Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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und an die Ma­ler, an die Geist­lich­keit und an die Uni­ver­si­tät, an die Be­am­ten und die Halb­welt­da­men.

      Der Mann, der an der Spit­ze des Nach­rich­ten­teils steht und das Heer der Re­por­ter di­ri­giert, muss stets auf dem Pos­ten sein, miss­trau­isch, vor­aus­schau­end, ver­schla­gen, vor­sich­tig und ge­wandt sein, er muss den rich­ti­gen In­stinkt ha­ben, mit ei­ner un­fehl­ba­ren Wit­te­rung be­gabt sein, um die falsche Nach­richt auf den ers­ten Blick zu er­ken­nen, um zu be­ur­tei­len, was ge­sagt und was ver­schwie­gen wer­den muss, um so­fort zu be­grei­fen, was auf das Pub­li­kum wir­ken wird, und es dann so vor­zu­brin­gen, dass die Wir­kung ver­viel­fäl­tigt wird. Bois­renard be­saß zwar eine lan­ge Pra­xis, aber es fehl­te ihm an Über­sicht und Ta­lent. Vor al­len Din­gen ließ er die an­ge­bo­re­ne Spitz­fin­dig­keit ver­mis­sen, um tag­aus, tagein die neu­en Ge­dan­ken des Chefs zu wit­tern.

      Du­roy wuss­te die Sa­che glän­zend zu meis­tern, er war eine her­vor­ra­gen­de Er­run­gen­schaft der Re­dak­ti­on die­ses Blat­tes, das nach dem Aus­dru­cke Nor­bert de Va­ren­nes »auf den Strö­mun­gen des Staa­tes und auf den Un­ter­strö­mun­gen der Po­li­tik schwamm«.

      Die geis­ti­gen Lei­ter und die ei­gent­li­chen Re­dak­teu­re der Vie Fran­cai­se wa­ren ein hal­b­es Dut­zend De­pu­tier­te, die an al­len Spe­ku­la­tio­nen des Di­rek­tors in­ter­es­siert wa­ren. Man nann­te sie in der Kam­mer die »Wal­ter-Cli­que«, und be­nei­de­te sie, weil sie mit ihm und durch ihn of­fen­bar viel Geld ver­dien­ten. Fo­res­tier war als po­li­ti­scher Re­dak­teur nur der Stroh­mann die­ser Ge­schäfts­leu­te, der Voll­stre­cker der von ih­nen ein­ge­flö­ßten Ide­en. Sie souf­flier­ten ihm sei­ne großen Ar­ti­kel, die er im­mer zu Hau­se schrieb, »um Ruhe zu ha­ben«, wie er sag­te.

      Um dem Blatt je­doch einen li­te­ra­ri­schen und ge­sell­schaft­li­chen, pa­ri­se­ri­schen An­strich zu ge­ben, hat­te man ihm zwei be­rühm­te Schrift­stel­ler ver­schie­de­ner Art und ver­schie­de­nen Cha­rak­ters zur Sei­te ge­stellt: Jaques Ri­val, der ak­tu­el­le Plau­de­rei­en schrieb, und Nor­bert de Va­ren­ne, den Dich­ter der neu­en Schu­le und fan­ta­sie­vol­len Er­zäh­lungs­künst­ler. Dann hat­te man aus der großen Schar der »Jour­na­lis­ten für al­les« um bil­li­ges Geld noch ein paar Kri­ti­ker für Kunst, Ma­le­rei, Mu­sik und Büh­ne en­ga­giert und au­ßer­dem einen Re­dak­teur für Ge­richts­ver­hand­lun­gen und einen für Rennsport. Zwei Da­men der Ge­sell­schaft schick­ten un­ter dem Pseud­onym »Rosa Do­mi­no« und »Samt­pföt­chen« ihre Be­rich­te aus der vor­neh­men Welt in die Re­dak­ti­on; sie be­han­del­ten Fra­gen der Mode und der Eti­ket­te und brach­ten al­ler­lei In­dis­kre­tio­nen über be­kann­te Da­men.

      Und so schwamm die Vie Françai­se »auf den Strö­mun­gen und Un­ter­strö­mun­gen« der Po­li­tik und der Bör­se, ge­lenkt und ge­lei­tet von al­len die­sen ver­schie­de­nen Hän­den und Köp­fen.

      Du­roy be­fand sich ge­ra­de auf dem Hö­he­punkt sei­ner Freu­de über sei­ne Er­nen­nung, als er eine Ein­la­dungs­kar­te er­hielt, auf der stand: »Herr und Frau Wal­ter bit­ten Herrn Ge­or­ges Du­roy, ih­nen die Ehre zu er­wei­sen, am Don­ners­tag, den 20. Ja­nu­ar, bei ih­nen zu spei­sen.«

      Die­se neue Gunst, die mit der an­de­ren so hübsch zu­sam­men­traf, er­füll­te ihn mit sol­cher Freu­de, dass er die Ein­la­dung küss­te, als wäre sie ein Lie­bes­brief ge­we­sen. Dann be­gab er sich zum Kas­sie­rer, um die wich­ti­ge Ge­halts­fra­ge zu be­spre­chen.

