Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
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16 Für die Erfassung der unbezahlten Arbeit wird im Rahmen des Satellitensystems Haushaltsproduktion eine Abgrenzung dieser Tätigkeiten „von persönlichen Tätigkeiten und Freizeitaktivitäten notwendig. Dies erfolgt anband des sogenannten ‚Dritt-Personen-Kriteriums‘. [… ] Danach zählen alle Aktivitäten, die auch von einer anderen Person gegen Bezahlung übernommen werden können, zur unbezahlten Arbeit.“ (Schwarz 2017: 246) Hierunter fallen Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Aufgaben der Pflege und Betreuung ebenso wie ehrenamtliche Arbeit (vgl. ebd.).
17 Die Bewertung erfolgt anhand des Generalistenansatzes, der im Vergleich zum konzeptionell ebenfalls denkbaren Spezialistenansatz oder der Bewertung mit Durchschnittslöhnen im Falle des herangezogenen Lohnes eines/einer Hauswirtschafter/in niedriger ausfallt. Zusätzlich wurde für den Anwendungsbereich Privathaushalt lediglich der Nettolohn ohne Aufschläge für Ausfallzeiten angesetzt (vgl. Schwarz 2017).
18 Den Begriff der Systemrelevanz nutzt Meier-Gräwe in Rekurs auf die Begründung der ausgewählten Industriezweige im Konjunkturförderpaket der Bundesregierung Deutschlands Ende der 2000er Dekade. Die Systemrelevanz begründet Milliarden-Subventionen, allen voran über die ,,Abwrackprämie“ in der Autoindustrie (vgl. Meier-Gräwe 2012).
19 „Die Care-Ökonomie umfasst sorgende und vorsorgende Tätigkeiten zur Pflege und Erziehung von Menschen in privaten Haushalten als auch vom Staat, von Sozialversicherungsträgern oder von der Privatwirtschaft getragene bezahlte Versorgungsarbeiten [in Heimen, Krankenhäusern]. Damit werden Bereiche bezahlter und unbezahlter Arbeit umfasst, in denen nach wie vor hauptsächlich Frauen für die Versorgung und Pflege anderer zuständig sind. Die Care-Ökonomie wird damit als eigenständige Kategorie für die Sorgetätigkeiten von der feministischen Ökonomie eingeführt.“ (Vinz 2011, zit. nach Praetorius 2015: 51) Die Ursprünge dieses Diskurses liegen in den Debatten der feministischen Ökonomie in den 1970er Jahren und ihrer Kritik an der unbezahlten Haus- und Fürsorgearbeit. Auch das Konzept des „Vorsorgenden Wirtschaftens“ (Jochimsen, Knobloch, Seidl 1994) ist ein in die Care-Ökonomie eingebetteter Ansatz zur Definition eines neuen, sozial-verträglichen Ökonomie-Verständnisses.
2.2 Haushalts- und sozialwissenschaftliche Theorien zur Arbeit des Alltags
Die Arbeit des Alltags umfasst praktisch wie organisatorisch diejenigen Arbeiten und Tätigkeiten, die alltäglich in privaten Haushalten verrichtet werden, um den Zweck der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Alltag ist dabei geprägt von Routinen und wiederkehrenden Handlungsmustern der immer gleichen haushälterischen Aufgaben der Versorgung, Betreuung, Erziehung und Pflege unter Ausgestaltung einer spezifischen Alltagskultur (vgl. von Schweitzer 1991; Jurczyk, Rerrich 1993a; Stieß, Hayn 2006; Meier-Gräwe 2015b). Zur Analyse dieses Gegenstandsbereiches wird ein theoretischer Bezugsrahmen aufgezogen, der eine anwendungsorientierte Analyse der vorliegenden Studie erlaubt.20 Dies erfolgt einerseits auf Basis von drei wesentlichen haushaltswissenschaftlichen Theorien und Konzepten (Kapitel 2.2.1) – der Theorie haushälterischen Handelns nach von Schweitzer (1991), dem Konzept der Haushaltsstile nach Meier (2000) sowie dem Konzept Neuer Hausarbeit nach Thiele-Wittig (1987) – und andererseits drei Konzepten der Alltags- und Familiensoziologie (Kapitel 2.2.2) – dem Konzept der alltäglichen Lebensführung (Projektgruppe „Alltägliche Lebensführung“ 1995), der familialen Lebensführung nach Jürgens (2001) sowie des doing family (u. a. Lange, Jurczyk, Thiessen 2014) –, die im Rahmen dieser Arbeit einen umfassenden Blick auf das Alltagsmanagement von Familien ermöglichen.
