Behemoth. Franz Neumann

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Behemoth - Franz Neumann eva taschenbuch

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Partei, nicht auf einer einheitlichen, rationalen Grundlage operierten, wie wir es mit einem Gesetzgeber oder einer Verfassung verbinden ...“60 Es war also nichts anderes als die lapidare Grundstruktur des „Behemoth“ selber sowie der unerbittliche Realismus des gesellschaftstheoretischen Zugriffs, die, weit über Neumanns Tod hinaus, den Grundstein für die heute etablierte und international ausgerichtete Holocaust-Forschung gelegt haben.61

      Bemerkung zum Namen Behemoth

      In der jüdischen Eschatologie – babylonischen Ursprungs – sind Behemoth und Leviathan die Namen zweier Ungeheuer. Behemoth beherrscht das Land (die Wüste), Leviathan die See, Behemoth ist männlichen, Leviathan weiblichen Geschlechts. Die Tiere des Landes verehren Behemoth, die Tiere der See Leviathan als ihre Herren. Beide sind Ungeheuer des Chaos. Nach den apokalyptischen Schriften kehren Behemoth und Leviathan kurz vor dem Ende der Welt wieder. Sie werden eine Schreckensherrschaft errichten – aber Gott vernichtet sie. Anderen Versionen zufolge bekämpfen sich Behemoth und Leviathan unablässig, und schließlich werden sie sich gegenseitig umbringen. Dann ist der Tag der Gerechtigkeit gekommen. Die Tiere verzehren das Fleisch beider Ungeheuer bei einem großen Festmahl, das die Ankunft des Reiches Gottes ankündigt. Die jüdische Eschatologie, das Buch Hiob, die Propheten, die apokryphen Schriften der Bibel sind voll von Hinweisen auf diesen Mythos, der häufig unterschiedlich gedeutet und oft den politischen Umständen angepaßt wird. Der heilige Augustinus sah in Behemoth den Satan.

      Hobbes war es, der beiden, Leviathan und Behemoth, zur Popularität verhalf. Sein Leviathan ist die Analyse eines Staates, das heißt eines politischen Zwangssystems, in dem Reste der Herrschaft des Gesetzes und von individuellen Rechten noch bewahrt sind. Sein Behemoth oder das lange Parlament, in dem er den englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts behandelt, schildert dagegen einen Unstaat, ein Chaos, einen Zustand der Gesetzlosigkeit, des Aufruhrs und der Anarchie.

      Da wir glauben, daß der Nationalsozialismus ein Unstaat ist oder sich dazu entwickelt, ein Chaos, eine Herrschaft der Gesetzlosigkeit und Anarchie, welche die Rechte wie die Würde des Menschen »verschlungen« hat und dabei ist, die Welt durch die Obergewalt über riesige Landmassen in ein Chaos zu verwandeln, scheint uns dies der richtige Name für das nationalsozialistische System:

      DER BEHEMOTH

      Vorwort zur ersten Auflage (1942)

      Das Manuskript wurde abgeschlossen, als Deutschland die Sowjetunion angriff; das Buch wurde fertiggestellt, als Deutschland, um sein Gesicht zu wahren, den Vereinigten Staaten den Krieg erklärte. Da der Autor nie an die Möglichkeit einer russisch-deutschen Kollaboration glaubte, und da der Krieg mit den Vereinigten Staaten – erklärt oder nicht erklärt – seit 1939 ein Faktum war, hatten die beiden Ereignisse keinen Einfluß auf das Buch.

      Jedoch haben sie, sogar schon während dies geschrieben wird, die innenpolitische Situation Deutschlands sowohl in militärischer als auch in psychologischer Hinsicht tief beeinflußt.

      Im Ersten Weltkrieg hatte Deutschland an zwei Fronten zu kämpfen, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern seit 1917 auch psychologisch: die beiden Feinde waren der Bolschewismus und der Wilsonianismus. Die Niederlage Deutschlands im Jahre 1918 bedeutete den Sieg dieser zwei Doktrinen über den Semiabsolutismus des Kaiserreiches, und im schließlichen Wettstreit zwischen Demokratie und Bolschewismus blieb Wilsons »Neuer Friede« siegreich. Die heutige Konstellation ist fast dieselbe. Der Nationalsozialismus ist wieder dabei, einen psychologischen Zwei-Fronten-Krieg zu führen. Für die ältere Generation des deutschen Volkes ist Amerika immer noch das Land der unbegrenzten industriellen Möglichkeiten; es repräsentiert eine Lebensweise, die einer manipulierten und terrorisierten Kultur unendlich überlegen ist. Für große Teile der Arbeiter, seien sie Kommunisten oder nicht, ist Sowjetrußland die Verwirklichung alter Träume – dieses Mal mit einer militärischen Leistungskraft verbunden, die genau so groß und vielleicht sogar größer als die des Nationalsozialismus ist.

