Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule. Группа авторов

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besitze. Er wurde zur inneren Stimme, die wie ein guter Freund beratend, abratend oder warnend zur Seite steht. Damit konnte ich mich in immer stärkerem Mass unabhängig machen von täuschenden Äusserlichkeiten. Das ist eine wichtige Erfahrung, wenn man auf sich selbst gestellt ist – vor allem wenn es darum geht, blitzschnell eine Entscheidung zu treffen.

      Unglaublich und beschämend (wenn ich daran denke, wie wir oftmals in unserer Gesellschaft Fremde behandeln) war die grosse und selbstverständliche Gastfreundschaft, die mir vielerorts widerfuhr. Ich begegnete Reichen und Armen, Gebildeten und Analphabeten, die ihr eigenes Wissen hatten, ein Wissen, das ihnen das Leben selbst übermittelte. Ich begann, die extremen Seiten des Lebens kennenzulernen. An einem Tag war ich Gast in einer strohgedeckten Lehmhütte, tags darauf in einem palastähnlichen Haus. Oder an einem Tag marschierte ich bis zur Hüfte durch Sümpfe und ein paar Tage später tanzte ich auf einer Diplomatengesellschaft.

      Am liebsten hielt ich mich unter Menschen auf, die noch im Einklang mit der Natur lebten. Mit Menschen, die oft nicht mehr besassen, als sie am Leibe trugen, aber deren Lebensfreude ansteckend war, Menschen, deren Lächeln ich vertrauen konnte. Von ihnen erfuhr ich auch, welch ein Reichtum es ist, im zwischenmenschlichen Bereich einander zu berühren. Ungewollte Einsamkeit kennen sie nicht.

      Reisen wurde zur aufregendsten Entdeckung meines Lebens, wobei Abenteuer wahrlich nicht zu kurz kamen: Motorschaden mitten in der Wüste zwischen Iran und Afghanistan; tobender Zyklon während einer Expedition in den Sundarbans von Bangladesch; Steinzeit-Begegnung mit den Weddas, der Urbevölkerung von Sri Lanka, oder kribbeliges Zusammentreffen mit einem der letzten weissen Nashörner in Java.

      Zum Alltag gehörte: tagelang auf staubigen oder morastigen Strassen auf ein Transportmittel warten, sich festkrallen an Schiffsplanken, um nicht bei turmhohen Wellen über Bord zu gehen, stundenlang Schlange stehen um Fahrkarten oder bürokratisches Spiessrutenlaufen bei Behördengängen. Reisen offeriert aber auch besinnliche Stunden in friedlichen Tempelhöfen; vertrauliche Gespräche mit Menschen, denen man zufällig begegnet und die man vermutlich nie mehr wiedersehen wird; aufwühlende Seelenstürme auf Berggipfeln oder geruhsame Spaziergänge zwischen Reisfeldern oder unter sich sanft wiegenden Kokospalmen.

       Reisen als Tor zur Selbstbegegnung

      Reisen kann zum grossen Lebenstor werden. Wenn man es durchschreitet, vermag man sich selbst zu begegnen, sich selbst genauer und schonungsloser unter die Lupe zu nehmen als zu Hause. Schritt für Schritt entblössen sich kleine und grössere Schwächen, die in Extremsituationen schnell ans Tageslicht kommen. Ich lernte meine anerzogenen Meinungen zu überprüfen, begann vertraute Verhaltens- und Denknormen infrage zu stellen. Das waren gewaltige innere Aufräumarbeiten.

      Früher litt ich oft unter unbestimmten Ängsten. Doch je länger ich unterwegs war, desto mehr Selbstvertrauen, Mut und Zuversicht gewann ich und umso gelöster ging ich alles an. Grossen Spass machte es mir, die eigene Wandlungsfähigkeit zu entdecken. Die neugewonnene Freiheit durchlebte ich mit jeder Faser meines Seins. Das hatte aber nichts mit Sich-gehen-Lassen zu tun, sondern bedeutete eine neue Art von Verantwortung sich selbst wie anderen gegenüber. Ich lernte meine eigenen Leistungs- und Bedürfnisgrenzen kennen und benötigte immer weniger Konsumgüter, ohne die ich mir zuvor mein Leben nicht hätte vorstellen können.

      Besonders schwer fiel mir auf Reisen, immer wieder von Menschen Abschied zu nehmen, die ich unterwegs getroffen hatte und mit denen mich spannende Abenteuer, gemeinsame Neigungen, Interessen und Sehnsüchte oder intensiver Gedankenaustausch verbanden. Man vertraut sich unterwegs oft vieles an, was man zu Hause keinem Menschen erzählen würde, aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an diese unentwegten Trennungen gewöhnte. Und schliesslich begriff ich, dass nichts im Leben von Dauer ist.

