Die Magie von Winterhaus. Ben Guterson

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Die Magie von Winterhaus - Ben Guterson

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im Buch. Und dort fand sie eine Widmung, geschrieben mit schwarzer Tinte und in einer ordentlichen Handschrift: Für Gracella – eines Tages wirst du allen zeigen, was sie nicht erkannt haben. Damien Crowley.

      Elizabeth legte die Hand an die Stirn. Jemand näherte sich. Rasch legte sie das Buch zurück, schloss die Schublade und durchquerte mit schnellen Schritten den Raum. Sie lugte durch die Türöffnung, sah niemanden im Gang, schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer. In dem Moment, als sie die Tür abschloss, kam Sampson um die Ecke.

      «Elizabeth!», rief er. «Was machst du da?»

      «Ich … ich dachte, ich hätte etwas gehört.» Elizabeth schaute hinter sich zu Gracellas Tür.

      Sampson kam zu ihr und blieb neben ihr stehen. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er die Tür, als ob er allein durch die Macht der Konzentration herausfinden könnte, ob sich jemand in dem Zimmer befand. Dann wandte er sich mit einem Lächeln an Elizabeth und sagte: «Vielleicht hast du nur den Sturm draußen gehört. Der Raum ist verschlossen.»

      Zögernd erwiderte sie sein Lächeln. «Das wird es sein. Der Sturm.»

      Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über den Gang.

      «Sag mal, war die Werkstatttür offen?», fragte Elizabeth. Der Schlüssel in ihrer Tasche fühlte sich bleischwer an, und ihr wurde klar, dass sie ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zurückbringen musste.

      «Ganz richtig», grinste Sampson. «Mr. Norbridge will, dass ich …» Er schlug die Hand vor den Mund, ließ sie wieder sinken und sagte: «Nun, das wirst du schon bald sehen. Meine Lippen sind versiegelt.»

      Elizabeth lachte erleichtert. Sie war froh, dass sie nicht länger über Zimmer 333 redeten.

      «Ich verstehe schon, Sampson», sagte sie. «Hier ist doch ständig irgendwas los.»

      Er nickte ihr zu. «Da hast du recht.» Und mit einem letzten Blick auf Zimmer 333 sagte er: «Aber jetzt muss ich mich wieder an die Arbeit machen. Und du solltest dich nicht in diesem Gang herumtreiben.»

      «Einverstanden. Ich folge dir», sagte sie leichthin. Und als sie hinter Sampson durch den Korridor ging und er ihr erklärte, wie herrlich das Osterfest im Winterhaus werden würde, kreiselte ein einziger Gedanke durch Elizabeths Kopf: Damien Crowley hatte das Buch für Gracella dort hingelegt. Unter diesem Gedanken lag ein anderer, tieferer, einer, der nicht so leicht zum Schweigen gebracht werden konnte, weil er den Worten, die sie sich selbst oft sagte, einfach zu ähnlich war: Eines Tages wirst du allen zeigen, was sie nicht erkannt haben.

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      KAPITEL 7

      ES SENKT SICH ERSCHROCKENE STILLE ÜBER DEN SAAL

      Der Wintersaal sah wie immer festlich und fröhlich aus. Auf den mit blütenweißen Tischdecken überzogenen runden Tischen waren glänzende, edle Porzellanteller gedeckt, und die Kronleuchter funkelten wie Sternenhaufen, die hoch oben an der Decke schwebten. Die großen Fenster spiegelten so viel Licht und Farbe wider, dass der weitläufige Saal endlos erschien. Das Einzige, was auffiel, war der Umstand, dass nicht jeder Platz besetzt war. Wenn jemand daran gezweifelt hätte, dass Mitte März für das Hotel und seine Angestellten die ruhigste Zeit des Jahres war, hätte er sich mit einem Blick in den Wintersaal selbst davon überzeugen können. Im Kamin am vorderen Ende des Raums prasselte zwar ein fröhliches, nach Tannenholz duftendes Feuer und die wohlklingenden Töne von Bachs Goldberg-Variationen plätscherten aus unsichtbaren Lautsprechen in den vier Ecken des Saals, aber trotzdem konnte nichts darüber hinwegtäuschen, dass der Raum nur halb voll war.

