WattenAngst. Andreas Schmidt
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„Und er wurde schon öfters wegen Steuerhinterziehung angeklagt, ihm wurden wechselnde Damenbekanntschaften nachgesagt, und man munkelt von Bestechung, um Geschäfte durchsetzen zu können.“
„Nachweisen konnte ihm niemand etwas“, nickte Wiebke, die sich an die Berichte in den Husumer Nachrichten erinnerte. Sie überlegte, was sie von seinem Privatleben wusste. Viel war es allerdings nicht. „Soweit ich weiß, war Berger verheiratet, Kinder gibt es aber wohl keine“, fasste Wiebke zusammen. Sie ließ den Panda über das Kopfsteinpflaster der verlassenen Norderstraße und den Markt rollen. Der Tine-Brunnen und die Marienkirche waren angeleuchtet, der Marktplatz lag verwaist zu ihrer linken Seite.
„Da“, machte Petersen und deutete nach rechts, als sie das Einkaufszentrum auf der rechten Seite passierten. „Das würde wohl auch nicht existieren, wenn Berger nicht seine schmutzigen Hände im Spiel gehabt hätte.“
Wiebke seufzte. „Fakt ist, dass Berger seinerzeit als einer der Investoren viel Geld in das Bauvorhaben gesteckt hat. Ob da alles mit rechten Dingen zuging, weiß wohl kaum jemand.“
„Fakt ist aber auch, dass Hans Olaf Berger eine schillernde Person im Husumer Geschäftsleben war, die nicht nur Freunde hatte“, resümierte Jan Petersen und nippte an seinem Kaffee.
„Was die Suche nach dem oder den Tätern nicht gerade leichter macht“, stimmte Wiebke ihrem Partner zu.
„Meine Rede“, nickte Petersen.
„Damit können sich dann die Kollegen aus Flensburg beschäftigen“, erwiderte Wiebke. Fast war sie ein wenig erleichtert darüber, denn sicherlich würde niemand aus Bergers Dunstkreis erfreut sein, wenn die Polizei unbequeme Fragen stellte. Einflussreiche Menschen konnten sich die besten Anwälte leisten, die den Ermittlern die Arbeit unnötig erschwerten.
Wiebke bog kurz, nachdem die Schobüller Straße zur Nordseestraße wurde, nach links in einen schmalen Weg ab. Als der kleine Fiat durch ein Schlagloch rumpelte, rutschte Petersen das Smartphone aus der Hand. Fluchend bückte er sich in den Fußraum, um nach dem Handy zu suchen. „Verdammt – wo wohnt Berger denn hier? Das ist ja voll in der Pampa“, bemerkte er.
Wiebke musste grinsen. „Fast so, als müsse er sich in seiner Freizeit verstecken.“ Jetzt verlief der Westerweg fast schnurgerade auf die Salzwiesen zu. Den Einsatz-
ort sahen sie von Weitem. Das Blaulicht der Streifenwagen zuckte gespenstisch durch die Nacht. Am Ende der Straße hielt sich Wiebke links. Die Straße wurde schmaler und führte parallel an der Salzwiese entlang. Einzelne Häuser und ein heruntergekommener Bauernhof, weiter hinten reetgedeckte Häuschen mit Backsteinfassaden.
Das Haus der Bergers befand sich auf der linken Seite. Es strahlte auf den ersten Blick schon den Reichtum und die Macht seines Besitzers aus. In der Einfahrt standen zwei Rettungswagen, ein Streifenwagen und der Sprinter der Kriminaltechnik. Trotz der nachtschlafenden Stunde hatten sich zahlreiche Schaulustige am Absperrband versammelt. Es hatten sich Gruppen gebildet, die in teils heftige Diskussionen verwickelt waren. Einige hielten ihre Smartphones hoch, um zu fotografieren und zu filmen.
„Ich kotz gleich im Kreis“, brummte Petersen.
Wiebke spürte auch eine gewisse Abneigung gegen die Gaffer. „Das ist unsere schöne multimediale Zeit“, versuchte sie, sich diplomatisch auszudrücken.
„Da ist der Mord an Berger schon auf YouTube, bevor wir die ersten Zeugen befragen können“, ächzte Petersen kopfschüttelnd.
