Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola Maybach
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Die kam prompt und fiel so anders aus, als er es sich wider besseres Wissen erhofft hatte, dass seine Stimmung augenblicklich auf den Nullpunkt sank. Sie brach nämlich in vergnügtes Gelächter aus. »Das kann man nun wirklich nicht vergleichen, Flo! Du bist mein Freund, mit dir rede ich über alles, bei uns prickelt es nicht.«
Er musste mehrmals schlucken, bevor er mit einigermaßen neutraler Stimme fragen konnte: »Und bei Robert und Philipp prickelt es?«
»Ja, natürlich, was dachtest du denn? Mit beiden flirte ich gern. Wenn ich mit einem von ihnen zusammen bin, denke ich: Er ist es. Leider denke ich das beim anderen dann auch.« Sie seufzte. »Mir war ja vorher auch nicht klar, dass es so etwas gibt. Ich dachte immer, dass man sich verliebt, und dann ist alles klar. Ist es aber nicht.«
Sie hob den Kopf und sah Florian mit einem dieser Blicke an, die sein Herz jedes Mal ins Stolpern brachten. Sie sah so hinreißend aus, dass er nun doch wieder in Versuchung geriet, ihr seine Liebe zu gestehen. Die Vorstellung, sie in den Armen zu halten und zu küssen, raubte ihm regelmäßig den Verstand.
»Wahrscheinlich entscheide ich mich für Philipp«, sagte sie in seine Gedanken hinein. »Nicht, dass ich in ihn mehr verliebt wäre, aber irgendwie ist er reifer. Das glaube ich wenigstens.« Sie versuchte zu lächeln. »Dabei weiß ich jetzt schon, dass Robert mir dann fehlen wird. Also ist es vielleicht doch die falsche Entscheidung.«
»Ewig werden die beiden das sicher auch nicht mehr mitmachen«, murmelte Florian. Seit er wusste, dass er Gabriela liebte, konnte er ihr in Liebesdingen keinen Rat mehr geben. Solange er sich selbst als ihren besten Freund angesehen hatte, war das kein Problem gewesen, doch seit ihm eines Nachts die Erkenntnis gekommen war, dass er sie liebte und begehrte wie noch keine Frau zuvor, taugte er als Ratgeber nicht mehr.
»Und mehr fällt dir dazu nicht ein?«, fragte Gabriela. »Du bist mein bester Freund, du musst mir einen Rat geben, Flo, was ich jetzt tun soll.«
»Du musst dich entscheiden, das weißt du doch selbst.« Er stand auf, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Sie saßen in einem Café, in dem sie sich öfter verabredeten, um etwas zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen. Er hatte hier in der Nähe sein Büro, und die Bibliothek, in der Gabriela arbeitete, war ebenfalls nicht weit entfernt. »Tut mir leid, ich muss weg, ich hatte vergessen, dass ich gleich noch einen Termin habe, Gaby.« Das war eine reine Lüge, aber Notlügen waren bekanntlich erlaubt, und er konnte jetzt einfach nicht länger hier sitzen bleiben und mit Gabriela über ihre Verehrer sprechen. Das ging über seine Kräfte.
»Aber du kannst doch jetzt nicht einfach gehen!«
»Ich muss«, wiederholte er, küsste sie auf beide Wangen und verschwand so eilig, als wäre jemand hinter ihm her.
Als er die Straße hinunter zu seinem Auto lief, wusste er, dass die Entscheidung gefallen war. Er würde seinen Job kündigen und nach Sternberg gehen. Wenn er Gabriela nicht mehr sah, würden seine Gefühle für sie mit der Zeit vielleicht einfach verschwinden.
So, wie es jetzt war, ging es jedenfalls nicht weiter.
*
Annabelle beobachtete stirnrunzelnd eine Szene, die ihr überhaupt nicht gefiel: Vielleicht dreißig Meter von ihr entfernt stand ein Mann und hielt einen Jungen von dreizehn oder vierzehn Jahren am Arm fest. Der Junge wehrte sich heftig und versuchte, sich zu befreien, was ihm jedoch nicht gelang. Er war klein und schmächtig und hatte gegen den kräftig aussehenden Mann keine Chance.
Annabelle sah sich um. Außer ihr war niemand zu sehen, um diese Zeit war der Spielplatz verwaist. Sie nutzte ihn in der Regel als Abkürzung, denn direkt auf der anderen Seite hatte sie eine Wohnung gefunden. Vor einer Woche war sie dort eingezogen.
