Komplexitätsmanagement. Michael Reiss
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• Mehrebenen-Architektur: Domänen sind in aller Regel hierarchisch in Makro- und Mikro-Ebenen aufgegliedert. Man denke etwa an die Makrosektoren »Gebäude«, »Energieerzeugung«, »Landwirtschaft« und »Verkehr« (als aggregierte Ansatzpunkte zur Minderung von CO2-Emissionen) und an die zugehörigen Mikro-Domänen, etwa Gebäudeheizungen, Viehwirtschaft und Flugverkehr. Eine Ebenen-Differenzierung bei performance-fokussierten Entgeltsystemen schlägt sich bezüglich der zeitlichen Reichweite der vergüteten Leistungsbeiträge durch Short-term-, Mid-term- und Long-term-Incentives nieder. Durchweg ist klärungsbedürftig, auf welcher Ebene die Domänenspezifikation erfolgen soll.
1.2.5 Verbund zwischen Komplexitätsbausteinen
1.2.5.1 Nexus der Komplexität
Vorliegende mehrdimensionale Komplexitätsansätze wie das VUKA-Modell ignorieren die Tatsache, dass zwischen den jeweiligen Bausteinen der drei Komplexitätsfaktoren »Komponenten«, »Domänen« und »Dimensionen« zahlreiche Zusammenhänge bestehen. Die in den vorliegenden Ansätzen unterstellte und mitunter durch orthogonale Matrix-Darstellungen suggerierte Unabhängigkeit trifft in aller Regel nicht zu. Infolge der Mehrebenen-Architektur der Komplexität umfasst der Verbund (Nexus) zum einen interne Verbindungen innerhalb jeweils einer Komponente, einer Dimension oder einer Domäne, zum anderen faktorenübergreifende Verbindungen zwischen unterschiedlichen Komponenten, Dimensionen oder Domänen. Die Verbindungen zwischen den drei Komplexitätsfaktoren lassen sich am klassischen Cobweb-Theorem illustrieren: Mengen repräsentieren hier die Komplexitätsdimensionen (Vielzahl), Angebot und Nachfrage die Komplexitätskomponenten (Potenzial und Bedarf). Bei den Perioden des Anpassungsprozesses handelt es sich um Domänen der Komplexität, etwa gekennzeichnet durch zunehmende oder abnehmende Diskrepanzen zwischen Angebots- und Nachfragemengen über mehrere Perioden auf der Zeitachse.
Bei den unidirektionalen Verbundbeziehungen erzeugt eine »originäre« Bezugskomplexität eine oder mehrere »derivative«, also verbundgenerierte Komplexitäten. Je nach »Richtung« des Erkenntnisinteresses erlauben solche Komplexität-Komplexität-Verbundbeziehungen eine Erklärung der jeweiligen derivativen Komplexität oder umgekehrt eine Vorhersage von derivativer Komplexität. Bei bidirektionalen, wechselseitigen Verbundbeziehungen wird die Unterscheidung zwischen originärer und derivativer Komplexität hinfällig.
Die Verbindungen zwischen den Bausteinen der Komplexität müssen weiter differenziert werden: Dies mündet einerseits in eine Unterscheidung von logischen Verbindungen und empirischen Verbindungen. Zudem lassen sich gewachsene (emergente) und gemachte (intendierte) Verbindungen unterscheiden. Logische Verbindungen basieren auf Implikationen (z. B. Vielfalt impliziert Vielzahl), definitorischen Konventionen (z. B. zwischen den Kennzahlen im Return-on-Investment-Kennzahlensystem) und Kombinatorik. Empirische Verbindungen beruhen auf Wenn-Dann-Wissen wie z. B. »Mit steigender Mitgliederzahl nehmen die Netzwerkeffekte zu«, das durch empirische Evidenz oder intuitive Plausibilität hinterlegt ist.