2.2.1 Haushaltswissenschaftliche Theorien und Konzepte
Zur Definition von Familienhaushalten wurde bereits in die systemtheoretische Betrachtung privater Haushalte nach von Schweitzer eingeführt, die sog. soziale Theorie haushälterischen Handelns (vgl. von Schweitzer 1991). Für ein besseres Verständnis der tatsächlichen Arbeit des Alltags ist sie durch die sog. personale Theorie zu ergänzen, die haushälterisches Handeln in ,,Arbeits-, Dispositions- und Funktionsbereiche“ (von Schweitzer 1991: 135) unterteilt, in denen alle Handlungen stets „Arbeit und Fürsorge zugleich“ (ebd.: 136) sind und neben einem rationalversorgenden folglich auch emotionalen Charakter haben. Zudem werden alle Handlungen (praktische ebenso wie organisatorische, einfache sowie komplexe) von den drei Dimensionen Lebenseinstellungen, Ressourcen und Handlungsalternativen beeinflusst (vgl. von Schweitzer 1991):
• Die vorhandenen und begrenzten Ressourcen eines Haushaltes gilt es, stets wirtschaftlich und nachhaltig einzusetzen. Beispiele für natürliche, materielle und soziale Ressourcen sind Geld, Zeit, Bildung und Alltagskompetenzen, soziale Herkunft und Humanvermögen sowie die (technische) Ausstattung eines Haushaltes.
• Über die Verwendung der Ressourcen und Ausgestaltung aller Handlungen entscheiden maßgeblich die Lebenseinstellungen, also Normen, Werte und Standards der Haushaltspersonen für den jeweiligen Handlungsbereich. Haushälterische Handlungen sind zudem immer gekennzeichnet durch Fürsorge, also eine emotionale Komponente der Arbeit des Alltags. Vorstellungen von einer „guten Ernährung“ oder von einer ,,ordentlichen Wohnung“ variieren zwischen Haushalten und auch unter Haushaltsmitgliedern und bedürfen der Aushandlung.
• Den haushälterischen Handlungen liegen stets Handlungsalternativen zugrunde, die haushaltsintern oder -extern bedingt sind. Sie werden etwa durch Anzahl und Eigenschaften (Alter, Gesundheit) der Haushaltsmitglieder sowie durch andere Akteure des Versorgungsverbundes bestimmt und fordern die rationale Entscheidungsfindung und das Abwägen zwischen Alternativen, die stets das Ausführen oder Unterlassen einer Handlung sein können.
Die drei Handlungsdimensionen unterliegen einem „haushälterischen Dreiecksverhältnis“ (von Schweitzer 1991: 137) und weisen Interdependenzen auf (siehe Abbildung 3), indem etwa Entscheidungen über Handlungsalternativen von Lebenseinstellungen abhängen, ebenso wie diese auch die Ressourcennutzung beeinflussen.
Abbildung 3: Das haushälterische Dreieck nach von Schweitzer
Quelle: Eigene Darstellung modifiziert nach von Schweitzer 1991: 138
Letztlich verdeutlichen Art und Nutzung der Ressourcen auch die Umsetzung bestimmter Handlungsalternativen und bestimmen maßgeblich die Zielerreichung für die Versorgungs-, Pflege- und Erziehungsleistungen mit. Ziel aller haushälterischen Handlungen ist wiederum die Sicherstellung der Lebenserhaltung, Persönlichkeitsentfaltung und Kultur des Zusammenlebens für die Haushaltsmitglieder und damit die Herstellung einer Alltagskultur der privaten Daseinsvorsorge. Als handlungsleitendes Prinzip konstatiert von Schweitzer das Anstreben eines gewissen Lebensstandards, der sich in den Erwartungen an das eigene Haushaltssystem ausdrückt, und zudem Einflüssen durch Trends, Moden, Politik oder Wissenschaft unterliegen kann. Neben den haushaltsinternen Faktoren für mögliche Handlungsoptionen (etwa bedingt durch die aktuelle Familienphase, gesundheitliche Voraussetzungen etc.) werden diese stets auch von haushaltsexternen Faktoren mitbestimmt, die wiederum aus den drei Umfeldebenen privater Haushalte resultieren (vgl. von Schweitzer 1991).
Haushaltsübergreifende Muster der Daseinsvorsorge lassen sich nach Meier (2000) – in Anlehnung an die von Schweitzer’sche haushälterische Handlungstheorie – durch das Konzept der Haushaltsstile beschreiben. Während sich der soziologisch begründete Begriff des Lebensstils auf die subjektiven