Christina, Band 1: Zwillinge als Licht geboren. Bernadette von Dreien

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Christina, Band 1: Zwillinge als Licht geboren - Bernadette von Dreien Christina

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den Tag verteilt. Das Kind lag flach auf dem Rücken in seinem Bettchen, fixiert in einem Anzug, der mit der Matratze verbunden war, so dass sie nicht aufstehen konnte. Christina war hellwach und schaute mich Hilfe suchend mit großen Augen an, weinte aber nicht. Sie rang nach Luft und hustete, und ich vernahm ein glucksendes Geräusch: Die Sondenmilch lief über den Schlauch durch die Bauchdecke direkt in den kleinen Magen. Da ihr Darm keine großen Mengen verarbeiten konnte, lief die gesamte künstliche Nahrung in die umgekehrte Richtung über die Speiseröhre wieder aus ihrem Mund und aus ihrer Nase heraus. Hätte ich sie nicht entdeckt, wäre sie womöglich in dieser Nacht erstickt, ohne dass es jemand bemerkt hätte.

      Dieser Vorfall auf der Neonatologie-Station war ein schockierendes Erlebnis für mich. Dennoch lag es mir fern, ein Drama zu veranstalten. Denn ich war dem Pflegepersonal der Intensivstation nebenan noch immer zutiefst dankbar dafür, dass sie sich monatelang derart engagiert für das Überleben der Zwillinge eingesetzt hatten. Mir war klar, dass bei diesem Ereignis eine höhere Macht die Hand im Spiel hatte. Zum Glück hatte ich auf meine innere Stimme gehört.

      Im Laufe der kommenden Jahre sollte es immer wieder zu ähnlichen wundersamen Begebenheiten kommen. Viele von ihnen wären womöglich in der Vergessenheit verblieben, wenn ich mich im Zuge des Schreibens dieses Buches nicht darum bemüht hätte, mich an sie zu erinnern.

      Als Christina etwa dreieinhalb Jahre alt war, gaben die Ärzte die Hoffnung auf, dass das Mädchen jemals würde normal essen und trinken können. Der einjährige Mario aber wirkte wie ein Zugpferd für seine Schwester. Wenn Christina ihn genüsslich essen sah, versuchte sie, es ihm gleichzutun, doch alle ihre verzweifelten Bemühungen, auch nur ein winziges Teilchen des Essens herunterzuschlucken, scheiterten. Es war offensichtlich: Sie wollte zwar schlucken und essen, aber ihr Körper schien dazu nicht in der Lage zu sein.

      Daher waren wir nicht bereit, aufzugeben. Ich war weiterhin der festen Überzeugung, dass dieses Kind, das einen so wachen Geist in sich trug, auch irgendwann würde selbständig essen und trinken können. Mit dieser Hoffnung stand ich allerdings nahezu alleine da. Immer wieder forderte ich die Ärzte auf, Christinas Fall nochmals gründlich abzuklären. Schließlich wurde entschieden, eine umfangreiche interdisziplinäre Abklärung in die Wege zu leiten, mit einem Magen/Darm-Spezialisten, einem Physiotherapeuten, einigen Internisten sowie einer Logopädin und einem Kinderpsychologen. Sie alle erstellten mittels diverser Untersuchungen und zahlreicher Tests ein umfassendes Bild von Christinas Zustand. Zu diesem Zweck wurde sie sowohl zu Hause als auch in der Klinik während Stunden gefilmt, so dass ihr Verhalten von den Spezialisten analysiert und ausgewertet werden konnte.

      Aus psychologischer Sicht war auch eine Essblockade infolge eines unverarbeiteten Traumas nicht auszuschließen, denn immerhin hatte Christina in ihrer jüngsten Kindheit massivste mechanische Eingriffe im Mund-Rachen-Raum hinnehmen müssen. Oder vermisste sie etwa ihre Zwillingsschwester? (Ich für meinen Teil hatte niemals den Eindruck, dass sie Elena vermisste. Irgendwie spürte ich das.) Oder lag das Problem gar bei mir? – Nach einigen Sitzungen kam der Psychologe zum Schluss, dass sich weder bei mir noch bei Christina eine entsprechende psychische Problematik finden lasse.

      Den entscheidenden Lösungsansatz fand die Logopädin, der aufgefallen war, dass Christina kaum je etwas mit den Händen anfasste und schon gar nicht sich etwas in den Mund steckte, wie das Kleinkinder üblicherweise zu tun pflegen. Daher hatten sich auch die Mundmotorik und der Schluckreflex bisher nicht entwickeln können. Da Christina mein erstes Kind war, war mir dies nicht aufgefallen. Zum einen war ich es ohnehin gewohnt, keine Vergleiche mit anderen Kindern zu ziehen, und zum anderen ließ ihr waches Wahrnehmen ihrer Umgebung nie auf irgendwelche Defizite schließen. Ich hatte nie den Eindruck, dass es ihr an Wissen fehlte, wie sie mit einem Gegenstand oder mit einem anderen Lebewesen umzugehen hatte. Im Gegenteil schien sie jede Situation äußerst gut und intelligent einschätzen zu können und wirkte niemals unsicher, unbeholfen oder tollpatschig. Sie wusste mit jedem Wesen sorgsam umzugehen, einschließlich ihrer selbst, und so war es nie zu irgendwelchen gefährlichen Stürzen, Verbrennungen oder dergleichen gekommen. Generell war ein «Erziehen» bei Christina nicht erforderlich, denn sie lebte ganz aus sich selbst heraus auf wundersame Art und Weise ein völlig stimmiges Leben. Dies alles war außergewöhnlich, aber es fiel mir erst jetzt, nach dieser Analyse, auf.