Logische und empirische Verbundbeziehungen sind dafür verantwortlich, dass Komplexitätsverbünde die Regel, isolierte Insel-Komplexitäten hingegen eher die Ausnahme bilden. Im Interaktionsmanagement schaffen beispielsweise Tit-for-Tat-Strategien solche Verbindungen: Im Tarifkonflikt tritt beispielsweise als typisches Komplexitätssyndrom die Kombination von Schwerpunktstreiks, sprich eine komplexitätsmindernde Streikstrategie der Gewerkschaften und der komplexen sogenannten kalten Aussperrung auf: Hierbei sperrt beispielsweise ein Automobilhersteller aus, weil bei seinen Zulieferern schwerpunktgestreikt und möglicherweise (heiß) ausgesperrt wird. Solche Komplexitätssyndrome liefern einen Erklärungszusammenhang für eine bestimmte Komplexitätskonstellation, z. B. kalte Aussperrung als Reaktion bestimmter Arbeitgeber auf Streik in Zulieferunternehmen. Demgegenüber beschreiben die bereits behandelten Komplexitätsprofile lediglich das kombinierte Auftreten von Komplexität auf mehreren Komplexitätsdimensionen. Verbundkomplexität in Gestalt von Syndromen bildet eine weitere Facette der Metakomplexität. In vielen Fällen fungieren inhaltsfokussierte Zusammenhänge, etwa zwischen Strategie und Struktur, als Rahmen für die formalen Zusammenhänge zwischen Komplexitätsfaktoren, etwa zwischen komplexen mehrdimensionalen Strategien und mehrdimensionalen Strukturen.
Nach dem Vorzeichen des Verbunds zwischen den originären und den derivativen Komplexitätsphänomenen gibt es einerseits unidirektionale Fortführungsmuster, etwa zwischen Strategiekomplexität und Strukturkomplexität. Hier haben beide Komplexitäten dasselbe Vorzeichen, was zu komplexitätsverstärkenden oder komplexitätsverringernden Zusammenhängen führen kann. Kompensationsmuster beruhen hingegen auf bidirektionalen Zusammenhängen, die beispielsweise durch Mehr-weniger- oder Wenig-Mehr-Zusammenhänge geprägt sind: Man denke etwa an das Verkehrsaufkommen von Straße und von Schiene in einem multimodalen Verkehrssystem. Vor dem Hintergrund dieser kompensatorischen Verbundbeziehungen wird die verbreitete und durchaus plausible Annahme unhaltbar, dass ein System insgesamt so komplex ist wie sein komplexestes Subsystem.
Der Komplexitätsnexus äußert sich nicht nur in zweistufigen, sondern auch in mehrstufigen Interdimensionen- und Interdomänenverbindungen. Eine plausible mehrstufige Proliferation über die vier Komplexitätsdimensionen der Teamarbeit vollzieht sich über die Etappen reduzierte Gruppengröße, weniger Meinungsvielfalt, mehr Identität und weniger Mitgliederfluktuation. Mehrstufige Interdomänen-Verbindungen sind charakteristisch für Lieferketten. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass alle empirischen Aussagen zu den Verbundbeziehungen unsicher sind, eine weitere Facette von Metakomplexität. So lässt sich anhand des jeweiligen Wissenstands nicht eindeutig klären, ob dasselbe Ausmaß an Vieldeutigkeit (Unsicherheit) beispielsweise mit niedriger Dynamik (z. B. lineare stetige Entwicklung) oder mit hoher Dynamik (z. B. Oszillationen, Brüche, Sprünge, Bifurkationen) einhergeht.
1.2.5.2 Komponenten-Verbund
Aus theoretischen und mehr noch aus gestaltungsorientierten Überlegungen bildet die Kongruenz (Ausgewogenheit) die relevanteste Beziehung zwischen Komplexitätsbedarf und Komplexitätspotenzial (
Komplexitätsorientierte Manager müssen bei ihren Bemühungen um eine Komplexitätskongruenz berücksichtigen, ob und wie sich die beiden Komplexitätskomponenten gegenseitig beeinflussen, was direkt oder vermittelt über Mediatorvariablen geschehen kann. Ein Problembewusstsein für die Existenz solcher emergenter Verbundbeziehungen ergibt sich beispielsweise aus sogenannten Memory-Effekten bei technischen Geräten. Sie verdeutlichen, dass etwa der Ladeumfang (Potenzial) von Akkus sich beim aktuellen Ladevorgang an früheren Ladeumfängen (Bedarfen) orientiert. Die folgenden Beispiele zum Verbund zwischen den beiden Komponenten der Komplexität lassen sich in vier Gruppen sortieren:
• Komplexitätsbedarf verkleinert Komplexitätspotenzial: Hier sorgt beispielsweise in fragilen Systemen ein durch Stress, Hektik, Zeitdruck, ruinösen Wettbewerb, Wechselbäder und Vermeidung-Vermeidung-Konflikte steigender Komplexitätsbedarf für eine Degeneration des Komplexitätspotenzials infolge von Panik. Diese verhindert