Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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für die fran­zö­si­sche Büh­ne.

      »Wis­sen Sie, dass sein Stück im nächs­ten Win­ter im Ode­on auf­ge­führt wird?«

      »Ach wirk­lich. Ich gehe be­stimmt hin und sehe mir die­sen li­te­ra­ri­schen Ver­such an.«

      Frau Wal­ter ant­wor­te­te sehr gra­zi­ös, ver­bind­lich und mit ru­hi­ger Un­par­tei­lich­keit, sie war nie um eine Re­de­wen­dung ver­le­gen, ihre Mei­nung stand im­mer im Voraus fest.

      Doch sie merk­te, dass es dun­kel wur­de und ließ die Lam­pe her­ein­brin­gen, wäh­rend sie gleich­zei­tig auf die Un­ter­hal­tung hör­te, die un­un­ter­bro­chen wie ein Was­ser­bach plät­scher­te. Da­bei fiel ihr ein, dass sie ver­ges­sen hat­te, beim Gra­veur die Ein­la­dungs­kar­ten für das nächs­te Di­ner zu be­stel­len.

      Sie war et­was zu stark, aber noch schön, und be­fand sich in je­nem ge­fähr­li­chen Al­ter, wo der Nie­der­gang nahe ist. Sie er­hielt ihre Schön­heit durch alle mög­li­chen Be­mü­hun­gen und Maß­re­geln, durch Hy­gie­ne und kos­me­ti­sche Mit­tel. Al­les, was sie tat, war be­son­nen, über­legt und ver­nünf­tig; sie ge­hör­te zu den Frau­en, de­ren Geist ge­rad­li­nig ist wie ein fran­zö­si­scher Gar­ten. Da gibt es nir­gends Über­ra­schun­gen, aber al­les ist nied­lich und rei­zend. Sie hat­te einen fei­nen dis­kre­ten und si­che­ren Ver­stand, der ihr die Fan­ta­sie voll­kom­men er­setz­te, da­bei war sie gü­tig, ru­hig, wohl­wol­lend, weit­her­zig für je­der­mann und für al­les. Sie be­merk­te, dass Du­roy noch nichts ge­sagt hat­te, dass nie­mand mit ihm re­de­te, und dass er sich des­halb et­was un­be­hag­lich zu füh­len schi­en. Die Da­men spra­chen noch im­mer von ih­rem Lieb­lings­the­ma, der Aka­de­mie, da frag­te sie:

      »Herr Du­roy, Sie müss­ten doch über die Fra­ge bes­ser ori­en­tiert sein als je­der an­de­re. Wem wür­den Sie den Vor­zug ge­ben?«

      Er ant­wor­te­te, ohne zu zau­dern:

      »In die­ser Fra­ge, Ma­da­me, wür­de ich nie den strit­ti­gen Punkt über die li­te­ra­ri­schen Ver­diens­te des einen oder des an­de­ren Kan­di­da­ten ins Auge fas­sen, wohl aber ihr Al­ter und ih­ren Ge­sund­heits­zu­stand. Ich wür­de nicht nach ih­ren Aus­sich­ten, son­dern nach ih­ren Krank­hei­ten fra­gen. Ich wür­de mich nicht er­kun­di­gen, ob sie Lope de Vega in fran­zö­si­sche Ver­se über­tra­gen, son­dern nach dem Zu­stand ih­rer Le­bern, Her­zen, Nie­ren und Rücken­mar­ke. Für mich sind eine gute Her­zer­wei­te­rung oder eine Nie­ren­ent­zün­dung und vor al­lem ein hüb­scher An­fang ei­ner Rücken­mark­schwind­sucht hun­dert­mal mehr wert als eine vier­zig Bän­de di­cke li­te­ra­risch-wis­sen­schaft­li­che Ar­beit über den Be­griff der Va­ter­lands­lie­be in der Li­te­ra­tur der wil­den Völ­ker­schaf­ten.«

      Ein er­staun­tes Schwei­gen folg­te die­ser Er­klä­rung.

      Frau Wal­ter frag­te lä­chelnd: »Wa­rum denn ei­gent­lich?«

      Er ant­wor­te­te: »Weil ich bei al­len Din­gen nur da­nach fra­ge, wel­che Freu­de sie den Da­men ma­chen kön­nen. Nun aber in­ter­es­siert man sich in Wirk­lich­keit für die Aka­de­mie doch nur dann, wenn ein Aka­de­mi­ker stirbt. Je mehr da­von ster­ben, de­sto glück­li­cher müs­sen sie sein. Aber da­mit sie bald ster­ben, müss­te man im­mer Alte und Kran­ke er­nen­nen.«

      Da die Da­men noch et­was be­trof­fen wa­ren, fuhr er fort: »Üb­ri­gens geht es mir eben­so wie Ih­nen. Ich lese die Pa­ri­ser Nach­rich­ten über den Tod ei­nes Aka­de­mi­kers. Ich stel­le so­fort die Fra­ge: Wer wird an sei­ne Stel­le tre­ten? Und ich stel­le mei­ne Lis­te auf. Das ist ein Spiel, ein hüb­sches, klei­nes Spiel, das man in al­len Pa­ri­ser Sa­lons beim Hin­schei­den ei­nes Uns­terb­li­chen spielt: das Spiel des To­des und der vier­zig Grei­se.«

      Man war im­mer noch ei­ni­ger­ma­ßen er­staunt, be­gann aber jetzt zu la­chen, so tref­fend war sei­ne Be­mer­kung.

