Witterung – Lauf so schnell du kannst. Heike Ulrich
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„Relativieren?“
„Na ja, ich meine, dein nächtlicher Verfolger – der ging vielleicht wirklich nur, wie schon erwähnt, zufällig hinter dir her.“
„Glaube ich aber nicht!“
Bothos Einwurf klang fast bockig.
Heribert fixierte ihn eine Weile, während er versuchte, sich einen Reim auf die ganze Sache zu machen. Wieso ging Botho so fest davon aus, dass sein nächtlicher Verfolger etwas mit dem Tod seines Steuerberaters zu tun haben musste?
„Okay, Botho, erstens, welches Motiv könnte denn jemand haben, dir aufzulauern, und zweitens – warum sollte Zellers Mörder sich ausgerechnet auch für dich interessieren?“
Botho blickte seinen Freund ratlos an und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du könntest es vielleicht herausfinden.“
„Ich?!“
„Könnte es etwas mit dem neuen Geschäft zu tun haben?“, meldete sich Ayumi und sah ihren Mann alarmiert an.
Heribert horchte auf und blickte zwischen Botho und Ayumi hin und her.
„Moment mal – neues Geschäft? Was für ein neues Geschäft denn? Reichen dir die beiden Geschäfte in Kassel und Leipzig nicht mehr?“
Eigentlich war sein Einwand scherzhaft gemeint, doch Heribert selbst hatte bemerkt, wie forsch er geklungen hatte – fast vorwurfsvoll.
Botho lachte. „Nein!“
Das konsternierte Gesicht seines Freundes schien ihn zu belustigen. „Und ja, tatsächlich eröffne ich in den nächsten Monaten ein neues Geschäft in Polen – genauer gesagt, in Warschau.“
„Und das erfahre ich von dir so ganz nebenbei? Ich bin dein bester Freund, Botho!“
Botho musterte Heribert spöttisch. „Verzeih, alter Freund, ich hätte dich natürlich vorher um Genehmigung bitten sollen!“
Heribert mochte es nicht, wenn Botho ihn „alter Freund“ nannte – es hatte etwas Altbackenes und passte irgendwie nicht zu dessen sonstigen Sprachgepflogenheiten.
„Alter Freund ... welche Art von Geschäft ist das denn in Warschau?“
„Genau wie hier. Kinder- und Jugendbekleidung. Die Umsätze brummen, und ich möchte gern weiter expandieren.“
„Mit einem eigenen Label“, ergänzte Ayumi, „das war meine Idee.“
Heribert nickte und dachte einen Moment nach, bevor es heikel wurde. „Okay, bist du in irgendeine krumme Sache verwickelt, Botho? Nimm’s mir nicht übel, aber ich muss dich das fragen.“
Einen Moment wirkte Botho unentschlossen, und Heribert ahnte, dass er den Finger in die richtige Wunde gelegt hatte, als er die Blicke, die Botho und Ayumi miteinander austauschten, bemerkte und Botho zögernd antwortete: „Na ja, weißt du, ich habe ein paar Leute in Warschau, also, wie soll ich sagen ... na ja ... geschmiert, damit ich dort mein Geschäft eröffnen kann, verstehst du? Das ist inzwischen nämlich gar nicht mehr so einfach. Und ein gelegentlicher Geldumschlag hier und da ist dort normales Prozedere.“
Heribert stutzte. „Ach ...“
Ayumi machte plötzlich ein verärgertes Gesicht.
„Ja, allerdings! Ich war von Anfang an dagegen und habe dich gewarnt. So ein System darf man doch nicht noch unterstützen. Und es ist ja dann auch alles andere als glatt gelaufen.“ Sie blickte zu Heribert. „Botho hat sich mit so einem Typen von der städtischen Baubehörde rumärgern müssen!“
Sie warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu. „Kosalski hieß der, oder so – stimmt’s?“
„Kowalski“, erwiderte Botho.
„Genau, Kowalski!“ Sie fuhr fort: „Der konnte nämlich seinen Rachen nicht vollkriegen – hat alles verzögert. Botho war immer wieder gezwungen, sein Portemonnaie aufzumachen!“
Heribert nickte. „Okay, er hat euch also auf eine subtile Weise erpresst.“
„Ja, kann man so sagen, das war wirklich ärgerlich“, erklärte Ayumi und blickte Botho vielsagend an.
Der machte eine wegwerfende Geste. „Es ist aber alles inzwischen geklärt. Ich habe die bittere Pille geschluckt.“
„Ach“, Heribert räusperte sich und konnte die Ironie in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken, „sozusagen für das höhere Ziel! Okay, ich hoffe, ihr wisst, dass Bestechung auch in Polen eine Straftat ist?“
Er sah, wie Botho Ayumi einen schuldbewussten Blick zuwarf.
„Aber gut, ich will kein Moralapostel sein. Also, wenn dir weiter niemand einfällt, der dir übel mitspielen könnte, was soll ich dann für dich tun? Ich bin nicht mehr im Dienst.“
„Ja, Berti, du sagtest es bereits. Mehrmals!“
Botho schien genervt und zögerte einen Moment, dann beugte er sich vor und trommelte seine Finger gegeneinander, bevor er weitersprach.
„Kennst du zufällig einen gewissen Kriminalhauptkommissar Witzbold?“
Heribert schüttelte zögernd den Kopf.
„Nein, an so einen Namen würde ich mich, glaube ich, erinnern. Wieso?“
„Er ist der Ermittler in der Mordsache und möchte mich befragen – übermorgen. Ich dachte, du kannst mich vielleicht begleiten. Dann können wir uns eventuell ein besseres Bild machen und herausfinden, ob wir – also Ayumi und ich – in Gefahr sind oder ob an meinen Befürchtungen tatsächlich gar nichts dran ist. Vielleicht rückt dieser Witzbold ein paar Informationen heraus – so von Kollege zu Kollege, verstehst du?“
„Von Kollege zu Kollege? Ich glaube, du träumst. Botho, ich sagte dir doch, ich bin nicht mehr im Dienst! Der rückt bei mir keinen Furz an Information heraus, das darf er auch gar nicht, denn …“
„Ich bezahle dich natürlich“, warf Botho ein.
Heribert wollte etwas einwenden, doch Botho wehrte es ab.
„Keine Widerrede, Berti. Ich zahle dir pro Tag“, er dachte kurz nach, „fünfhundert Euro plus Spesen, wenn du der Sache auf den Grund gehst und mich zur Kripo begleitest. Und du ziehst, bis alles geklärt ist, bei uns ins Gästezimmer.“
„Wie stellst du dir das vor? Ich habe zu Hause noch Sachen zu erledigen.“
„Dann erledige das, und dann kommst du zurück – wird ja nicht Wochen dauern, vermute ich.“
Heribert zögerte und fragte sich, was für Informationen sich sein Freund eigentlich erhoffte, dann nickte er zustimmend.
„Na gut, reicher Mann. Abgemacht – Personenschutz und