Jetzt hatte der Junge sie entdeckt und fing an zu schreien. »Helfen Sie mir, bitte, helfen Sie mir. Der Mann will, dass ich mit ihm gehe. Helfen Sie mir!«
Sie zögerte nicht länger, zumal sie sah, wie der Mann dem Jungen etwas zuzischte. Sein Gesicht sah drohend aus. »Lassen Sie ihn los!«, rief sie. »Was fällt Ihnen denn überhaupt ein? Soll ich die Polizei rufen!«
Der Mann richtete sich auf und lockerte wohl unwillkürlich seinen Griff, denn es gelang dem Jungen jetzt, sich zu befreien. Wie der Blitz verschwand er, ohne sich noch einmal umzudrehen.
»Gratuliere«, sagte der Mann grimmig. »Ich hatte ihn fast so weit, aber Sie mussten sich ja unbedingt einmischen.«
Annabelle war noch immer empört. »Sie hatten ihn so weit, dass er bereit war, mit Ihnen zu gehen oder was?«
»Das hat er doch nur gesagt, damit Sie ihm zu Hilfe eilen, und es hat ja auch bestens geklappt. Er gehört zu einer Bande, die versuchen, den Kindern Drogen anzudrehen. Gerade weil er so klein und schwächlich aussieht, traut ihm niemand etwas Böses zu. Darauf setzen die, und das leider mit Erfolg, wie man heute wieder sehen konnte.«
»Schöne Geschichte«, sagte Annabelle. »Sie kann auch erfunden sein. Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan? Die Hilferufe des Jungen überhört? Für mich sah es so aus, als bedrohten Sie ihn, und ich bin gern bereit, das auf einer Polizeiwache zu wiederholen.«
Lachte er jetzt etwa? Machte er sich über sie lustig? Sie wusste nicht, was sie von seinem Gesichtsausdruck halten sollte. Dann holte er einen Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn ihr unter die Nase. »Schon mal was von Zivilbeamten gehört?«, fragte er. »Ich bin hierher abkommandiert worden, weil mein Gesicht hier unbekannt ist, und ich hätte heute einen schönen Erfolg erzielen können, wenn Sie mir nicht dazwischengefunkt hätten. Aber ich muss zugeben, dass die Situation für Sie missverständlich ausgesehen haben könnte.«
»Oh, vielen Dank für Ihr Verständnis«, erwiderte sie ironisch. Seine blauen Augen machten sie nervös, genau wie dieses Lächeln, mit dem er sie jetzt betrachtete. »Kann ich den Ausweis mal genauer sehen?«, fragte sie.
»Oh, bitte sehr.«
Sie studierte ihn eingehend. Vor ihr stand also Kommissar René von Hoydorff, wenn das Dokument echt war. Dunkle Haare, blaue Augen, sehr attraktiv. Sie hatte sich Zivilbeamte immer etwas grau und deutlich älter vorgestellt. Das war wohl ein Vorurteil gewesen. »Kann ja auch gefälscht sein«, stellte sie mit kühlem Lächeln fest, als sie ihm das Dokument zurückgab. »Ich habe keine Ahnung, wie ein echter Polizeiausweis aussieht.«
»Hier, meine Dienstmarke«, sagte er. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
Statt diese Frage zu beantworten, stellte sie ihm nun ihrerseits eine. »Wenn Sie wissen, dass der Junge zu einer Bande gehört, wieso nehmen Sie ihn dann nicht mit und verhören ihn richtig?«
»Das haben meine Kollegen schon versucht, und es ist nichts dabei herausgekommen. Wir wollten eine neue Taktik ausprobieren.«
»Tja, das konnte ich nicht ahnen«, sagte Annabelle und setzte mit ätzender Ironie hinzu: »Beim nächsten Mal bemühe ich mich, wegzusehen, wenn wieder mal ein Jugendlicher von einem Erwachsenen belästigt wird.«
Nach diesen Worten drehte sie sich um und setzte ihren Weg fort. Es wunderte sie nicht, dass er schon nach wenigen Schritten wieder neben ihr war. »Ich brauche Ihre Personalien«, behauptete er.
»Wofür?«
»Für eine eventuelle Zeugenaussage.«
»Ich habe nur gesehen, dass Sie einen Jungen festgehalten haben, mehr nicht. Das allerdings kann ich bezeugen.«