      Und nichts lehrt besser als das Reisen, dass jedem Ende ein neuer Anfang folgt. Manchmal kommt man sich rastlos vor, von einem inneren Drang weitergetrieben. Diesen Zustand kannte auch Alexandra David-Néel: «Im Menschen wohnt etwas, das stärker ist als er, das ihn Wege gehen lässt, die ohne Ziel scheinen. Dennoch ist glücklich, wer auf ihnen geht.»

      Viele neue Denkanstösse erhielt ich durch die verschiedenen Philosophien und Religionsformen, die ich anfangs nur oberflächlich beäugte. Doch als ich mich damit auseinandersetzte, kamen neue Lernprozesse ins Rollen. Die persönliche Veränderung, die sich vollzog, bemerkte ich nicht gleich, da sie schrittweise geschah. Erst als ich nach drei Jahren zum ersten Mal wieder heimatliche Gefilde betrat, erkannte ich, wie sehr ich mich verändert hatte.

      «You will never be the same again.» Wie oft hatte ich diesen Spruch unter Langzeitreisenden gehört. Aber erst jetzt erkannte ich seine ganze Bedeutung. Wer einmal auszog, um die Welt kennenzulernen, kehrt nicht als dieselbe Person zurück, die er oder sie davor gewesen ist. Es wäre ein Irrtum zu glauben, das gleiche Leben fortsetzen zu können, das man davor geführt hat. Vieles, was mir einst wichtig erschien, hatte an Wert verloren, und andere Dinge, die ich früher nicht einmal wahrgenommen hatte, hatten an Bedeutung gewonnen.

      Diese Verschiebung von Wertigkeiten isoliert anfangs. Ich fand heraus, dass ich mich Menschen, die mir einst vertraut waren, nicht mehr in der alten Weise mitteilen konnte. Aber niemand, der von einer Reise zurückkehrt, darf erwarten, dass die Zuhausegebliebenen Erfahrungen nachvollziehen können, die völlig ausserhalb ihres eigenen Erfahrungshorizonts sind. Ihre Welt und ihr Erlebnisraum sind gleich geblieben. Diese Erfahrung kann sehr einsam machen. Und ich begriff, dass es nicht Mut braucht, um wegzugehen, sondern um heimzukehren. Es ist nicht so schwer, in der Ferne unter fremden Menschen seinen eigenen Neigungen und Wunschträumen nachzugehen. Kraft kostet es dagegen, als autonom funktionierende Individualistin, die man geworden ist, in der eigenen Gesellschaft wieder Fuss zu fassen. Jetzt heisst es, die vielseitig gewonnenen Erfahrungen und mehrfach erprobte Wandlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

       Wenn ich als Frau provoziere

      Reisende, die aussergewöhnliche Pfade wählen, sind selten. Und noch seltener ist darunter das weibliche Geschlecht vertreten. Die Erfahrungsberichte allein reisender Frauen sind ausserdem sehr unterschiedlich. Reisen ist nun einmal eine ganz und gar individuelle Angelegenheit. Die einen erzählen von ständiger Anmache der Männer und von Schwierigkeiten jeder Art. Andere wiederum von fantastischen Erlebnissen mit den Einheimischen und einer unglaublichen Persönlichkeitsentfaltung.

      Was eine Frau schliesslich erlebt, hängt von mehreren Faktoren ab: von ihrem eigenen Auftreten, ihrer Menschenkenntnis, Improvisationsfähigkeit, Intuition und nicht zuletzt von dem jeweiligen Kulturkreis, den sie zu bereisen aussucht. Viel Einfühlungsvermögen wird von der westlichen Frau vor allem in islamischen Ländern verlangt. Da heisst es, besondere Rücksicht auf den Sittenkodex zu nehmen. Mit westlichem emanzipatorischem Verhalten wird man hier vielerorts anecken.

      Eine Frau, die ausserhalb von Touristenanlagen Minis, Shorts, knappe T-Shirts oder hautenge Jeans trägt, provoziert die Männer und beschämt deren Frauen. Burschikoses Auftreten imponiert Orientalen nicht, im Gegenteil: Es missfällt. Ebenfalls anstössig gilt ein Zärtlichkeitsaustausch zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit. Arabische Frauen sehen Männern auch nicht direkt in die Augen, sondern senken diese sittsam. Sucht eine Frau den offenen Blickkontakt mit einem Mann, gilt das bereits als Aufmunterung.

      Eine Touristin trägt nicht zur Befreiung der muslimischen Frau bei, wenn sie an einem Strand oder Oasenbrunnen die Hüllen fallen lässt, wo einheimische Frauen den Tschador tragen. Sie fordert damit nur den Unmut der Bevölkerung heraus. Hat eine westliche Frau durch solch einen Sittenverstoss den Stolz der einheimischen Frauen verletzt, darf sie bei eventuellen Schwierigkeiten nicht mit deren Hilfe rechnen.

      Muslimische Männer sind jedenfalls keine «Monster», wie sie oft von Touristinnen hingestellt werden. Und niemand erwartet von der Besucherin, dass sie sich von Kopf bis Fuss verschleiert. Sie

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