Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Chefarzt Dr. Norden Paket

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style="font-size:15px;">      »Interessant.« Eingehüllt in eine wattweiche Wolke aus Rotwein, wurde Paola müde. Sie hielt die Hand vor den Mund und gähnte herzhaft. »Sei nicht böse, Josh. Aber ich glaube, ich muss mich jetzt verabschieden.« Träge kämpfte sie sich hoch, um im nächsten Augenblick wieder in den Stuhl zurückzufallen. »Hoppla.« Sie kicherte albern. »Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken.«

      »Warum bleibst du nicht einfach hier? Du musst doch erst morgen nach Zürich«, machte Joshua einen Vorschlag.

      Paola wackelte mit dem Zeigefinger hin und her.

      »Ich glaube nicht, dass das deinem Vater gefallen würde.«

      Blitzschnell dachte Joshua über die richtige Antwort nach.

      »Papa ist manchmal ein bisschen spießig. Ich glaube, ihm tun ein paar Überraschungen ganz gut.«

      Als die Augen seiner Mutter aufblitzten, wusste Joshua, dass sie angebissen hatte.

      »Ach ja?«, fragte sie gedehnt.

      »Ja«, wiederholte Joshua bestimmt. »Du weißt doch, was Seneca gesagt hat.«

      Sie nickte langsam.

      »Es kommt nicht darauf an, wie lang das Leben ist, sondern wie bunt.« Ein vielsagendes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie Joshua in die Wohnung folgte und sich das Gästezimmer zeigen ließ, das direkt neben dem Schlafzimmer lag.

      *

      Mit verzweifelter Miene saß Elfriede Lammers am Tisch und ließ sich ein Glas Früchtetee nachschenken.

      »Ich leide unter einer Krankheit, bei der die Knochen im Sprunggelenk absterben«, klagte sie ihrem Besucher ihr Leid. »Können Sie sich das vorstellen? Als wäre ich eine alte Frau.« Sie betupfte die geröteten Augen mit einem Taschentuch.

      Dieter Fuchs schenkte sich selbst Tee nach, ehe er die Kanne zurück auf den Tisch stellte.

      »Erstens wirken Sie ganz und gar nicht wie eine alte Frau. Und zweitens sind wir beide nicht mehr die Jüngsten. Da geht schon einmal das eine oder andere kaputt.« Seine monotone Stimme hatte etwas Tröstliches.

      »Aber eine Prothese!«

      »Wir sollten froh sein, dass es solche Ersatzteile für Menschen unseres Alters gibt«, gab Dieter Fuchs zu bedenken. Mahnend hob er den Zeigefinger. »Das erlaubt uns, noch lange unsere Arbeit zu tun.«

      »Arbeit!« Elfriede schnaubte verächtlich. »Ich fürchte viel mehr um meinen Spaß. Was wird jetzt aus all meinen schönen Plänen? Die vielen Reisen, die ich noch machen wollte? Den Yogakursus, den ich belegt habe? Das Theaterabo?«

      »Das ist verkraftbar. Viel wichtiger ist es, nicht arbeitsunfähig und keine Last für die Gesellschaft zu werden«, tat Fuchs seine Meinung kund.

      Noch bevor Elfriede Gelegenheit hatte, seine Worte zu verstehen, öffnete sich die Tür, und ihr Sohn kam herein.

      Als Volker Lammers den Verwaltungsdirektor am Bett seiner Mutter entdeckte, stutzte er kurz. Nachdem die Verschwörung gegen den neuen Klinikchef gescheitert war, waren die ehemals Verbündeten erbitterte Feinde geworden. Wenn sie sich nicht aus dem Weg gehen konnten, ignorierten sie einander. So hielt es Lammers auch diesmal.

      »Gibt es schlechte Nachrichten?«, wandte er sich grußlos an seine Mutter.

      Elfriede schenkte ihrem Sohn ein gekünsteltes Lächeln.