      Auf Anraten der Logopädin begann nun eine jahrelange Arbeit in der Logopädie der Kinderklinik. Christina musste mit dreieinhalb Jahren zunächst lernen, mit den Händen Dinge anzufassen und zu spüren. Dann lernte sie in mühseliger Kleinarbeit, welche Gegenstände sich kalt oder warm, trocken oder feucht, hart oder weich, grob oder fein, schwer oder leicht anfühlten.

      Knapp zehn Jahre später fragte mich Christina bezüglich dieser Therapie: «Mama, warum musste ich damals während Jahren zur Logopädie? Ich kann mich noch gut an alles erinnern. Ich wusste immer bereits aus einigen Metern Entfernung, ob die Gegenstände sich kalt oder trocken oder weich anfühlten. Dafür brauchte ich sie nicht mit meinen Händen zu berühren. Ich habe es jeweils am Energiefeld erkannt.» Mit einem Lächeln meinte sie daraufhin, die ganze Therapie sei für sie damals ziemlich unlogisch gewesen.

      Dennoch schien sie nicht ungerne zur Logopädie zu gehen und absolvierte während Jahren folgsam ihre wöchentlichen Therapiestunden im Kinderspital. Heute kann ich ihre Aussage verstehen, doch zu jener Zeit wäre niemand auf die Idee gekommen, dass die kleine Christina über eine erweiterte Wahrnehmung verfügte und Gegenstände und Lebewesen schon aufgrund ihres Energiefeldes erkannte, ohne sie anzufassen.

      Im Alter von rund vier Jahren sollte Christina auf Anraten der Augenklinik eine Brille angepasst werden, da eine Erkrankung der Netzhaut (Retinopathie Stad. I) mit beidseitiger Sehschwäche vorlag, die bereits früher diagnostiziert worden war. Doch die ansonsten so folgsame Christina verweigerte jede Brillenanpassung, und das Unterfangen wurde um ein weiteres Jahr aufgeschoben. Als sie fünf Jahre alt war, verzichtete ich jedoch auf weitere Untersuchungen, denn ihre Sehkraft schien sowohl in der Nähe als auch in der Ferne stark genug zu sein.

      Einige Jahre später sprach das Mädchen oft von farbigen Strichen und Linien in der Luft und fragte mich, was das sei. Ich konnte diese Fragen nicht einordnen und vermutete eine neuerliche Sehstörung. Doch die Abklärung ergab, dass die Retinopathie und die Sehschwäche überhaupt nicht mehr vorhanden waren. Auch der Augenarzt konnte sich die beschriebenen Symptome nicht erklären, denn augenmedizinisch war alles in bester Ordnung, was für ein solches extremes Frühgebürtchen an ein Wunder grenzt.

      So machte ich mir keine weiteren Gedanken mehr darüber. Wie hätte ich ahnen können, dass Christina mit ihrer erweiterten Wahrnehmung sogenannte «Energiesignaturen» sehen konnte, die für meine dreidimensionale Sichtweise schlichtweg nicht vorhanden waren?

      Ende 2005, mit viereinhalb Jahren, erlitt Christina nochmals einen lebensbedrohlichen Darmverschluss, den ich zunächst unterschätzte, da das Mädchen zwar während Tagen jede Mahlzeit erbrach, jedoch weder weinte noch schrie. Dieses fehlende Schreien war allerdings nichts Ungewöhnliches. Ihre körperliche Schmerzgrenze war seit jeher unglaublich hoch gewesen, wovon ich mich durch ihre ganze Krankengeschichte hindurch immer wieder täuschen ließ. Im Laufe der Zeit hatte ich gelernt, dass nicht ihr Schmerzverhalten für einen Arzt- oder Spitalbesuch entscheidend war, sondern vielmehr ihr Gesichtsausdruck oder ihr Körper. Auch jetzt wieder sah man zwar ihrem bleichen Gesicht an, dass es ihr miserabel ging, aber sie weinte und klagte nicht. Als jedoch über längere Zeit kein Milliliter ihrer Flüssignahrung mehr durch den Magen weiterkam, fuhr ich mit ihr einmal mehr in die Kinderklinik, wo sich die Diagnose Darmverschluss bestätigte und Abhilfe geschaffen werden konnte.

      Dies war glücklicherweise die letzte große gesundheitliche Hürde, die Christina während ihrer Kindheit zu nehmen hatte. In den folgenden Jahren gab es keine nennenswerten Rückschläge mehr.

      Nur essen und trinken konnte sie noch nicht. Mittels jahrelanger Logopädie lernte sie allmählich, etwas im Mund zu kontrollieren und milliliterweise zu trinken. Dies war der entscheidende Durchbruch,

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