Die Todesstrafe II. Jacques Derrida
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Was ist das, eine peine? Ist diese Frage die Mühe [peine] wert, gestellt zu werden? Und was geschieht, wenn man kaum [à peine] unterscheiden kann zwischen der Pein/Strafe [peine] und der Nicht-Pein/Nicht-Strafe, dem Strafbezogenen [pénal] und dem Nicht-Strafbezogenen [non-pénal], dem Strafrecht und dem nicht-strafbezogenen Recht, oder zwischen mehreren heterogenen Arten von peine, von denen die einen natürlich und die anderen nicht-natürlich, ja widernatürlich sind, während sie gleichwohl, trotz dieser absoluten Heterogenität, gemeinsam haben, allesamt peines genannt zu werden, und denselben Namen verdienen, sei es gerechtfertigt oder nicht?
Gibt es einen vereinheitlichungsfähigen Begriff der peine? Kaum [À peine], würde man bisweilen sagen.
Die peine de mort [„Todesstrafe“], sagt man auch. Und die Todesstrafe, sagt man dann?
Was ist das, die Todesstrafe? Ist das eine Pein/Strafe [peine]? Gibt es etwas, das diesem Namen wirklich entspräche? Dieser Name, dieses Nomen (Tod/mort und Strafe/peine), dieses nominale Syntagma, die Todes-Strafe oder die Kapital-Strafe6, ist das ein begrifflich fassbares Ganzes oder ein so gegliedertes [articulé] Syntagma, dass es auch auseinandernehmbar [désarticulable] ist?
Und wenn die Todesstrafe ein unhaltbares Artefakt wäre, ein Pseudo-Begriff, so, dass seine beiden Terme, Tod und Strafe, Kapital und Strafe, sich in keinem Fall aneinanderfügen [ajointer] lassen, so wie ein Syntagma, das out of joint ist7, und so, dass man zwischen der Pein/Strafe [peine] und dem Tod [mort] wählen müsste, ohne dass man ihre logische Grammatik jemals rechtfertigen könnte, es sei denn durch nicht zu rechtfertigende Gewalt, so dass man zwischen der Pein/Strafe und dem Tod wählen müsste, wo das eine und das andere niemals gut zusammen gehen? Und inwiefern ist die dreifach verknotete Frage („Was ist ein Akt? Was ist ein Alter? Was ist ein Begehren?“) dazu bestimmt, in die unterstellte Einheit der sogenannten peine de mort oder der sogenannten peine capitale implosiv einzubrechen?
Das war es nun, um den Ton oder den Akkord anzugeben.
Ohne zurückzublicken, um Zeit zu gewinnen, schließe ich unmittelbar an den Punkt an, an dem wir letzte Woche auseinander gegangen waren, das heißt bei dem Interesse, das die Frage von Benveniste – seine Frage mehr als seine Antwort – in Bezug auf die Vielfalt, ja Disparität, in Wahrheit die offensichtliche Antinomie der Bedeutungen, die in ein und derselben Wurzel versammelt sind, in uns weiterhin erweckt. Benveniste fragt sich:
Die Disparität der Bedeutungen wirft jedoch eine Schwierigkeit auf: dominiert der Begriff „strafen“ oder der Begriff „ehren“? Kann man von „Strafe erwirken, Rache üben“ zu der Vorstellung „ehren, Ehre bereiten“ gelangen? Vereinbaren ließen sich die zwei Bedeutungen nur durch eine recht vage Verknüpfung.8
