WattenAngst. Andreas Schmidt
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Fest stand, dass das Opfer seinen Peiniger im Dunkel der Nacht nicht hatte sehen können. Wiebke stellte sich vor, wie in der Dunkelheit das Mündungsfeuer aufblitzte, im nächsten Augenblick die Scheibe zerstört wurde und die Patrone Berger traf.
Ein einziger Schuss, der Bergers Schicksal besiegelt hatte. Das Klirren der großen Scheibe musste die ganze Nachbarschaft geweckt haben. Wie also konnte der Schütze dann unerkannt entkommen?
Ein Fahrzeug, das sich schnell vom Tatort entfernte, hätte von Nachbarn gesehen werden müssen. Oder war der Schütze zu Fuß gekommen – und versteckte sich noch in den Weiten der Salzwiesen? Wiebke hoffte, dass der Hubschrauber bald hier war, um die Gegend abzusuchen.
„Träumst du?“, riss Petersens Stimme sie aus den Gedanken.
Wiebke schlug die Augen auf und rang sich ein Lächeln ab. Dass ihr dabei das Blut ins Gesicht schoss, ließ sich nicht vermeiden. „Nein“, sagte sie. „Ich habe meditiert.“
„Mach ich auch immer so, wenn ich einen Mörder suche“, behauptete Petersen bierernst und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Mal im Ernst, Wiebke: Ich glaube nicht an diesen esoterischen Scheiß.“
„Ich hab auch nur nachgedacht, mir vorgestellt, wie es passiert sein könnte“, verteidigte sich Wiebke. Ihr Partner kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich gern in einen neuen Fall „einfühlte“, wie sie das nannte.
„Hier hat er wohl gestanden“, mischte sich jetzt Piet Johannsen ein. Er stand an der Fensterfront und blickte sich zu den Kollegen um. „Seine Freundin anderthalb, vielleicht zwei Meter versetzt schräg hinter ihm. Ich könnte mir vorstellen, dass der Schütze sie gesehen hat.“
„Und dann hat er nur ein einziges Mal geschossen?“, zweifelte Petersen. „Sie ist doch eine Zeugin und könnte uns die Hinweise liefern, die ihn zu Fall bringen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie auch zu töten.“
„Jo, schon. Auf der anderen Seite …“ Johannsen winkte Petersen zu sich. Zögernd durchschritt er den Raum. Bei jedem Schritt knirschten Glassplitter unter seinen Schuhen. „Guck mal raus, du Meisterschnüffler.“ Johannsen machte eine ausladende Geste.
Jan Petersen blickte in die Nacht und runzelte die Stirn.
„Ich sehe Krankenwagen, Peterwagen, Gaffer mit Smartphones …“
„Weil die Kameraden vom Technischen Hilfswerk gerade eingetroffen sind und Scheinwerfer aufgestellt haben.“
„Sicher.“
„Kann man das abstellen?“, fragte Wiebke und trat neben die Männer. Der Nachtwind kühlte ihre erhitzte Stirn.
Johannsen betrachtete sie mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck. „Wozu soll das gut sein?“
„Ich will es so sehen, wie es Berger vor seinem Tod gesehen hat“, erwiderte Wiebke.
„Tu, was sie sagt“, brummte Petersen.
„Ich fass es nicht.“ Piet Johannsen zückte ein Funkgerät „Macht mal alles aus“, sprach er hinein. Es dauerte keine zwei Sekunden, und die leistungsstarken Scheinwerfer vor dem Haus erloschen. Gleichzeitig herrschte draußen eine gespenstische Stille, die nur vom Rattern der Stromaggregate überlagert wurde.
„Und nu?“, fragte Petersen.
„Sei leise“, bat Wiebke ihn. Sie blickte hinaus in die Nacht. Das Grundstück tauchte ins Schwarz ab, die Salzwiesen ließen sich nur erahnen, in der Ferne glaubte sie das Meer im schwachen Mondlicht glitzern zu sehen.
„Du siehst nichts da draußen“, murmelte Wiebke.
„Ist ja auch dunkel wie im Bärenarsch.“
„Manchmal bist du echt anstrengend, Jan.“ Wiebke betrachtete ihren Partner mit vorwurfsvollem Blick. „Guck selber raus – wenn da einer steht und eine Kanone auf dich hält, den siehst du nicht!“
Petersen folgte ihrer ausgestreckten Hand und zog die Mundwinkel nach unten. „Nee, da muss sich der Typ nicht großartig verstecken.“
„Die Aufzeichnung der Überwachungskameras habt ihr morgen früh auf dem Schreibtisch“, mischte sich Johannsen ein.
„Wann?“ Petersen blickte sich mit erhobener Augenbraue zu ihm um.
„In drei, vier Stunden“, verbesserte sich der Kriminaltechniker schnell. „Die Festplatte mit den Aufzeichnungen habe ich schon sichergestellt.“
„So ist’s brav“, grinste Petersen. „Also“, sagte er dann zu Wiebke. „Worauf willst du hinaus, Mädchen?“
„Dass der Schütze keine Angst haben musste, erkannt zu werden. Es war dunkel, als er geschossen hat. Und ich bin mir sicher, dass er es ausschließlich auf Hans Olaf Berger abgesehen hatte.“
„Und?“
„Nichts – und. Das ist Stand der Dinge. Berger war das gesuchte – und gefundene – Opfer. Der Killer kam, tötete ihn und verschwand in der Nacht.“
„Also ein Auftragskiller?“
„Möglich.“
„Meinst du, der Mord an der Frau neben ihm hätte extra gekostet?“
„Kann doch sein.“
„Gut“, nickte Petersen. „Also gehen wir davon aus, dass der Mörder Berger aus dem Weg räumen sollte. Möglicherweise also ein Motiv aus dem bewegten Geschäftsleben unseres Opfers, das ja, wie wir wissen, nicht nur Freunde hatte.“
„Oder ein Mord, der von einer enttäuschten Ehefrau in Auftrag gegeben wurde.“
„Mord aus Eifersucht – gefällt mir“, grinste Petersen. „Immerhin ist das eines der häufigsten Mordmotive.“
„Ich bin sicher, ihr werdet es herausfinden“, behauptete Johannsen. „Jetzt würde ich aber gern weitermachen.“
„Klar, wir sind schon weg“, nickte Wiebke. Sie gab Petersen das Zeichen zum Rückzug. Die Zeit drängte.
*
Eine knappe Stunde vorher
Er hatte es nicht sonderlich eilig. Nachdem er den Schuss abgegeben hatte, war die große Fensterscheibe im Obergeschoss in tausend Stücke gesprungen. Er hatte sein Ziel getroffen – Berger war, von der Kugel getroffen, strauchelnd nach vorn und durch die zerborstene Scheibe in die Tiefe gestürzt, wo er regungslos liegengeblieben war.
Treffer versenkt.
Ein Arschloch weniger auf dieser Welt.
Eigentlich war alles gut gelaufen, wäre da nicht ihr gellender Schrei gewesen, den sie in Todesangst ausgestoßen hatte. Dieser Schrei hatte ihn kurz zweifeln lassen, ob alles richtig gewesen war. Doch nachdem er den toten Berger in seinem Blut und dem Meer aus winzigen Scherben hatte liegen sehen, wusste er, dass alles richtig gelaufen war.
Sekundenlang hatte er sie am Fenster