      Elizabeth trat durch eine kleine Seitentür und betrachtete die üppig gedeckten Tische. Sie aß alle Mahlzeiten hier, wenn sie nicht in der Schule war, aber der Anblick – und vor allem der Gedanke, dass dieses großartige Hotel jetzt ihr Zuhause war und sie nie wieder nach Drere zurückkehren musste – fühlte sich immer noch neu und fantastisch an. Sie zupfte ihren Pullover zurecht und horchte auf, als der wütende Sturm gegen die Fenster des Saals drückte. Während der vergangenen Stunde hatte sie sich allmählich dazu durchgerungen, jeden Groll gegen Norbridge beiseite zu lassen, und sie beschloss, zumindest für den Augenblick nicht mehr daran zu denken, dass sie sich in Gracellas Zimmer geschlichen hatte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr Geist überquoll vor Grübeleien, und sie wollte einfach nur das Abendessen im Wintersaal genießen.

      «Wir sollten uns schnell einen Platz sichern, bevor alles besetzt ist», sagte jemand hinter ihr. Elizabeth drehte sich um. Vor ihr stand Leona Springer, die Bibliothekarin des Hotels und die Person, mit der Elizabeth am vertrautesten war. Es lag nicht nur daran, dass Leona Bücher genauso liebte wie sie, Elizabeth konnte auch mit ihr über fast alles reden, selbst über die Probleme, die sie zuerst selbst zu lösen versuchte, ehe sie damit zu Norbridge ging. Leona schien immer in der Lage zu sein, eine Sache aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, und Elizabeth hatte großen Respekt vor ihrer Meinung.

      «Hallo Leona», sagte Elizabeth und umarmte ihre Freundin. «Geh voraus, aber pass auf, dass du dich in dieser Menschenmenge nicht verirrst.»

      «Und du behalte meinen Dutt im Blick», sagte Leona, «damit wir uns in dem Gedränge nicht verlieren.» Sie lachte laut auf und ging an Elizabeth vorbei. «Komm, suchen wir deinen ehrgeizigen Lehrer, Mr. Crowley. Er hat während der letzten ein, zwei Stunden in meiner Bibliothek gedöst … ähm, studiert, meine ich natürlich, während ich dieses tolle Buch gelesen habe, das du mir empfohlen hast. Die Sterne unter meinen Füßen, ein echter Hammer!»

      «Freut mich, dass es dir gefallen hat», sagte Elizabeth und dachte einmal mehr, wie schön es war, eine Freundin wie Leona zu haben. Sie entdeckte Hyrum an einem Tisch im vorderen Bereich des Saals, neben ihm Professor Egil P. Fowles und die beiden Puzzle-Männer mit ihren Ehefrauen. «Ich habe Hyrum heute beim Skilaufen getroffen», sagte Elizabeth.

      «Das hat er mir erzählt», nickte Leona. Sie blieb stehen und bedachte Elizabeth mit einem ernsten Blick. «Dieser junge Mann ist wahrhaft ein Gelehrter. Heute hat er Herbert Munchglicks Chaos und Charisma aus dem Regal geholt, dazu noch Die Peruvianischen Salzseen – ein geschichtlicher Abriss von Shannon Okello, Perlowskis Berichte von seinen Reisen nach Uqbar, und er hat sogar Marshall Falls’ altes Tagebuch durchgeblättert. Eine sehr außergewöhnliche Auswahl!» Leonas Augen weiteten sich erfreut, und Elizabeth drehte sich um. «Schau, er winkt uns zu.»

      Kurz darauf hatten Elizabeth und Leona Platz genommen und alle anderen an dem runden Tisch begrüßt. Mrs. Rajput und Mrs. Wellington trugen elegante Abendkleider und funkelnde Juwelen und freuten sich sehr, Elizabeth wiederzusehen. Und Professor Fowles war von ihrer Anwesenheit so begeistert, dass man hätte meinen können, er würde gleich in Jubelgeschrei ausbrechen, obwohl er Elizabeth an fünf Tagen die Woche in der Schule begegnete.

      «Elizabeth! Elizabeth!», sagte er aufgekratzt. Er trug wie immer seinen braunen Tweedanzug, dessen Stoff so dick war, dass er draußen im Schnee kaum einen Mantel brauchte. «Wie wunderbar, dich zu sehen!» Er schüttelte erst Elizabeths und dann Leonas Hand. «Und unsere liebreizende Bibliothekarin!», setzte er hinzu, bevor er auf seine Armbanduhr schaute, «welche die Türen der Bibliothek täglich außer sonntags um Punkt neun Uhr öffnet. Ich freue mich sehr über Ihre Gesellschaft.»

      Es dauerte nicht lang, da setzte sich auch Norbridge zu ihnen – der Elizabeth kaum merklich zuzwinkerte –, und dann wurden Teller mit köstlichem Fisch und Süßkartoffeln, grünen Bohnen und Maisbrot mit Körnern aufgetragen. Alle Anwesenden

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