      »Ich brauche eine Sprunggelenkprothese.«

      »Als Folge des Unfalls?«, empörte er sich sofort. »In diesem Fall werde ich die Sache mit dem Notarztwagen …«

      »Der Unfall hat rein gar nichts damit zu tun«, korrigierte sie ihn scharf. »Laut Dr. Norden handelt es sich um das Absterben des Knochens aufgrund von Durchblutungsstörungen.«

      »Und deshalb will er dir gleich eine Prothese verpassen?« Volker rollte mit den Augen. »Das werden wir ja sehen.«

      »Willst du deiner Mutter die optimale Behandlung verwehren?« In seinem Ärger vergaß Dieter Fuchs ganz, dass er nicht mehr mit Volker sprach.

      Der Feind grinste.

      »Ich dachte, das wäre in deinem Sinne. Eine Prothese ist teuer und meine Mutter keine Privatpatientin. Ich wollte dir lediglich Kosten sparen.«

      »Und ich denke nicht im Traum daran, bei einer aparten Frau wie Elfriede die Kostenschere anzusetzen.« Dieter Fuchs hatte genug. Er erhob sich, drückte einen feuchten Kuss auf Elfriede Lammers’ Hand und ging zur Tür.

      »Vielen Dank für Ihren Besuch, mein Lieber.« Sie winkte ihm und sah ihm nach, wie er eilig das Zimmer verließ.

      »Mein Lieber!«, schnaubte Volker. »Hast du keine Schmerzgrenze? Reicht es nicht, dass du in unserem Urlaub mit jedem dahergelaufenen Paparazzo geflirtet hast? Muss es jetzt auch noch der langweilige Verwaltungsdirektor sein?«

      Elfriede zuckte mit den Schultern.

      »Mag sein, dass er langweilig ist. Dafür ist er mindestens zehn Mal so charmant wie du.«

      Volker Lammers’ Augen wurden schmal.

      »Komm bloß nicht auf die Idee, meine Autorität in der Klinik zu untergraben.«

      Seine Drohung ließ Elfriede kalt. In aller Seelenruhe betrachtete sie ihre Fingernägel und polierte sie anschließend an ihrer Bluse.

      »Wenn du um deine Autorität fürchten musst, bist du ohnehin keine Autoritätsperson.«

      Lammers wollte aufbegehren, als sie ihn mit einer kleinen Geste zum Schweigen brachte.

      »Und wenn du mir die Operation nicht gönnst, werde ich zum Pflegefall und quartiere mich bei dir ein.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

      Volker platzte fast vor Wut.

      »Wenn du das tust, mache ich dir das Leben zur Hölle.«

      »Oder ich dir. Und jetzt lass mich bitte allein.« Elfriede wedelte mit der Hand hin und her, als wollte sie eine lästige Fliege vertreiben. »Ich soll mich nicht aufregen. Das ist nicht gut für meine Nerven, ganz zu schweigen vom Heilungsprozess.«

      Volker schnappte nach Luft. In den vergangenen Jahren hatte es niemand mehr gewagt, ihn an die frische Luft zu setzen. Beleidigt rauschte er aus dem Zimmer. Elfriede dagegen lehnte sich zurück und lachte leise in sich hinein.

      *

      Es war schon spät, als Adrian Wiesenstein nach Hause kam. Er hatte einen vergnüglichen Abend mit seinem Kollegen Matthias Weigand verbracht und in aller Ausführlichkeit die Vorteile des Single-Lebens erörtert.

      Mit der gestärkten Gewissheit, Paola so schnell wieder zu vergessen, wie sie in seinem Leben aufgetaucht war, schloss er die Wohnungstür auf. Sie knarrte genauso wie der alte Dielenboden der Altbauwohnung.

      Adrian schlüpfte aus den Schuhen und schlich auf Zehenspitzen hinüber zum Schlafzimmer. Vor dem Lichtschein, der aus dem Gästezimmer über den Flur fiel, blieb er stehen.

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