Seerausch. Marlies Grötzinger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seerausch - Marlies Grötzinger страница 11

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Seerausch - Marlies Grötzinger

Скачать книгу

Klang ihrer Stimme richteten sich sämtliche Härchen in Isabels Nacken auf. »Es geht so, liebe Natalia. Hast du etwas anderes erwartet?« Isabel schaute kampfeslustig direkt in Natalias kunstvoll bewimperte und geschminkte Augen. Sie verspürte wenig Lust, dieser Plaudertante Einzelheiten preiszugeben. Doch Natalia gab nicht so schnell auf, sie musterte Isabel neugierig, schürzte ihre vollen Lippen und sagte: »Du siehst ein bisschen mitgenommen aus, Isabel. Vielleicht solltest du dir etwas Schönes gönnen. Ich kenne einen tollen Salon, da kannst du dich wieder aufmöbeln lassen.«

      »Danke, Natalia, das ist nichts für mich«, sagte Isabel und nippte an ihrem Prosecco.

      »Ach, ich dachte ja nur, du hättest es …«

      Bevor Natalia ihren Satz zu Ende sprechen konnte, kam Lena und sagte: »Natalia, du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich dir Isabel kurz entführe.« Schon packte sie Isabel am Arm und zog sie mit sich fort. Dankbar blickte Isabel die Freundin an. »Danke. Du, ich kann das gerade noch weniger als sonst! Für so ein Gelaber hab ich momentan überhaupt keinen Nerv.«

      »Das habe ich mir gedacht, als ich euch zwei gesehen hab. Darum bin ich ja gekommen. Setz dich hierher zu meinen Kolleginnen und zu meiner Yogalehrerin«, sagte Lena und drückte Isabel auf das Sofa neben eine Frau mit tiefschwarzen langen Haaren und buntem Baumwollkleid. Die Frau unterbrach ihr Gespräch, senkte lächelnd ihren Kopf und fixierte Isabel aus dunkel umrandeten Augen. Dann faltete sie ihre Hände vor der Brust und begrüßte die Neue mit: »Namasté.«

      Isabel lächelte zurück, und da sie nicht wusste, ob sie auf den Gruß mit einem »Ohm« antworten sollte, entschied sie sich für ein freundliches Nicken. Für die Yogini schien das in Ordnung zu sein und die Sache damit erledigt. Sie wandte sich wieder den anderen Frauen der Runde zu und schwärmte weiter von ihrer Reise nach Sri Lanka zu ihrem spirituellen Meister. Isabel lauschte der Unterhaltung ohne besonderes Interesse. Am liebsten hätte sie sich wieder davongeschlichen, doch Lena zuliebe hielt sie tapfer durch.

      Irgendwann kamen die Frauen auf das Schiffsunglück vor Friedrichshafen zu sprechen, über das auch die Konstanzer Zeitungen berichtet hatten. Eine von Lenas Kolleginnen wandte sich an Isabel und fragte: »Bist du die Freundin von Lena, die mit auf dem Boot war? Lena hat da mal etwas erzählt.«

      Isabel war mit ihren Gedanken gerade bei Thomas und damit weit weg gewesen und zuckte nun zusammen. »Ähm, ja«, antwortete sie widerwillig, strich sich eine Locke aus dem Gesicht, nahm einen Schluck und drehte das Glas in ihren Händen.

      »Was, echt? Du warst bei dem Unglück dabei? Krass!« Die Besucherin, die bisher Isabel gegenübergesessen war, sprang sofort auf und griff nach ihrer Handtasche.

      »Cool! Erzähl doch mal«, rief eine andere, und Isabel wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die Neugier dieser Frauen zu befriedigen war das Letzte, wonach Isabel der Sinn stand.

      »Das muss ich gleich in meine Story posten. Darf ich ein Foto von dir machen?« Die Frau hatte inzwischen ihr Smartphone gefunden und hielt es Isabel vors Gesicht.

      »Lass das!«, sagte Isabel scharf, hob ihren Arm, und für einen Moment sah es aus, als würde sie ihr das Handy aus den Händen schlagen. Doch Isabel fuhr nur mit ihrer Hand über ihr Gesicht und wischte die Schweißtropfen ab, die sich gebildet hatten. Oder waren es Tränen? Egal. Isabel merkte, wie sich ein Panzer um ihr Innerstes legte und sie langsam erstarrte. Genau vor solchen Situati­onen hatte sie sich gefürchtet. Sie senkte ihre Hand wieder, umklammerte ihr Glas und begann plötzlich zu zittern. Trotz Dröhnen in ihrem Kopf hörte sie ein Knirschen. Das Glas zerbarst in ihren Händen, etwas Warmes rann zwischen ihren Fingern hindurch. Wie durch einen Schleier registrierte sie, dass Lena auf sie zustürzte. Sie senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände. Alles rot, blutrot. Ihr Blut. Dann sank sie auf dem Sofa zusammen. Alles war mit einem Mal wieder da: das Wasser, das Rauschen, der Kampf, Carl, der Schmerz in ihrer Lunge …

