Seerausch. Marlies Grötzinger

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Seerausch - Marlies Grötzinger

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Tüte, und kauend hörte sie Markus sagen: »Der Frieder hat mal erzählt, vor ein paar Jahren sei auf dem Bodensee schon mal ein Boot dieser Bauart gekentert und gesunken. Mit Bestattern aus ganz Deutschland an Bord.«

      »Mit Bestattern? Die werden täglich mit dem Tod anderer Leute konfrontiert, und dann geraten die hier selber in Not?«, wunderte sich Isabel. »Klingt irgendwie makaber. Hattest du mit dem Fall zu tun?«

      »Nur am Rande. Wenn ich mich recht erinnere, war das im Juni 2011. Die Schiffbrüchigen sind damals, wie wir auch, von einem Segelboot aufgenommen und gerettet worden«, wusste Markus. »Da gibt’s sogar ein Buch drüber, hat meine Frau mal im Urlaub gelesen.«

      »Echt? Ein Buch über unser Unglück zu schreiben wird diesmal hoffentlich niemandem einfallen!«, wandte Isabel ein.

      Markus spottete: »Mir bestimmt nicht. Ich bin ja schon froh, wenn ich meine Berichte und Protokolle halbwegs fehlerfrei hinkriege.«

      Isabel ging auf seinen lockeren Ton ein und frotzelte: »Stell dein Licht bloß nicht unter den Scheffel. Wenn du die Presseleute richtig anfütterst, beißt vielleicht von denen jemand an.«

      »Das fehlte gerade noch, das mach ich sicher nicht«, stöhnte Markus. »Ich bin froh, dass sich keiner von denen in die Geschichte verbissen hat und eine tolle Story wittert. Bis jetzt wenigstens nicht, da haben wir Glück – Glück im Unglück, wie man so sagt.«

      Isabel begann, den Fragebogen der Kriminalpolizei auszufüllen. Markus beobachtete sie und bekräftigte: »Wie gesagt, wir wurden als Zeugen vernommen. Keiner hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, und keiner hat einen Anwalt verlangt.«

      »Du auch nicht?«, fragte Isabel und schaute kurz auf, um sich zu vergewissern.

      »Bisher nicht. Mal abwarten. Als Bootsführer bekomme ich wahrscheinlich eine Strafe und eventuell auch ein Disziplinarverfahren an den Hals«, mutmaßte Markus und fuhr sich mit einer Hand über seinen Dreitagebart.

      Markus und ein Disziplinarverfahren? Isabel erschrak. Auch das wäre zumindest teilweise ihre Schuld. »Oje, ich hoffe nicht, dass du bestraft wirst für den Leichtsinn der anderen.«

      »Zerbrich dir bitte darüber nicht auch noch den Kopf. Die werden mir meinen schon nicht abreißen. Haben mich ja nicht mal vom Dienst suspendiert – bisher!«

      »Na hör mal, wer sollte den Laden denn am Laufen halten, wenn nicht du?«, fragte Isabel und schob sich ein paar getrocknete Beeren in den Mund.

      »Dass CaWe, als Chef, wegen einem Verhältnis mit einer Untergebenen nicht belangt wird, hat er lange vor der Affäre mit dir geklärt«, sagte Markus nachdenklich und fügte an: »Weißt du, Isabel, du bist nicht die erste Mitarbeiterin, mit der CaWe sein Spiel trieb. Noch vor einigen Jahren wäre das offiziell nicht geduldet worden, das Referat ›Recht und Sicherheit‹ hätte etwas dagegen gehabt.«

      Isabel nickte: »Ich weiß, lieber Kollege. Anders wäre es nur, wenn ich behaupten würde, dass mein Chef mich sexuell belästigt hat. Aber so war es ja nicht«, gestand sie etwas leiser.

      »Und keiner der Kollegen reklamiert, dass er durch euer Verhältnis in irgendeiner Weise benachteiligt wurde oder du dadurch bevorzugt wurdest. Deshalb dürfte das kein Problem sein. CaWes Weste ist sauber«, sagte Markus und fügte an: »Wenn er wieder den Dienst antreten kann.«

      Kapitel 6

      An einem dieser windigen und regennassen Septembertage, die das baldige Ende des Sommers am See ankündigten, setzte sich Isabel im Fahrgastraum des Katamarans in einen Sessel und schaute zum Fenster hinaus. Der Bodensee hatte seine einzigartige Farbpalette gegen tristes Grau in allen denkbaren Stufen eingetauscht. Ein dunkles Wolkenband hing schwer über dem Schweizer Ufer. Viele kleine Schaumkronen auf dem Wasser jagten wie eine Horde wildgewordener Schwäne hintereinander zum Ufer. Ein einzelnes Segelboot schaukelte unter Motor dem Hafen von Bottighofen entgegen. Die Segel hatte der Skipper längst eingeholt. In gelber Regenkleidung umfasste er das Steuerrad und trotzte dem Nass von allen Seiten.