      Eine militärische Niederlage Deutschlands ist notwendig. Ob der Nationalsozialismus ohne eine militärische Niederlage zerschlagen werden kann, weiß ich nicht. Aber eines weiß ich sicher: eine militärische Niederlage wird ihn auslöschen. Die militärische Überlegenheit der Demokratien und Sowjetrußlands muß dem deutschen Volk bewiesen werden. Die Ideologie des Nationalsozialismus steht und fällt mit seiner angeblichen ›Leistungskraft‹. Diese muß widerlegt werden. Eine Dolchstoßlegende wie 1918 darf sich nicht wieder erheben können. Mehr und bessere Flugzeuge, Panzer und Gewehre sowie eine vollständige militärische Niederlage werden den Nationalsozialismus im Bewußtsein des deutschen Volkes vernichten.

      Aber das genügt nicht. Der Krieg muß durch die Spaltung Deutschlands, die Trennung der großen Massen des Volkes vom Nationalsozialismus, verkürzt werden. Dies ist Aufgabe der psychologischen Kriegführung, die nicht von der Innen- und Außenpolitik der Gegner Deutschlands zu trennen ist. Psychologische Kriegführung ist nicht Propaganda; sie ist Politik. Sie besteht darin, dem deutschen Volk zu beweisen, daß militärische Überlegenheit durch eine Demokratie errungen werden kann, die keinen Anspruch auf Vollkommenheit erhebt, sondern vielmehr ihre Mängel eingesteht und nicht vor der langwierigen und mühsamen Aufgabe zurückschreckt, sie zu überwinden.

      Das ganze Buch hindurch habe ich mich bemüht, nur originale deutsche Quellen für meine Analysen, die sich von den gängigen Interpretationen des Nationalsozialismus häufig stark unterscheiden, zu benutzen. Die Einleitung ist nicht als eine Geschichte oder vollständige kritische Analyse der Weimarer Republik gedacht; sie versucht lediglich, die strukturellen Mängel ihres Systems aufzuzeigen. Ich hoffe, in Kürze eine Sozialgeschichte der Weimarer Republik vorlegen zu können. Die Idee zu dem vorliegenden Buch entstand während meines Studiums an der London School of Economics and Political Science, wo ich das große Vergnügen hatte, für drei Jahre zu arbeiten. Für viele Anregungen meines Freundes Harold J. Laski und von Professor Morris Ginsberg bin ich zu tiefem Dank verpflichtet.

      Mein Dank gebührt vielen Freunden, vor allem meinen Kollegen am Institut für Sozialforschung und dessen Leitern Max Horkheimer und Frederick Pollock. Mein Freund Herbert Marcuse ging einige Teile des Manuskripts durch; Otto Kirchheimer gab mir wertvolle Anregungen zu Fragen des Strafrechts; A. R. L. Gurland machte mir seine umfassende Kenntnis der deutschen Industrie zugänglich. Mein Freund D. V. Glass half mir in dem Abschnitt über Bevölkerungsprobleme. Mein früherer Assistent, O. K. Flechtheim, nunmehr Dozent an der Atlanta University, verwandte viel Zeit auf das Studium der Geschichte der Weimarer Republik. Professor E. J. Gumbel, heute an der New School for Social Research, überließ mir seine zahlreichen Publikationen über die Rechtsprechung in der Weimarer Republik.

      The Honorable Thurman W. Arnold, Assistant Attorney General der USA, gestattete mir freundlicherweise die Benutzung einer Denkschrift, die ursprünglich für ihn und die Vorträge über das deutsche Kartellsystem verfaßt worden war, welche ich 1938 und 1939 vor den Mitgliedern der Anti-Trust-Kammer hielt.

      Das Research Institute on Peace and Post-War Problems des American Jewish Committee gestattete mir freundlicherweise, meine Denkschrift über Deutschlands »Neuordnung« in das Buch mit aufzunehmen. Professor Robert M. MacIver ging das Schlußkapitel durch und gab mir eine Reihe wertvoller Anregungen. Professor Alfred E. Cohn vom Rokkefeller Institute for Medical Research war so freundlich, mir eine Geldsumme für die Druckkosten zur Verfügung zu stellen. Redigiert wurde das Buch von den Herren D. V. Glass, M. I. Finkelstein und Norbert Guterman, die mir zusammen mit Felix Weil auch beim Lesen der Korrekturbögen behilflich waren.

      Folgenden Verlagsanstalten sage ich Dank für die Erlaubnis zum Abdruck:

      Little, Brown & Company, Boston: Douglas Miller, You Can’t Do Business with Hitler.

      Houghton Mifflin Company, Boston: Adolf Hitler, Mein Kampf (veröffentlicht von Reynal

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