Der Kettenträger. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Der Kettenträger - James Fenimore Cooper страница 14
»Sollte der General daran denken, in meiner Abwesenheit einen Contrakt über mich abzuschließen?«
»O nein – Papa kümmert sich sehr wenig um solche Dinge. Seit seiner Rückkehr nach Hause hat er, wie er uns sagt, nur immer der Mama wieder den Hof gemacht.«
»Gewiß hat doch Tante Mary nicht Worte gefunden zu einer solchen Andeutung?«
»Ei wahrhaftig, sie! Die arme liebe Tante Mary; sie mischt sich wenig in andrer Leute Angelegenheiten und Sorgen. Wißt Ihr wohl, Mordaunt, Mama hat mir vor Kurzem ihre ganze Geschichte erzählt, und den Grund, warum sie so viele treffliche Anträge abgewiesen hat. Ich glaube gewiß, wenn Ihr sie bittet, erzählt sie sie Euch auch.«
»Ich weiß die ganze Geschichte schon vom General, Kind. Aber wenn dieser Sache gegen Eines von der Familie Bayard Erwähnung gethan worden ist, und weder mein Vater, meine Mutter, noch Tante Mary von unsrer Seite darauf hingewiesen haben, und weder Mr. Bayard, noch seine Gattin, noch seine Tochter andererseits es sind, gegen welche etwas darauf Bezügliches geäußert worden ist, so bleibt Niemand mehr übrig, als Ihr und Tom, welche ein solches Gespräch können gepflogen haben. Ich bitte Euch, diesen Punkt mit Eurer gewohnten Offenheit zu erklären.«
Das Angesicht von Kate Littlepage glühte wie Scharlach. Sie war förmlich gefangen, obgleich ich die Wahrheit schon von dem Augenblick an geahnt hatte, wo sie so stotterte und stockte, indem sie ihre erste Angabe berichtigte. Ich will gestehen, ich hatte meine Freude an des Mädchens Verwirrung, sie machte sie so äußerst lieblich aussehen; und ich war beinahe ebenso stolz auf sie, als ich sie zärtlich liebte. Die liebe, liebe Kate; von ihrer Kindheit an hatte ich meine eigne Freude und Kurzweil mit ihr, obgleich ich mich keines harten Wortes, keines unfreundlichen Gefühls erinnere, das je unser Verhältniß im mindesten getrübt hätte. Ein anziehenderes und reizenderes Studium, als das Angesicht meiner Schwester während der nächsten Minute darbot, stellte sich nie dem Auge eines Mannes dar; und ich erfreute mich desselben mit um so größerem Genusse, als ich lebhaft überzeugt war, daß sie, trotz ihrer argen Verwirrung, doch sich nicht verletzt oder unangenehm berührt fühlte. Angeborne Freimüthigkeit, märchenhafte Sittsamkeit, ihre Gewohnheit, ganz offen mit mir zu verkehren, und der Wunsch, dies auch ferner so zu halten, kämpften in ihrem lieblichen Gesicht und bildeten eines der einnehmendsten Gemälde weiblichen Gefühls, wovon ich je Zeuge gewesen. Endlich triumphirte die Neigung zur Offenheit und die Liebe zu mir über eine konventionelle Schüchternheit; die natürliche Farbe kehrte wieder, in kaum merklich erhöhter Lebhaftigkeit, auf die Wange zurück, auf der sie zuvor zu brennen geschienen hatte; und Kate sah mich mit einer Miene an, welche all' das schwesterliche Vertrauen und die Liebe verrieth, die sie wirklich für mich fühlte.