      Es war mucksmäuschenstill geworden im Zimmer. Erschrockene Gesichter starrten auf Isabel und Lena. »Isabel, hörst du mich?«, rief Lena, packte die Freundin an den Schultern und schüttelte sie. Nun tätschelte sie Isabels Wangen und rief noch einmal: »Isabel! Hörst du mich?« Als sie keine Antwort bekam, nahm sie ein Wasserglas, das halb voll auf dem Tisch stand, und schüttete es Isabel schwungvoll ins Gesicht. Dann schlug sie kräftiger auf Isabels Wangen … abwechselnd rechts und links.

      In dem Moment öffnete Isabel die Augen und sagte: »Hey, du tust mir weh.« Sie richtete sich auf, fuhr sich mit einer Hand über Stirn und Gesicht und zwang sich zu einem Lächeln. Sie schüttelte ihre Locken und verkündete in die Runde: »Alles okay, Mädels. Sorry, war nur ein kleiner Schwächeanfall.«

      »Du hast dich geschnitten«, sagte Lena und zeigte auf Isabels blutende Finger. »Komm mit ins Bad, da ist Verbandszeug.« Damit zog sie Isabel hoch und verließ mit ihr das Zimmer. Zurück blieben überraschte, teils besorgte und teils auch enttäuschte Gesichter.

      »Es tut mir so leid, Lena. Nun hab ich dir auch noch deine Geburtstagsparty vermasselt. Ich hätte nicht kommen dürfen, niemals …«, jammerte Isabel.

      »Hör bloß auf mit dem Quatsch und halt still, du Schusseltante, du.« Vorsichtig tupfte Lena die Schnittwunden an Isabels Händen ab. »Halb so schlimm, hat im ersten Moment böser ausgesehen, als es ist.« Mit einer Pinzette entfernte sie einen winzigen Glassplitter aus der Handfläche, besprühte die Wunde mit Desinfektionslösung und klebte ein Pflaster darauf. Weitere kleine Streifen klebte sie um Isabels Finger. »Sodale. Das hätten wir. Du kannst deinem Pascha bestellen: Die nächsten Tage wird’s nix mit Spülen«, scherzte Lena und drückte die Freundin an sich.

      »Danke, Lena, aber du tust Thomas unrecht. Er hat sich schwer gebessert während der vergangenen Tage. Er hat sich um mich gekümmert, war richtig aufmerksam, hat ständig nach mir geschaut, mir zu trinken gebracht, sogar Essen eingekauft«, stammelte Isabel.

      »Na, dann hat das Ganze wenigstens etwas Positives, wurde auch allerhöchste Zeit.«

      Schulter an Schulter und Kopf an Kopf saßen die Freundinnen schweigend auf dem Rand der Badewanne, als plötzlich die Tür aufsprang und Lenas sechsjähriger Sohn Ben hereinstürmte, die Kinder der anderen Mütter im Schlepptau. Mit zornrotem Gesicht sagte er: »Mama, der Tim hat ›Arschloch‹ zu mir gesagt!«

      »Stimmt ja gar nicht!«, widersprach der Junge, der offensichtlich Tim hieß.

      »Doch, hast du!«, schrie Ben und streckte dem Jungen die Zunge heraus. Dann wandte er sich wieder seiner Mutter zu und klagte: »Außerdem hab ich Hunger.«

      »Paul hat auch Hunger«, pflichtete ihm ein kleinerer Junge bei.

      »Ludwig hat Durst!«, meldete ein Junge, dessen untere Gesichtshälfte braun verschmiert war, und schob sich ein Stück Schokolade in den Mund.

      »Boris mag Burger!«

      So schallte es munter durcheinander, und unwillkürlich musste Isabel lächeln. Lena erhob sich, setzte ihre Strenge-Mama-Miene auf und verkündete: »So, hier erst mal alle Hände waschen! Gleich gibt’s Essen.« Zu Isabel gewandt, sagte sie seufzend: »Jetzt wird’s ernst. Wenn die kleinen Plagegeister hungrig sind, kennen sie kein Pardon.« Mit Blick auf Isabels nassen und blutverschmierten Pullover fügte sie hinzu: »Dein Pulli hat was abbekommen. Nimm dir einen sauberen aus meinem Schrank, du weißt ja, wo die sind.«

      Isabel sah Lena dankbar an. »Lieb von dir, danke, Lena, mach ich. Aber du, ich hab überhaupt keinen Bock auf weitere Fragen und schon gar nicht auf Small Talk. Ich verdrück mich und geh gar nicht mehr rein. Kannst du mir das verzeihen?«

      »Da

Скачать книгу