Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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lie­ber Sohn! Aus die­sem Brie­fe sollst Du er­fah­ren, dass es Dei­ner Mut­ter und mir gut geht. Es gibt nicht viel Neu­es bei uns. Trotz­dem möch­te ich Dir mit­tei­len … usw.«

      Und im In­nern sei­nes Her­zens be­wahr­te er In­ter­es­se für die Er­eig­nis­se, wel­che in sei­nem Dorf vor­ka­men, für die Nach­bar­schaft, für den Stand der Äcker und Ern­ten! Und er wie­der­hol­te, wäh­rend er sei­ne wei­ße Kra­wat­te kno­te­te:

      »Ich muss mor­gen an Papa schrei­ben. Wie hät­te sich der Alte ge­freut, wenn er mich heu­te Abend sähe!«

      Und plötz­lich stand vor sei­nen Au­gen die klei­ne, ver­räu­cher­te Kü­che sei­nes El­tern­hau­ses hin­ter der lee­ren Gast­stu­be; die Kes­sel, die ih­ren gel­ben Schim­mer an den Wän­den ent­lang war­fen, die Kat­ze vor dem Herd, die damp­fen­de Sup­pen­ter­ri­ne mit­ten auf dem al­ten, höl­zer­nen Tisch, und ein Licht, das zwi­schen zwei Tel­lern brann­te.

      Er sah auch den Mann und die Frau, sei­nen Va­ter und sei­ne Mut­ter; die bei­den al­ten Bau­ern mit lang­sa­men Be­we­gun­gen, wie sie ihre Sup­pe löf­fel­ten. Er kann­te die kleins­ten Run­zeln ih­rer al­ten Ge­sich­ter, jede Be­we­gung von ih­ren Kör­pern. Er wuss­te so­gar, was sie sich sag­ten, je­den Abend, wenn sie ein­an­der ge­gen­über sa­ßen. »Ich muss sie doch mal wie­der be­su­chen!« dach­te er.

      Als er mit sei­ner Toi­let­te fer­tig war, blies er das Licht aus und ging hin­un­ter. Auf dem Bou­le­vard ver­such­ten ein paar Dir­nen ihn an­zu­re­den. Und als hät­ten sie ihn be­lei­digt und ver­kannt, rief er ih­nen mit ver­ächt­li­cher Stim­me zu:

      »Lasst mich doch end­lich in Ruhe!« Für wen hiel­ten sie ihn? Konn­ten sie denn die Män­ner nicht un­ter­schei­den? In sei­nem Frack, den er an­ge­zo­gen hat­te, um bei sehr rei­chen, sehr be­kann­ten und sehr ein­fluss­vol­len Leu­ten zu spei­sen, fühl­te er sich als eine neue Per­sön­lich­keit, als wäre er ein Mann der wirk­lich großen Ge­sell­schaft ge­wor­den.

      Mit ru­hi­ger Si­cher­heit be­trat er das Vor­zim­mer, das von ho­hen Bron­ze­kan­de­la­bern er­leuch­tet war, und gab mit na­tür­li­cher Hand­be­we­gung Stock und Über­zie­her den bei­den Die­nern, die ihm ent­ge­gen­ka­men.

      Alle Räu­me wa­ren hell er­leuch­tet. Frau Wal­ter emp­fing ihre Gäs­te in dem zwei­ten und größ­ten Zim­mer. Sie be­grüß­te ihn mit ei­nem be­zau­bern­den Lä­cheln, und er schüt­tel­te den bei­den Her­ren, die vor ihm ge­kom­men wa­ren, die Hand. Es wa­ren die Ab­ge­ord­ne­ten Fir­min und Lar­oche-Ma­thieu, die heim­li­chen Mit­re­dak­teu­re der Vie Françai­se. Herr Lar­oche-Ma­thieu galt bei der Zei­tung als be­son­de­re Au­to­ri­tät, da sein Ein­fluss, in der Kam­mer sehr be­deu­tend war. Man war auch all­ge­mein über­zeugt, dass er ei­nes Ta­ges Mi­nis­ter wür­de.

      Dann kam das Ehe­paar Fo­res­tier. Sie trug ein rosa Kleid, das ihr glän­zend stand. Du­roy sah mit Er­stau­nen, wie in­tim sie mit den bei­den Ab­ge­ord­ne­ten war. Sie plau­der­te über fünf Mi­nu­ten in der Ecke am Ka­min ganz lei­se mit Lar­oche-Ma­thieu. Charles sah sehr ver­än­dert und mit­ge­nom­men aus. Er war seit ei­nem Mo­nat be­trächt­lich ab­ge­ma­gert und hus­te­te un­auf­hör­lich, wo­bei er im­mer­fort sag­te: »Ich müss­te mich end­lich ent­schlie­ßen, den Rest des Win­ters im Sü­den zu ver­brin­gen.«

      Nor­bert de Va­ren­ne und Jaques Ri­val ka­men zu­sam­men. Dann öff­ne­te sich eine Tür im Hin­ter­grun­de des Saa­l­es und Herr Wal­ter er­schi­en mit zwei jun­gen Mäd­chen von sech­zehn und acht­zehn Jah­ren, die eine hübsch, die an­de­re häss­lich.