      Der Nach­rich­ten­re­dak­teur er­hielt im All­ge­mei­nen mo­nat­lich eine be­stimm­te Sum­me, von der er sei­ne Re­por­ter und ihre mehr oder we­ni­ger wich­ti­gen Nach­rich­ten zu ho­no­rie­ren hat­te.

      Für Du­roy wa­ren zu­nächst zwölf­hun­dert Fran­cs mo­nat­lich aus­ge­setzt, und er nahm sich vor, da­von einen gu­ten Teil für sich zu be­hal­ten.

      Auf sei­ne drin­gen­den Vor­stel­lun­gen hat­te der Kas­sie­rer ihm end­lich vier­hun­dert Fran­cs Vor­schuss ge­ge­ben. Zu­erst heg­te Du­roy tat­säch­lich die Ab­sicht, an Ma­da­me de Ma­rel­le die zwei­hun­dert­und­vier­zig Fran­cs, die er ihr schul­de­te, zu­rück­zu­ge­ben. Er über­leg­te sich aber, dass ihm dann nur hun­dert­und­sech­zig Fran­cs ver­blie­ben, eine Sum­me, die gänz­lich un­zu­rei­chend war, um sei­ne neue Stel­lung in ge­büh­ren­der Wei­se zu be­strei­ten, und er ver­schob die Rück­ga­be auf spä­te­re Zei­ten. Zwei Tage lang be­schäf­tig­te er sich mit der Ein­rich­tung, denn er über­nahm einen be­son­de­ren Tisch nebst Brief­fä­chern in dem all­ge­mei­nen Re­dak­ti­ons­saal. Er saß an dem einen Ende des Saa­l­es, wäh­rend Bois­renard mit sei­nem trotz vor­ge­schrit­te­ner Jah­re ra­ben­schwar­zen Haar, den Kopf über ein Blatt Pa­pier ge­beugt, an dem an­de­ren Ende ar­bei­te­te.

      Der lan­ge Tisch in der Mit­te des Saa­l­es war für die flie­gen­den Re­por­ter re­ser­viert. Ge­wöhn­lich diente er als Sitz­bank; man saß ent­we­der am Ran­de mit her­un­ter­hän­gen­den Bei­nen, oder in der Mit­te: nach tür­ki­scher Art; so sa­ßen die Re­por­ter oft­mals auf die­sem Ti­sche zu fünft oder zu sechst und spiel­ten hart­nä­ckig Fang­ball. Du­roy hat­te an die­sem Spiel gleich­falls Ge­schmack ge­fun­den und be­gann, dank der An­lei­tung von Saint-Po­tin, ziem­lich gut zu spie­len.

      Fo­res­tier, der im­mer lei­den­der wur­de, hat­te ihm sein zu­letzt ge­kauf­tes Bil­bo­quet aus An­til­len­holz an­ver­traut, das ihm selbst ein biss­chen zu schwer war, und Du­roy schwang mit kräf­ti­ger Hand die große schwar­ze Ku­gel am Ende der Schnur, wo­bei er lei­se zähl­te: »Eins — zwei — drei — vier — fünf — sechs —«

      Er hat­te zum ers­ten Male zwan­zig Tref­fer hin­ter­ein­an­der an dem Tage, wo er bei Ma­da­me Wal­ter spei­sen soll­te. »Heu­te ist ein gu­ter Tag,« dach­te er, »ich habe Er­folg«; denn die Ge­wandt­heit im Fang­ball­spiel ver­lieh in der Re­dak­ti­on der Vie Fran­cai­se eine Art Vor­rang.

      Er ver­ließ zei­tig die Re­dak­ti­on, um sich in Ruhe um­klei­den zu kön­nen. Wäh­rend er die Rue de Londres ent­lang­schritt, sah er vor sich plötz­lich eine klei­ne Dame, die ih­rer gan­zen Hal­tung nach Ma­da­me de Ma­rel­le sein muss­te. Er fühl­te, wie es ihm heiß zu Kopf stieg und sein Herz be­gann laut zu klop­fen. Er ging über den Fahr­damm, um sie im Pro­fil se­hen zu kön­nen. Sie blieb ste­hen, um gleich­falls hin­über­zu­ge­hen. Er hat­te sich ge­täuscht; er at­me­te auf.

      Schon oft hat­te er sich die Fra­ge vor­ge­legt, wie er sich be­neh­men soll­te, wenn er ihr be­geg­ne­te? Soll­te er sie grü­ßen oder soll­te er so tun, als sehe er sie nicht?

      »Ich wer­de sie nicht se­hen«, dach­te er.

      Es war kalt; in den Rinn­stei­nen war das Was­ser ge­fro­ren. Die Trot­toire la­gen grau und tro­cken im La­ter­nen­licht.

      Als der jun­ge Mann nach Hau­se kam, sag­te er sich: »Ich muss eine neue Woh­nung ha­ben. Mit der geht es nicht mehr.« Er fühl­te sich ner­vös und lus­tig. Er wäre im­stan­de ge­we­sen, über die Dä­cher zu klet­tern, und er wie­der­hol­te im­mer laut vor sich hin, in­dem

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