Witterung – Lauf so schnell du kannst. Heike Ulrich

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Witterung – Lauf so schnell du kannst - Heike Ulrich

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lächelte. „Tee?“

      Heribert nickte. „Sehr gern, danke.“

      Botho setzte sich und legte die Füße auf seinem Schreibtisch ab. Heribert platzierte sich ihm gegenüber und musterte ihn. Es war nicht zu übersehen, wie angespannt sein Freund war. Er sah merkwürdig verbraucht, fast alt aus. Vielleicht dachte Botho dasselbe auch von ihm – sie beide waren gleichaltrig, fünfundvierzig Jahre.

      Botho holte zwei Gläser hervor und schenkte sich aus einer bauchigen Flasche Branntwein ein.

      Heribert lehnte ab, als er auch ihm einschenken wollte. „Ich muss noch fahren. Also, leg los.“

      Botho kippte das Glas hinunter und schenkte sich umgehend nach.

      „Vor drei Tagen ... ich hatte gerade den Wagen geparkt und bin noch ein Stück gelaufen. Es war schon spät.“

      „Wie spät?“

      Heribert griff nach dem gelben Block auf dem Schreibtisch und machte sich Notizen.

      „Das weiß ich nicht genau. Ich denke, vielleicht so gegen Mitternacht.“

      „Du warst genau um ein Uhr zehn zu Hause“, meldete sich Ayumi und servierte den Tee. Dann setzte sie sich auf das Sofa, das am Fenster stand, und fuhr fort: „Das weiß ich deshalb so genau, weil ich noch an meinem Roman gearbeitet hatte und gerade dabei war, den Rechner herunterzufahren.“

      „Also, ich hatte schon vorher das Gefühl, dass jemand meinem Wagen folgt“, erklärte Botho. „Dann dachte ich mir, dass es vielleicht nur Einbildung sei. Ich parkte, stieg aus, und als ich Schritte hinter mir hörte, blieb ich stehen. Es war plötzlich ganz still. Ich blickte mich um, niemand schien da zu sein. Ich muss sagen, das war irgendwie unheimlich. Ich fühlte mich beobachtet. Als ich weiterging, verfolgten mich auch die Schritte wieder. Ich ging immer schneller, und die Schritte beschleunigten sich ebenfalls. Dann war ich an unserer Haustür. Ich öffnete sie und verschloss sie sofort, machte aber kein Licht und beobachtete den Gehweg. Eine dunkle Gestalt – vermutlich ein Mann – tauchte nach einer Weile auf, blieb kurz stehen und ging dann weiter ... zügig weiter.“

      Heribert blickte von seinem Schreibblock auf. „Okay, das klingt jetzt nicht so verdächtig oder irgendwie gefährlich.“

      „Das dachte ich auch“, erwiderte Botho, „doch dann klingelte immer wieder das Telefon. Wenn wir das Gespräch entgegennahmen, war niemand dran.“

      „Wie sah denn dein Verfolger aus?“

      „Keine Ahnung! Es war ja dunkel. Allerdings schien er zu rauchen, denn ich sah die Rauchfahne.“

      Heribert nickte nachdenklich. „Wenn du jemandem etwas antun wolltest, würdest du dann rauchen? Das klingt mir zu gemütlich.“

      Botho zuckte mit den Schultern.

      „Vielleicht wollte dir jemand Angst einjagen“, meldete sich Ayumi, „gesetzt den Fall, du wurdest tatsächlich verfolgt.“ Und nach einer Pause fuhr sie fort: „Ich konnte diese Person etwas besser sehen.“

      Botho blickte sie erstaunt an.

      „Ja! Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich gehört habe, und schaute dann aus dem Fenster. Doch du warst schon im Haus, aber ich habe die Gestalt gesehen, deutlich, als sie unter der Laterne stand.“

      Heribert stutzte. „Unter der Laterne – wieso stand sie unter der Laterne?“

      „Die Person hat sich einen Zigarillo angezündet, keine Zigarette.“

      „Wieso angezündet? Botho sagt doch, dass die Person bereits am Rauchen war.“

      „Das stimmt vermutlich auch, denn ich sah, wie sie etwas wegwarf. Doch die Person zündete sich erneut einen Zigarillo an – ich sah es deutlich, als das Feuerzeug auf­flammte. Es war eins von diesen Dingern – Gasfeuerzeuge oder so, die eine riesige Flamme erzeugen.“

      Sie stand auf, lehnte sich an die Wand, direkt gegenüber dem Schreibtisch, und blickte auf die Männer hinab, während sie ihre Arme verschränkte.

      „Die Person war männlich – etwa 1,75 bis 1,80 Meter groß.“ Sie stutzte. „Irgendetwas war allerdings merkwürdig – vielleicht sein Gang, ich weiß es nicht mehr genau, denn ich habe dem Ganzen ja keinerlei Bedeutung beigemessen.“

      Heribert nickte und dachte nach, während er einen Schluck von seinem Tee nahm.

      „Ist dir sonst noch was aufgefallen?“, wollte er von Ayumi wissen.

      Ayumai dachte nach. „Er trug einen Trenchcoat.“

      „Farbe?“

      Ayumi zuckte mit den Schultern. „Wie sehen Trench­coats aus – auf jeden Fall war es kein Beige, vielleicht Schwarz, vielleicht Dunkelblau, das konnte ich nicht genau sehen. Und er trug ein rotes Halstuch.“

      „Und weiter? Haarfarbe, Alter, andere Auffälligkeiten?“, wollte Heribert wissen.

      Ayumi dachte nach.

      „Er hat zu mir kurz hinaufgeschaut – er ist Brillenträger, und seine Haare sind vielleicht hell, vielleicht aber auch grau, keinesfalls schwarz.“

      „Würdest du sein Gesicht wiedererkennen?“

      Ayumi schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, es war ja nur ein kurzer Moment, und so gut war das Licht dann doch nicht. Keinesfalls war er schmächtig oder so, nicht dick, vielleicht sportlich.“

      „Alter?“

      Ayumi zuckte mit den Schultern und schwieg.

      „Okay. Noch was – warum habt ihr nicht gleich die Polizei verständigt?“

      Ayumi und Botho stutzten gleichzeitig und warfen ihm dann einen konsternierten Blick zu.

      Heribert winkte ab. „Dummer Gedanke.“

      „Allerdings“, schnaufte Botho. „Was hätten wir denn sagen sollen? Es ist doch nicht verboten, hinter jemandem herzugehen oder vor einem Haus sich eine anzuzünden.“

      „Ihr könntet natürlich eine Anzeige gegen Unbekannt aufgeben, wegen der Anrufe“, erklärte Heribert.

      Er hob jedoch sofort abwehrend die Arme, als er erneut den mehr als skeptischen Blick seines Freundes auffing. „Schon gut – vermutlich wird auch das nichts bringen.“

      „Genau!“ Botho goss sich vom Branntwein nach, und Heribert registrierte Ayumis kritischen Blick.

      Doch Botho ignorierte ihn, kippte das Glas hin­unter und fuhr fort: „Aber verstehst du jetzt meine Sorge? Dies alles ist an dem Tag passiert, als man die Leiche meines Steuerberaters gefunden hat.“

      „Wie heißt der?“

      „Zeller, Walter Zeller.“

      Heribert notierte den Namen.

      „Könnte es sein, dass dein Steuerberater in irgendeine unseriöse Geschichte verwickelt ist?“

      Botho

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