Die Todesstrafe II. Jacques Derrida

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Die Todesstrafe II - Jacques  Derrida Passagen forum

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[échafaudé] haben wird).

      Eine kurze und elliptische Exkursion in die Gefilde von Benveniste also, der in seinem Kapitel über „Ehre und Ehren“ dahin kommt, eine Frage zum griechischen Wort ποινή, poiné zu stellen, zur Schuld, die man abzahlen muss, um ein Verbrechen wiedergutzumachen, sowie zu den lateinischen Wörtern poena, punire. Auf diese Frage kommt Benveniste vom griechischen Wort timé her. Ich habe in einem Text mit dem Titel „Titre à préciser“82 darüber gesprochen. Timé, was „Ehre, Würde“ bedeutet, wovon timao abgeleitet ist, stammt von einem alten Verb ab, τίω, tíô, das „ehren“ bedeutet. Im etymologischen Ensemble dieser Familie findet man τίνω, tíno, was „zahlen“ bedeutet, tínumai (τίνυµαι), zahlen lassen, sühnen lassen, tisis (τίσδζ), Strafe, Rache. All diese Begriffe, bemerkt Benveniste, beziehen sich auf die „Bezahlung einer Schuld, auf die Wiedergutmachung einer Missetat“. Womit, wie Benveniste hinzufügt, das griechische poiné (ποινή) verwandt ist, Schulden, die dazu bestimmt sind, ein Verbrechen wiedergutzumachen, und also das lateinische poena, punire. Nachdem er Filiationen im Sanskrit und dem Awestischen aufgezeigt hat (cayate: zahlen, zahlen lassen, strafen, kay, cikay [strafen], kaetha, kaena: Rache, Hass, wobei das letztgenannte Wort dem griechischen poiné entspricht)83, schließt Benveniste daraus, dass es im Indoeuropäischen und im Griechischen ein Ensemble aus Formen gibt, „die materiell von der Wurzel *kei- ausgehen“84.

      Es gäbe da also eine einzige Wurzel für all diese Bedeutungen, insbesondere um die beiden Hauptbedeutungen ehren und strafen herum. Bevor wir, Benveniste folgend, weiter gehen, bevor wir die Frage hören, die er im Hinblick darauf stellte, diese zwei Bedeutungen (ehren und strafen) voneinander zu trennen, müssen wir diese unheimliche*, uncanny, befremdlich-vertraute85 Allianz entweder träumen oder (über-)wachen, die die Beziehung zwischen diesen beiden scheinbar gegensätzlichen oder inkompatiblen Bedeutungen (ehren und strafen, rühmen und erniedrigen, retten und töten, usw.) unablässig heimsucht, und zwar in einer Tradition, die ebenso gut eine griechische sein könnte (wie die des pharmakos: ausgeschlossen und als Ausnahme gefeiert, rituell erwählt oder bevorzugt), einer Tradition, die genauso gut auch eine lateinische sein könnte (sacer, der heilige und verfluchte, verehrte und verfluchte), einer Tradition schließlich, die ebenso gut direkt oder indirekt eine christliche, eine in großzügiger oder perverser Weise christliche sein könnte (Kant zum Beispiel, für den die Möglichkeit der Verurteilung zum Tode das Eigene und die Würde selbst des Menschen ausmacht, oder Genet, der, wir hatten das letztes Jahr gelesen, so häufig den Ruhm des Schafotts besang (den „Tod auf dem Schafott, der unser Ruhm [gloire] ist“86, in Das Wunder der Rose, erste Seite, mit so vielen weiteren Glorifizierungen, die – sie gleichzeitig pervertierend – die christliche Rhetorik ins Werk setzen)). Daher ist Benvenistes Frage – seine Frage mehr als seine Antwort – in Bezug auf die Vielfalt, ja Disparität, in Wahrheit die offensichtliche Antinomie der in ein und derselben Wurzel versammelten Bedeutungen, für uns weiterhin von Interesse. Benveniste fragt sich:

      Die Disparität der Bedeutungen wirft jedoch eine Schwierigkeit auf: dominiert der Begriff „strafen“ oder der Begriff „ehren“? Kann man von „Strafe erwirken, Rache üben“ zu der Vorstellung „ehren, Ehre bereiten“ gelangen? Vereinbaren ließen sich die zwei Bedeutungen nur durch eine recht vage Verknüpfung […].87

      Was meint er, wenn er von einer „recht vage[n] Verknüpfung“ spricht…? Sollte es da eine recht vage Verbindung zwischen strafen und ehren geben? Ja sogar eine recht vage Verbindung zwischen dem, was man „strafen [punir]“, Bestrafung [punition], Strafe [peine] nennt, einerseits, und dem Tod, insbesondere der Todesstrafe [peine de mort] andererseits?