      Du­roy wuss­te zwar, dass sein Chef Fa­mi­li­en­va­ter war; trotz­dem war er sehr er­staunt. An die Töch­ter sei­nes Vor­ge­setz­ten hat­te er nur wie an weit ent­le­ge­ne Län­der ge­dacht, die man nie­mals zu Ge­sicht be­kommt. Au­ßer­dem hat­te er sie sich als klei­ne Mäd­chen vor­ge­stellt und sah sie nun fast er­wach­sen vor sich. Bei die­sem An­blick wur­de er in­ner­lich et­was ver­le­gen, eine Ver­le­gen­heit, die man beim Um­ler­nen emp­fin­det.

      Sie wur­den ihm vor­ge­stellt, reich­ten ihm die Hand und setz­ten sich dann an einen klei­nen Tisch, der wohl be­son­ders für sie be­stimmt war; dort be­gan­nen sie in ei­nem Hau­fen von Sei­den­knäu­eln zu wüh­len, die in ei­nem Flecht­körb­chen la­gen.

      Man er­war­te­te noch je­mand, und die Gäs­te stan­den schwei­gend in klei­nen Grup­pen her­um, in je­ner un­ge­müt­li­chen Stim­mung, die vor dem Es­sen zu herr­schen pflegt, wenn sich dazu Leu­te aus al­len mög­li­chen geis­ti­gen Sphä­ren zu­sam­men­fin­den, nach­dem sie am Tage den ver­schie­dens­ten Be­schäf­ti­gun­gen nach­ge­gan­gen sind.

      Du­roy hat­te, weil er sonst nicht wuss­te, was er tun soll­te, sei­ne Au­gen auf die Wand ge­rich­tet. Da rief ihm Herr Wal­ter aus ziem­li­cher Ent­fer­nung zu, of­fen­bar in der Ab­sicht, sei­ne Kunst­samm­lung zur Gel­tung zu brin­gen:

      »Sie wol­len mei­ne Ge­mäl­de se­hen?«

      Das »mei­ne« wur­de nach­drück­lich be­tont.

      »Ich wer­de sie Ih­nen gleich zei­gen.« Und er nahm eine Lam­pe, da­mit sein Gast die Ein­zel­hei­ten bes­ser konn­te.

      »Hier sind die Land­schaf­ten«, sag­te er.

      In der Mit­te der Wand­flä­che hing ein großes Bild von Guil­le­met, eine nor­man­ni­sche Küs­te im Sturm. Dar­un­ter eine Wald­land­schaft von Har­pignies, dann eine al­ge­ri­sche Ebe­ne von Guil­lau­met mit ei­nem Ka­mel am Ho­ri­zont, ei­nem rie­si­gen, hoch­bei­ni­gen Ka­mel, das ei­nem fan­tas­ti­schen Denk­mal glich.

      Herr Wal­ter ging zur nächs­ten Wand und trug fei­er­lich wie ein Ze­re­mo­ni­en­meis­ter vor:

      »Die große Kunst.«

      Es wa­ren vier Ge­mäl­de: »Ein Be­such im Kran­ken­hau­se« von Ger­vex, »Eine Schnit­te­rin« von Bas­ti­en Le­pa­ge, »Eine Wit­we« von Bou­gue­reau und »Eine Hin­rich­tung« von Jean Paul Lau­rens. Die­ses letz­te Bild stell­te einen Pries­ter aus Ven­dée dar, der von ei­nem Trupp Sol­da­ten an der Mau­er sei­ner ei­ge­nen Kir­che durch Er­schie­ßen hin­ge­rich­tet wur­de.

      Ein Lä­cheln glitt über das erns­te Ge­sicht des Haus­herrn, als sie zur nächs­ten Wand ka­men.

      »Hier hän­gen die Hu­mo­ris­ten.«

      Man sah zu­nächst ein klei­nes Bild von Jean Béraud, das hieß: »Oben und un­ten.« Es stell­te eine hüb­sche Pa­ri­se­rin dar, wel­che die Trep­pe ei­nes Om­ni­bus­ses in vol­ler Fahrt hin­auf­stieg. Ihr Kopf be­fand sich in Höhe des Ver­decks, und die Her­ren, die oben sa­ßen, be­trach­te­ten mit zu­frie­de­ner Mie­ne das nied­li­che Ge­sicht, das zu ih­nen em­por­klet­ter­te, wäh­rend die un­ten auf der Platt­form ste­hen­den, die Bei­ne der jun­gen Frau mit ei­nem Aus­druck von Ver­druss und Be­gier­de an­schau­ten.

      Herr Wal­ter hielt die Lam­pe so hoch

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