Die ganz Großen. Georg Markus

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Die ganz Großen - Georg Markus

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»No, was hat er gesagt, der Herr Doktor?«

      »Sehr gut schaut’s nicht aus, Herr Moser. Aber passen S’ auf, wenn ich heut aus dem Theater geh, wird er draußen auf mich warten. Da werde ich Sie ihm vorstellen.«

      Gesagt, getan. »Herr Doktor Beda – Hans Moser!«

      »Ja, meine Freundin hat mir schon von Ihnen erzählt«, stöhnte der Vielbeschäftigte. »Ich soll Ihnen was schreiben. Was hätten S’ denn gern?«

      »A Type, Herr Doktor, wenn S’ mir eine Type schreiben könnten, das wär sehr gut, wissen S’, so was Wienerisches.«

      »Was für eine Type denn?«

      »Ich hab’ mir dacht, einen Garderober oder einen Hausmeister oder so was halt.«

      »Also gut, ich werd’s versuchen«, erwiderte Löhner-Beda – wohl um den Schauspieler loszuwerden. »Kommen S’ halt morgen vor der Vorstellung ins Dobner

      Pünktlich, wie vereinbart, betrat Moser am nächsten Abend das beliebte Künstlercafé am Naschmarkt. Fritz Löhner-Beda saß an seinem Stammtisch, hatte die Vereinbarung aber längst vergessen. Er bat um Entschuldigung, sperrte sich eine dreiviertel Stunde lang in die Herrentoilette ein – und kam mit einem fertigen Einakter zurück. Der Titel lautete: Ich bin der Hausmeister vom Siebenerhaus.

      Löhner-Beda hatte Moser die Szene eines »Hausdrachens« überlassen, der seine »Macht« gegenüber den Wohnungsmietern ausspielte, ohne dabei die Armut und die Erbärmlichkeit seines eigenen Daseins zu erkennen.

      Der Direktor des Varieté »Reklame« war sofort begeistert, als er davon erfuhr. »Was, ein Sketch vom Löhner-Beda? Schon gekauft, das ist doch klar.« Drei Tage später spielte Hans Moser mit dem Hausmeister vom Siebenerhaus seine erste Solonummer.

      Endlich und zum ersten Mal in seinem Leben bekam der jetzt schon 42 Jahre alt gewordene Schauspieler die Chance, sein überragendes Talent unter Beweis stellen zu können. Löhner-Beda war begeistert, als er sah, wie Moser seine Nummer »anlegte«. Er lud Gott und die Welt ins Varieté »Reklame«, und Moser wurde zum Gesprächsthema in Wien. Die berühmte Komikerin Gisela Werbezirk wünschte sich Moser nun als Partner für das von Karl Farkas an der Neuen Wiener Bühne inszenierte Lustspiel Frau Lohengrin.

      Nach zwei weiteren Nummern, die Löhner-Beda für ihn verfasst hatte – Der Patient und Der Heiratsvermittler – ging Moser 1923 daran, sich selbst eine Solonummer zu schreiben. Die Idee erwies sich als durchschlagender Erfolg, er spielte die Rolle sein Leben lang: Der Dienstmann.

      Robert Stolz sah Moser als Dienstmann und empfahl ihn dem Direktor des Ronacher, der ihn sofort für seine neue Revue Wien gib’ acht! engagierte. Eduard Sekler, der Regisseur des Programms, erinnerte sich viel später: »Damals, im Ronacher, hat Moser, als Dienstmann verkleidet, zum ersten Mal genuschelt. Wir inszenierten die Kofferszene, und irgendwie ergab sich diese eigentümliche Sprechweise. Sie sollte ihm zur Eigenart werden. Und da er merkte, dass das dem Publikum gefiel, hat er es eben beibehalten.«

      Einer anderen Version zufolge sei das Nuscheln krankheitsbedingt, durch eine Verkrümmung des Moser’schen Kehlkopfs, entstanden.

      Wie auch immer, das Ronacher war – im Gegensatz zu den bisherigen Kellerbühnen – ein großes Theater. Zeitungskritiken erschienen, und Anton Kuh schrieb 1924 von dem »bald in Pallenberg-Nähe rückenden Hans Moser«. Eines Abends kam kein Geringerer als Charlie Chaplin, auf Kurzbesuch in Wien, ins Ronacher. Moser spielte inzwischen die Solonummer eines Pompfunèbrers, die Karl Farkas für ihn verfasst hatte. Chaplin war hingerissen und kaufte Farkas die Rechte der Verwechslungsszene ab, weil er sie in Amerika verfilmen wollte. Er hat es – aus Respekt vor Mosers Leistung – nie getan.