      Bald würde die Fähre Konstanz erreichen. Eigentlich hatte Isabel gar nicht fahren wollen. Erstens verursachte der Gedanke, bei diesem Wetter aufs Wasser zu gehen, Bauchgrimmen und zweitens war ihr überhaupt nicht nach Feiern zumute. Bang dachte sie an die vielen Leute, die oberflächlichen Gespräche, die fremden Gesichter – aber wenigstens wollte sie Lena zu deren 40. Geburtstag gratulieren. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie die vergangenen Tage ohne die Freundin überstanden hätte.

      Im geschützten Konstanzer Bundesbahnhafen war von dem Sturm auf dem See draußen fast nichts zu spüren. Als der Katamaran anlegte, regnete es immer noch. Isabel zog die Kapuze ihres Anoraks über die Haare und drückte die Rosen, die sie für Lena gekauft hatte, an sich. Dann reihte sie sich ein in den nicht enden wollenden Lindwurm von bunten Regenschirmen, der sich von der Mole zur Hafenstraße und in die Fußgängerzone schlängelte. Der Sturm zerrte an den Schirmen und trieb neben gelbbraunen Blättern Plastik-, Bäckertüten und Einweg-Getränkebecher vor sich her. Die Herbstblumen, die solches Wetter gewöhnt waren, hatten ihre Blüten geschlossen. Kein Vogelgezwitscher war zu hören. Windböen heulten und rauschten durch die Gassen, rüttelten an den Ketten der festgebundenen Tische und der gestapelten Stühle der Straßencafés. Isabel bog in eine Seitengasse ab und marschierte weiter durch die Altstadt zu Lenas Wohnung.

      Durchnässt kam sie an, und als Lena öffnete, fielen sich die Freundinnen in die Arme. »Schön, dass du es geschafft hast zu kommen. Gut gemacht, meine Liebe.« Mit ihren Worten spielte Lena auf Isabels Stimmung noch vor wenigen Stunden an. Isabel hatte Lena telefonisch gratuliert und gesagt, dass sie nicht zu ihrer Feier kommen könne, weil der Blues sie mal wieder niederdrücke. Isabel hatte Lenas Enttäuschung gespürt und sich gezwungen, aufzustehen und die Fahrt auf sich zu nehmen. Nun sagte sie lächelnd: »Lena, du warst so oft für mich da in letzter Zeit, da musste ich mich einfach aufraffen.«

      »Ich freu mich, dass dir das gelungen ist. Die Abwechslung wird dir bestimmt guttun.«

      »Mal sehen«, antworte Isabel wenig überzeugt und folgte Lena zögernd. Im Wohnzimmer und in der Küche drängten sich befreundete Mütter, Mitarbeiterinnen und Kolleginnen von Lena. Stimmengewirr und lautes Lachen empfing die beiden.

      »Meine lieben Frauen, hört bitte mal her. Das ist Isabel, meine beste Freundin. Wir kennen uns schon seit unseren gemeinsamen Tübinger Tagen. Wir haben lange in einer WG zusammengewohnt. Schon damals waren wir das Dreamteam und unzertrennlich. Wir haben uns geschworen, Freunde fürs Leben zu bleiben.« Lena machte eine kurze Pause und lachte Isabel an. »Nun hat Isabel es ohne mich in Tübingen nicht mehr ausgehalten und ist im Frühjahr auch an den Bodensee gezogen.«

      »Willkommen!«, tönte es gleichzeitig aus mehreren Kehlen, und die Frauen klatschten in die Hände. Als es wieder ruhig wurde, verkündete Lena: »Hauptkommissarin Isabel arbeitet bei der Wasserschutzpolizei in Friedrichshafen, also nehmt euch in Acht!« Dann drückte sie Isabel ein Glas Prosecco in die Hand, griff nach ihrem eigenen und rief fröhlich in die Runde: »Lasst uns auf unsere Freundschaft trinken mit dem Trinkspruch, mit dem Isabel und ich seit Jahren anstoßen: In dubio Prosecco! Prost!«

      Alle lachten, prosteten sich zu und begannen, wieder durcheinanderzuquatschen. Isabel beteiligte sich nur wenig an den Gesprächen, auf Fragen antwortete sie meist einsilbig. Sie lehnte bereits einige Minuten an einer Wand – einen freien Sitzplatz hatte sie nicht ergattern können –, als sich Lenas Mitbewohnerin Natalia zu ihr gesellte. Die hat mir gerade noch gefehlt, schoss es Isabel in den Sinn. Sie konnte Natalia nicht besonders gut leiden und hatte Lena schon gefragt, wie sie es mit einer dermaßen oberflächlichen und nur auf Äußerlichkeiten bedachten Person

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