      Nun schloss er, wäh­rend er gleich­zei­tig auf­stand: »Sie, mei­ne Da­men, er­nen­nen die Aka­de­mi­ker, und Sie er­nen­nen sie, um sie ster­ben zu se­hen. Wäh­len Sie also alte, die äl­tes­ten, und nach dem Rest fra­gen Sie nicht.«

      Mit gra­zi­öser Hal­tung ging er dann hin­aus.

      Als er fort war, frag­te eine der Da­men:

      »Wer ist es ei­gent­lich? Ein sehr wit­zi­ger Mensch!«

      »Ei­ner un­se­rer Re­dak­teu­re«, er­wi­der­te Frau Wal­ter. »Er hat vor­läu­fig noch kei­ne her­vor­ra­gen­de Stel­lung an der Zei­tung, aber ich bin über­zeugt, dass er bald hoch­kom­men wird.«

      Du­roy ging fröh­lich, mit großen, tan­zen­den Schrit­ten den Bou­le­vard Ma­les­her­bes hin­un­ter und mur­mel­te zu­frie­den:

      »Ein gu­ter Ab­gang.«

      Am Abend söhn­te er sich mit Ra­hel wie­der aus.

      Die fol­gen­de Wo­che brach­te ihm zwei Er­eig­nis­se: er wur­de zum Lei­ter des Nach­rich­ten­teils er­nannt und er­hielt eine Ein­la­dung von Frau Wal­ter zum Di­ner. Er be­griff so­fort, dass ein in­ne­rer Zu­sam­men­hang zwi­schen die­sen bei­den Er­eig­nis­sen be­stand.

      Die Vie Françai­se war vor al­len Din­gen ein Bör­sen­blatt, denn ihr Be­grün­der war ein Finanz­mann, der die Pres­se und sein De­pu­tier­ten­man­dat nur als Mit­tel zum Zweck be­trach­te­te. Die Gut­mü­tig­keit und wohl­wol­len­de Neu­tra­li­tät al­lem ge­gen­über war für ihn eine Waf­fe, und er spe­ku­lier­te stets un­ter der lä­cheln­den Mas­ke des bra­ven Man­nes. Aber für alle sei­ne Ge­schäf­te be­nutz­te er nur Men­schen, die er vor­her nach je­der Rich­tung hin be­ob­ach­tet und er­probt hat­te, und die er für schlau, ge­schickt und ge­rie­ben hielt. Du­roy schi­en ihm an der Spit­ze des lo­ka­len Nach­rich­ten­diens­tes eine sehr brauch­ba­re Per­sön­lich­keit zu sein.

      Bis­her hat­te der Re­dak­ti­ons­se­kre­tär Bois­renard die­sen Pos­ten ver­wal­tet. Er war ein al­ter Jour­na­list, kor­rekt, pünkt­lich und ge­wis­sen­haft wie ein Be­am­ter. Seit drei­ßig Jah­ren war er Re­dak­ti­ons­se­kre­tär von elf ver­schie­de­nen Zei­tun­gen, ohne sei­ne Hand­lungs- und An­schau­ungs­wei­se ir­gend­wie zu än­dern. Er wech­sel­te die Re­dak­tio­nen wie die Re­stau­rants, und er merk­te kaum, dass die Kü­che im­mer eine an­de­re war. Po­li­ti­sche und re­li­gi­öse An­schau­un­gen blie­ben ihm fremd. Er war der Zei­tung, in der er ge­ra­de an­ge­stellt war, er­ge­ben, ar­bei­te­te flei­ßig und wur­de we­gen sei­ner Er­fah­rung ge­schätzt. Trotz­dem hielt er sehr auf sei­ne Be­rufs­eh­re, und er hät­te sich nie zu et­was her­ge­ge­ben, was er von sei­nem jour­na­lis­ti­schen Be­rufs­stand­punkt für un­eh­ren­haft, in­kor­rekt und un­sau­ber ge­hal­ten hät­te. Herr Wal­ter ach­te­te ihn des­halb zwar sehr hoch, aber ge­ra­de an der Spit­ze des lo­ka­len Teils, der sei­ner An­sicht nach das Mark der Zei­tung bil­de­te, hät­te er zu­wei­len doch gern eine an­de­re Per­sön­lich­keit ge­se­hen. Denn hier

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