unter ihrer Hausthüre, uns zu begrüßen.
»Ja, das habe ich geträumt, Mr. Mordaunt,« rief die alte Frau, sobald sie mich erblickte, – »das habe ich geträumt, und zwar erst vorige Woche! Es ist Unsinn, wenn man es läugnet, – Träume gehen oft in Erfüllung!«
»Und was ist denn diesmal Euer Traum gewesen, Mrs. Light?« fragte ich, wohl wissend, daß es doch heraus müsse, und dachte, je eher, je besser.
»Ich träumte letzten Herbst, der General sey heimgekommen, und er war heimgekommen! Nun war die einzige Idee, die mir auf diesen Traum helfen konnte, ein Gerücht, daß er an diesem Tage heimkommen solle; aber Ihr wißt, Mr. Mordaunt, oder Major Littlepage, wie ich Euch jetzt nennen muß, wie man mir sagt – nun, Ihr wißt, Mr. Mordaunt, wie oft an Gerüchten Nichts ist. Ich rechne ein Gerücht für keine große Hülfe zu einem Traum. Nun, und vergangene Woche träumte ich, Ihr würdet in dieser Woche gewiß nach Hause kommen, und da seyd Ihr auch wirklich!«
»Und das Alles, ohne daß ein lügenhaftes Gerücht Euch geholfen hätte, meine gute Frau Wirthin?«
»Ha, wenigstens Nichts von Belang; ein Geschwätz hie und da vielleicht; aber da ich an dergleichen nie glaube, wenn ich wache, wäre es unvernünftig, anzunehmen, daß ich daran im Schlaf glauben sollte. Ja, Jaap hielt diesen Morgen einen Augenblick an, um sein Pferd zu tränken, und von dem Augenblick an sah ich voraus, daß mein Traum in Erfüllung gehen werde, obgleich ich kein Wort mit dem Neger tauschte.«
»Das ist doch etwas auffallend, Mrs. Light, denn ich hatte geglaubt, Ihr wechseltet immer ein paar Worte mit Euern Gästen.«
»Mit den Schwarzen nicht. Major; es macht sie so leicht vorlaut. Vorlautheit bei einem Neger ist Etwas, das ich nicht ausstehen kann, und deßwegen halte ich sie Alle in einiger Entfernung. Nun, was für Zeiten ich erlebt habe, Major, seit Ihr in den Krieg gegangen! Und was für Veränderungen vorgegangen sind! Unser Geistlicher betet nicht mehr für den König und die Königin – gerade wie wenn gar keine solche Leute mehr lebten!«
»Nicht ausdrücklich vielleicht, aber doch hoffe ich als für Theile der Kirche Gottes. Wir beten jetzt Alle für den Congreß.«
»Nun, ich hoffe, es werde zum Guten führen! Ich muß sagen, Major, die Offiziere Seiner Majestät ließen freigebiger ausgehen und bezahlten in besserem Gelde als die Gentlemen vom Continent. Ich habe sie Beide hier gehabt, zu ganzen Regimentern; und das Zeugniß muß ich ihnen geben nach meinem Gewissen.«
»Ihr müßt bedenken, sie waren reicher und hatten mehr Geld als unsere Leute. Für die Reichen ist es leicht, freigebig zu erscheinen.«
»Ja, ich weiß das, Sir, und Ihr müßt das auch wissen, und wißt es. Die Littlepages sind reich und sind es immer gewesen, und sie sind auch freigebig. Gott segne Euer Lächeln, ihr hübschen Gesichter! Ich habe Eure Familie gekannt, lang ehe Ihr sie kanntet. Ich kannte den alten Kapitän Hugh Roger, Euern Urgroßvater, und den alten General, Euern Großvater, und jetzt kenne ich den jungen General und Euch! Nun, das wird noch nicht der Letzte von Eurem Stamme seyn, glaube ich gewiß, und es wird leichte und vergnügte Herzen geben bei den Bayards, dafür will ich stehen, jetzt, nachdem die Kriege vorbei sind, und der junge Major Littlepage zurück ist.«
Damit endete das Gespräch; denn ich hatte jetzt desselben genug; ich machte meine Verbeugung