      + Während der Sitzung fügt Jacques Derrida hinzu: „Erinnern Sie sich auch an das verlegene Argument Rousseaus im Contrat social über den öffentlichen Feind/Staatsfeind [ennemi public]: Man hat das Recht, einen Bürger zum Tode zu verurteilen, weil er zu einem öffentlichen Feind geworden ist, weil er sich wie ein Feind des Sozialkörpers oder der Nation verhalten hat.“ Das Folgende ist akustisch unverständlich (A.d.H.).

      Zweite Sitzung

      13. Dezember 2000

      Wenn ich erkläre, und wenn ich nun komme, um Ihnen, ohne zu deklamieren, zu sagen „ich leide“, „ich leide“ an meiner Seele oder an meinem Körper, insbesondere wenn ich murmele „ich leide“ an meiner Psyche, ohne sogenannten physischen Schmerz, vorausgesetzt, dass das möglich ist, ein rein psychischer Schmerz, nun, was sage ich Ihnen da im selben Atemzug? Verstehen Sie mich? Was verstehen Sie? Sie vernehmen mich natürlich, aber verstehen Sie mich? Verstehen Sie den Sinn dieser Worte, „ich leide“?

      Vielleicht muss ich nun den Sinn meiner Frage präzisieren und zuspitzen, und mein Vokabular etwas ändern, um Ihnen verständlich zu machen, wohin ich gehe, um Ihnen anzuvertrauen, worin meine Strategie besteht, wenn ich Ihnen, ohne zu deklamieren, erkläre: „ich leide“. Ich tue das gewiss nicht, um Ihr Mitleid zu erregen, Sie haben das wohl verstanden, sondern als Professor, um Sie, auf pädagogische Weise, zu der Frage zu führen, die ich Ihnen zu vernehmen/verstehen [entendre1] geben möchte.

      Wenn ich Ihnen sage oder wenn ich denke, dass „ich leide [je souffre]“, an meiner Seele, grausam, dann habe ich also das, was man peine [„Kummer/Schmerz/Pein“] nennt. Da haben Sie das Wort, nun ist es raus [lâché], und es bleibt schwach [lâche]. Ich habe Mühe/Pein [Je peine], ich empfinde Kummer/Schmerz/Pein [j’ai de la peine], ich bin bekümmert/gepeinigt [je suis peiné]. Um welche peine handelt es sich? Was will „peine“ sagen?

      Kommt diese „peine“ von mir oder vom Anderen, letztendlich? Was ist ihre Ursache? Wer ist ihre Ursache? Kommt sie jemals nur von mir, die besagte peine? Kommt sie immer vom Anderen, und von außen? Oder sind die Dinge verwickelter, und deshalb eben gerade peinsamer (painful, peinlich*)? Ich gehe von einer Sprache zur anderen über, um zu problematisieren, um Ihre Aufmerksamkeit um jenes semantische Problem herum zu alarmieren, das sich zwischen dem Peinsamen [pénible] der peine [„Pein“] und dem Strafbezogenen [pénal] der peine [„Strafe“] auftut, zwischen dem painful des pain [„Schmerz“] und dem painful der penalty [„Strafe“2]. Bin ich jedes Mal, wenn ich leide [je souffre], wenn ich Mühe/Pein habe [je peine] oder Kummer/Schmerz/Pein [peine] empfinde, jedes Mal, wenn Kummer/Schmerz/Pein mich packt, bin ich dann bestraft [puni]? Erdulde ich dann eine Pein, die bereits einer Strafzahlung [pénalité] ähnelt? Bedeutet jede peine [„Pein/Strafe“], dass ich schuldig bin oder für schuldig gehalten werde? Die Hypothese ist verführerisch, in jedem Falle signifikant.

      Wenn ich sicher wäre, dass die genannte peine [„Pein/Strafe“] nur von mir kommt, wenn ich sicher wäre, dass sie nur von mir abhängt, würde ich dann leiden? Nein, ich glaube nicht. Wenn ich, im Gegenteil, sicher wäre, dass sie vom Anderen, nur vom Anderen und von außen kommt, dass sie an ihrem Ursprung und an ihrem ursprünglichen Ort, hinsichtlich ihrer Ursache und ihrer Herkunft mir äußerlich wäre, würde ich dann leiden? Nein, ich glaube nicht. Damit ich leide, damit psychisches Leiden möglich ist, ist es also notwendig, dass die Pein/Strafe [peine] von innen nach außen, von außen nach innen kommt. Sie muss von außen nach innen oder von innen nach außen zu mir kommen und in einer bestimmten Weise auf dieser unwahrscheinlichen Grenze des Innen-Außen, des Außen-Innen verbleiben. Und wenn man peine (poena3) überstürzt mit punition [„Bestrafung“] übersetzen würde, müsste man bereits daraus schließen, dass es keine reine Selbst-Bestrafung [auto-punition] und auch keine reine Fremd-Bestrafung [hétéro-punition] gibt.

      Wo

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