„Die Kollegen vom Streifendienst halten die Gaffer ja schon auf Distanz.“
„Platzverweise sollten sie erteilen, damit wir in Ruhe unsere Arbeit machen können“, maulte Petersen. Wiebke gab ihm in Gedanken recht. Sie griff nach dem Thermobecher mit dem Tee, dann stiegen sie aus. Wiebke fröstelte, als der kühle Nordseewind ihr ins Gesicht wehte. Sie schlug den Kragen ihrer gesteppten Jacke hoch und zog den Reißverschluss zu. Zwei Kollegen vom Streifendienst hielten an der Absperrlinie Stellung. Die Schaulustigen tuschelten leise, als sich Wiebke und Petersen einen Weg durch die Menge bahnten.
„Moin“, sagte Wiebke und nahm einen Schluck Tee. Der Honig schmeichelte ihrem Hals. Der Polizist, der ihnen am nächsten stand, nickte ihnen zu. Wiebke kannte den uniformierten Kollegen flüchtig. Jens Carstensen, ein strohblonder, hagerer Typ mit wachen blauen Augen. Wiebke registrierte mit einem einzigen Blick, dass der Kollege ihm viel zu ausgeschlafen erschien. Sie schmunzelte. „Und?“
Der Kollege vom Streifendienst winkte Wiebke und Petersen über das Absperrband außerhalb der Hörweite aller Schaulustigen. „Warum ihr hier seid, wisst ihr ja“, erklärte er. „Attentat auf Hans Olaf Berger. Er hat am Fenster gestanden, als ihn der tödliche Schuss traf, stürzte in die Tiefe und war sofort tot.“
Wiebke folgte seinem Blick. Unter dem großen Fenster glitzerten Scherben. Eine Gestalt lag darunter in einem Meer aus Glassplittern und Scherben. Arme und Beine standen in verrenkter Haltung vom Körper ab. Man hatte eine dunkle Folie über dem Leichnam ausgebreitet.
„Warum steht man mitten in der Nacht am Fenster?“, brummte Petersen und kratzte sich am Hinterkopf.
„Womöglich, weil der Hund angeschlagen hat“, erklärte Carstensen. „Das haben Nachbarn berichtet: Erst das Hundegebell, dann der Schuss und das Klirren der großen Fensterscheibe und dann der Schrei einer Frau.“
„Also gibt es eine Zeugin?“ Wiebke warf Petersen einen schnellen Blick zu.
„Ja, Berger war wohl nicht alleine zum Zeitpunkt des Attentates.“
„Seine Frau muss unter Schock stehen“, vermutete Wiebke.
Carstensen schüttelte mit säuerlicher Miene den Kopf. „Nee, die wird wohl eher vor Wut schäumen, wenn sie davon erfährt. Es war die Geliebte von Hans Olaf Berger, die mit ansehen musste, wie ihr Lover erschossen wurde. Eine gewisse Annika Rüther.“
„Sieh einer an“, bemerkte Petersen. „Vielleicht war es sogar die gehörnte Ehefrau, die sich so rächen wollte.“
„Das herauszufinden ist euer Part, Kollegen“, grinste der Streifenpolizist.
„Das werden wir tun, worauf du dich verlassen kannst“, nickte Petersen. Er wandte sich Wiebke zu. „Dann mal los, lass uns mal nach dem Rechten schauen.“
Wiebke zögerte. „Wie geht es der Geliebten von Berger?“, fragte sie.
„Annika Rüther hat Schnittwunden an den Füßen, weil sie wohl barfuß in den Scherben gestanden hat. Prellungen an Knien und Ellbogen, weil sie sich mit einem Satz nach hinten in Sicherheit bringen wollte. Und sie steht natürlich unter Schock, wird vom Notarzt und Seelsorger im RTW versorgt.“ Der junge Polizist zeigte auf einen der beiden Rettungswagen. Wiebke schaute an Carstensen vorbei und ließ die Szenerie auf sich wirken. Eine mannshohe, blickdichte Hecke schützte die Hausbesitzer vor neugierigen Blicken. Nur durch das offen stehende Tor konnte man vom Weg aus einen Blick vom großzügig angelegten Grundstück der Bergers erhaschen. Der Rasen war penibel kurz geschoren, eine breite, gepflasterte Einfahrt führte vom Tor aus vor das Portal. Das Haus von Hans Olaf Berger war zweigeschossig. Der modern anmutende Bau wurde von großen Fensterflächen beherrscht. Vor dem Eingang gab es ein Vordach, das von zwei massiven Steinsäulen gestützt wurde. Darüber befand sich eine Art Balkon, daneben eine große Fensterfront, die zerstört worden war. Der Wind verfing sich in den bodentiefen Vorhängen. Im Haus selber brannte trügerisch anheimelndes, dezentes