»Ich hatte nicht die Absicht, Dir einen Umstand mitzutheilen, der, wie ich weiß, für Dich vom größten Interesse seyn wird, denn ich hatte vorausgesetzt, meine Mutter werde mir die Verlegenheit ersparen, Dir davon zu sagen; aber jetzt habe ich keine andere Wahl, als zu Ausflüchten zu greifen, die ich nicht liebe, oder gemäß unserer althergebrachten Offenherzigkeit mit Dir zu sprechen.«
»Und der langen Rede kurzer Sinn, meine liebe Schwester, ist wohl: daß Du mit Mr. Bayard verlobt seyest!«
»Nein, so weit ist es noch nicht, Bruder. Mr. Bayard hat seinen Antrag gemacht, und ich habe meine Antwort verschoben, bis Du ihn erst kennen gelernt hättest. Ich möchte meine Hand nicht versagen, Mordaunt, bevor Du meine Wahl gebilligt.«
»Ich fühle das Kompliment, Katrinke, und werde es gewiß in entsprechender Weise erwiedern. Verlaß Dich darauf, Du sollst es zu rechter Zeit erfahren, wenn ich im Sinne habe zu heirathen, und sollst darüber gehört werden.«
»Es ist ein Unterschied zwischen den Ansprüchen und Rechten eines ältern und einzigen Bruders und denen eines jungen Mädchens, das, wenn es seine Wahl trifft, auf den Rath von Freunden Viel geben, ihnen viel Vertrauen schenken soll.«
»Du wirst nicht mehr blos ein junges Mädchen seyn, wenn diese Zeit kommt, sondern selbst eine verheirathete Frau, befugt und im Stande, aus eigner Erfahrung Rath zu geben. Um jedoch auf Tom zurückzukommen; er ist dasjenige Mitglied der Familie, gegen welches die erwähnte Andeutung ausgesprochen wurde?«
»Ja, er war es, Mordaunt,« antwortete Kate mit leiser Stimme.
»Und Du warest es, die jene Andeutung fallen ließ?«
»Ganz recht – wir sprachen eines Tages von Dir; und ich drückte meine lebhafte Hoffnung aus, Du werdest Priscilla mit eben den Augen ansehen, wie, das versichere ich Dich, unsere ganze übrige Familie; das war Alles.«
»Und das war gerade genug, Kind, um Tom Bayard dazu zu bringen, sich zu erhängen, falls er ein Liebender vom ächten Schrot und Korn ist.«
»Sich zu erhängen, Bruder! Wahrhaftig, ich verstehe nicht, warum?«
»Ha, einfach, wegen der handgreiflichen Entmuthigung, welche ein solcher Wunsch ganz natürlicher Weise in sich schließt für den Bruder der jungen Dame, da er doch sehen mußte, daß Du Lust habest, die zwei Familien auf eine andere Weise zu verbinden, als dadurch, daß Du ihm Deine Hand reichest.«
Kate lachte; aber da sie nicht sehr verwirrt und gar nicht unruhig schien, veranlaßte mich dies zu glauben, es sey dem Mr. Tom doch wohl eine bedeutendere Aufmunterung zu Theil geworden, als ihr Wunsch, mich mit der Schwester ihres Anbeters vermählt zu sehen, enthielt, und mein etwaiges Mißfallen an dem genannten Gentleman würde ihr mehr Kummer verursachen, als sie gestehen mochte. Wir ritten jedoch eine Strecke weiter, ohne daß Eines von uns einen Versuch machte, das Gespräch wieder anzuknüpfen. Endlich sprach ich, wie es meinem Geschlecht zustand.
»Wann soll ich dies Musterbild von einem jungen Mann und dies Musterbild von einem jungen Frauenzimmer zu sehen bekommen, Kate, wenn ich doch Beide sehen soll?«
»Kein Musterbild von einem jungen Mann, Bruder, gewiß habe ich ihm doch keinen solchen Namen gegeben! Tom Bayard ist ein guter Junge; aber ich wüßte nicht, daß er irgend wie ein Musterbild und Ideal wäre.«
»Er ist überdies auch ein gutaussehender Junge, das sehe ich' als ausgemacht an?«
»Nicht in dem Maße wie Du, wenn das Deiner Eitelkeit schmeichelt.«
»Das muß es wohl, aus einem solchem Munde. Aber meine Frage ist doch noch nicht beantwortet.«
»Dir die Wahrheit zu gestehen, Mordaunt, ich erwarte, daß wir Tom Bayard und Pris zu Satanstoe treffen und daß sie bei unserer Großmutter zu Mittag essen werden. Sie schrieb mir vor ein paar Tagen, Beide seyen eingeladen, und sie hoffe, Beide würden es annehmen.«
»Also ist die alte Lady auch im Complott und beabsichtigt mich zu verheirathen, ich mag wollen oder nicht! Ich hatte diesen Besuch ganz für einen Einfall von mir selbst gehalten!«
Kate lachte wieder und sagte mir, ich möge über diesen Punkt meine eignen Beobachtungen machen und für mich selbst urtheilen. Was den Besuch betreffe, so hätte ich nur zufällig ein Projekt von Andern begünstigt. Das Gespräch nahm jetzt eine andere Wendung, und wir ritten einige Meilen weiter und unterhielten uns von den Auftritten des Krieges, ohne der Bayard's und