Was meint er, wenn er von einer „recht vage[n] Verknüpfung“ spricht…? Sollte es da eine recht vage Verbindung zwischen strafen und ehren geben? Ja sogar eine recht vage Verbindung zwischen dem, was man „strafen [punir]“, Bestrafung [punition], Strafe [peine] nennt, einerseits, und dem Tod, insbesondere der Todesstrafe [peine de mort] andererseits? Das sind natürlich zwei verschiedene Fragen. Bei der ersten geht es um eine Unterscheidung oder Dissoziierung, ja einen Gegensatz – er mag legitim sein oder nicht – oder umgekehrt um eine Verknüpfung, eine Assoziierung – sie mag legitim sein oder nicht – zwischen Strafen und Ehren, Bestrafung und Würde, Ehre, Ruhm. Bei der zweiten geht es um eine begriffliche Verbindung – sie mag legitim sein oder nicht – zwischen der Strafe im Allgemeinen und der Todesstrafe (Tafel Strafe/Ehre, Strafe/Todesstrafe9), wobei einige zu denken versucht sein könnten, dass die Verurteilung zum Tode die höchste Strafe, die kapitalste Strafe, also die Strafe par excellence sei, andere hingegen, dass das gar keine Strafe, dass das kein Fall – und sei es par excellence – von Bestrafung sei; und dass es einem illegitimen Missbrauch der Sprache oder der Begrifflichkeit, einer rhetorischen oder einer begrifflichen Gewalt, einer Perversion der Bedeutung geschuldet sei, wenn man die Verurteilung zum Tode oder die Hinrichtung für Strafen, für Arten der Gattung Strafe [peine] hält: Bestrafung, Strafzahlung, Bezahlung, Entgelt, Sanktion für eine Missetat. Der Tote zahlt per definitionem nichts, und vor allem beim hingerichteten Toten ist es zu spät, um zu zahlen, er verschwindet als Rechts- oder Handelssubjekt, als Schuldner. Man stelle sich im Übrigen den legitimen Protest eines zum Tode Verurteilten oder von irgendjemandem vor, der in seinem Namen sprechen würde, um ungefähr Folgendes zu sagen: Ich möchte gestehen, dass ich ein abscheuliches Verbrechen begangen habe, das schlimmste aller Verbrechen, ein Kapitalverbrechen, ich gestehe es und ich bin nicht nur bereit, zu bereuen, sondern auch so teuer wie möglich dafür zu bezahlen, also die schwerste, die schmerzhafteste Sanktion zu akzeptieren, dazu müssten Sie mich aber noch am Leben lassen, müssten Sie mir die Zeit lassen, um zu bezahlen, müssten Sie mir etwas zum Bezahlen lassen, müssten Sie den Schuldigen existieren lassen, damit er bereuen, bezahlen, bestraft werden kann. Wenn Sie ihn töten, wenn Sie mich töten, würde der Verurteilte sagen, geben Sie mir nicht nur nicht die Zeit, um zu bereuen und mich zu bessern, schaffen Sie das Unumkehrbare, das Nichtvergebbare, sondern Sie geben mir nicht einmal die Zeit, für mein Verbrechen zu bezahlen, irgendeine Strafe zu erleiden. Sie beseitigen die Strafe selbst. Vor allem erlauben Sie mir nicht, da zu sein, um Zeugnis abzulegen für das, was passiert, was geschieht, dafür, dass die Strafe Statt hat, Statt gehabt hat, dass die Sühne im Gange ist, dass sie an ihr Ende/Ziel [fin] gelangt. Die Gegen-Anklage des zum Tode Verurteilten, wenn die Hinrichtung unmittelbar bevorsteht, das könnte, in Richtung der Richter, des Staates, des Henkers irgendetwas von der Art sein: „Sie werden meinen Tagen ein Ende setzen, also sind Sie bereits dabei, dem Prozess der Sühne selbst ein Ende zu setzen, indem Sie ihn seinem Ende entgegenstürzen lassen. Sie entlasten mich, indem Sie mich eine Last tragen lassen, deren Gewicht unendlich, hyper-belastend, unverhältnismäßig zur Grenze meiner Kräfte ist. Im Grunde genommen, ob Sie es wollten oder nicht, annullieren Sie die Strafe, Sie auferlegen mir ein Übel, das nicht einmal mehr den Namen Bestrafung verdient, ein Übel, das dem Begriff der Strafe, ja der Buße gegenüber heterogen wird, das der Bestrafung, also dem Recht, zu strafen, gegenüber heterogen oder transzendent wird.“
Damit es Bestrafung [punition] gibt, muss sie das bestrafte Subjekt plötzlich überkommen [survenir], muss sie endlich sein,