      Die verschenkten Jahre, die Auftritte mit Chor- und Statisterieverpflichtung, des Kulissenschiebens und Zettelaustragens waren vorbei. Jetzt ging alles Schlag auf Schlag. Das Theater an der Wien stieg durch Operetten aus der »Silbernen Ära« zu neuer Blüte auf. Hubert Marischka holte Moser als »Dritter-Akt-Komiker« für die Uraufführung von Kálmáns Gräfin Mariza und übertrug ihm von da an eine Traumrolle nach der anderen. Als Moser in Bruno Granichstaedtens Operette Der Orlow als Billeteur brillierte, kam Max Reinhardt ins Theater an der Wien, um ihn zu sehen – und sofort zu engagieren.

      Von einem Tag zum anderen stand er, der kurz zuvor noch der »Schmiere« angehört hatte, an vorderster Front. Und Moser wurde zu einem der Lieblingsschauspieler Max Reinhardts. Er gab ihm die Rollen, für die nur er geschaffen schien.

      Auf der Leinwand allerdings konnte er sich erst durchsetzen, als die Technik den Tonfilm zuließ. Ab Mitte der dreißiger Jahre zählte Moser dann aber auch zu den meistbeschäftigten und bestbezahlten Filmstars. Er drehte 150 Filme, oft so trivialen Inhalts, dass sie ohne Mosers Mitwirkung unvorstellbar wären. Doch sein Auftreten adelte die banalste Handlung, ließ den Unsinn, der da verbreitet wurde, vergessen. Viele der alten Schwarzweißfilme kann man heute nicht mehr ansehen, sie sind langweilig, verstaubt und überholt – es sei denn, der Moser spielt mit.

      Moser war bereits 53 Jahr alt, als er – 1933 – in dem Willi-Forst-Film Leise flehen meine Lieder einen kleinen Pfandleiher so überwältigend menschlich darstellte, dass er in einer Zeitung zum ersten Mal als »Volksschauspieler« bezeichnet wurde.

      Franz Antel, der in der Nachkriegzeit die meisten Moser-Filme drehte, erklärt die Bedeutung dieses Titels so: »Curd Jürgens und Oskar Werner waren hinreißende Schauspieler. Aber sie haben mit dem Hirn gespielt. Der Moser und der Hörbiger hingegen – die haben mit dem Herzen gespielt. Und deswegen trugen sie, wie nur ganz wenige andere, den Titel Volksschauspieler.«

      Das Glück, das die große Karriere und die damit verbundene Popularität brachte, sollte wieder nur auf ein paar Jahre begrenzt sein: Mosers Frau Blanca, die er über alles liebte, musste nach Hitlers Einmarsch in Österreich das Land verlassen, ebenso Tochter Grete, die nach den Nürnberger Rassegesetzen als »Halbjüdin« eingestuft wurde. Auf Jahre war Moser von seiner Familie getrennt, verzweifelt, allein. Berühmt zwar, aber unglücklich.

      Seine beiden letzten Lebensjahrzehnte, nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches«, waren dann die schönsten seines Lebens. Alles schien perfekt, beruflich wie privat. Nur Tochter Gretl war – das beeinträchtigte die Idylle – in Südamerika geblieben. Sie hatte sich mit ihrer Mutter zerstritten und wurde von ihr, nach Hans Mosers Tod, enterbt. Ein jahrzehntelang andauernder Gerichtsstreit, in dem Grete Hasdeu der Pflichtteil nach dem Erbe ihres Vaters zuerkannt wurde, war die Folge. Jetzt erst, nach Abschluss des Erbschaftsprozesses, konnte auch der künstlerische Nachlass Hans Mosers freigegeben und veröffentlicht werden.

      Wie groß der Hass auf ihre Mutter blieb, zeigt ein Brief, den mir Grete Hasdeu im April 1980 aus Buenos Aires schrieb: »Ihn habe ich sehr geliebt. Schade, dass Männer nicht ohne Frauen Kinder bekommen können.«

      Mit achtzig hatte Hans Moser sein Comeback als Bühnenschauspieler gefeiert und das Publikum durch tiefe Menschlichkeit berührt, zu der sich nun auch die Weisheit des Alters gesellte. Susi Nicoletti erzählt über die legendären Aufführungen von Schnitzlers Liebelei am Akademietheater, in denen Moser als alter Weiring seine Kollegen dermaßen faszinierte, »dass alle, egal ob Arbeiter oder Schauspieler, während er gespielt hat, hinter der Bühne standen, um ihm zuzuschauen. Wir haben unzählige kleine Löcher in die Kulissen gebohrt, nur um den Moser beobachten zu können. «

      Hans Moser starb 83-jährig am 19. Juni 1964. Er war bis kurz vor seinem Tod auf der Bühne und vor der Kamera gestanden, selbst im hohen Alter noch unnachahmlich, unerreicht. Und er ist bis heute unvergessen, und wie man auch nach Jahrzehnten ohne falsches Pathos sagen

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