Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Aufgeregt hastete Leonie Jürgens den Flur der Behnisch-Klinik entlang und hielt die erstbeste Schwester auf, die ihr über den Weg lief.
»Wo finde ich meinen Sohn Caspar Jürgens? Ein Arzt hat mich angerufen und mir gesagt, dass er hier eingeliefert wurde.«
»Kleinen Moment bitte«, bat Schwester Tina und ging an den Tresen vor dem Schwesternzimmer. Sie tippte den Namen in den Computer ein. »Er liegt auf Station drei in einem Isolierzimmer. Kommen Sie, ich bringe Sie hin.«
Sie machte sich auf den Weg, und Leonie folgte ihr sichtlich verstört.
»Aber warum denn Isolierstation?«, fragte sie.
»Das wird Ihnen der diensthabende Arzt sagen.« Sie waren am Ende des Flurs angekommen. Auf der Glastür prangte eine große Drei. Dahinter waren zwei Ärzte zu sehen. Sie waren in ein Gespräch vertieft. »Der Arzt auf der linken Seite ist unser Tropenmediziner Carsten Kayser. Er wird alle Ihre Fragen beantworten.« Damit verabschiedete sich Schwester Tina und überließ Leonie ihrem Schicksal.
»Eine Tropenkrankheit also«, murmelte die vor sich hin, während sie auf die beiden Ärzte zuging. »Guten Abend, die Herren«, begrüßte sie Danny Norden, der eben mit dem Kollegen Kayser die weitere Behandlung besprach. Tatjana hatte inzwischen beschlossen, die Zeit sinnvoll zu nutzen und in ihrem Klinik-Kiosk ›Allerlei‹ nach dem Rechten zu sehen.
Die beiden Männer drehten sich um. Sofort ahnte Danny, wen er vor sich hatte. Trotz Caspars schmuddeligem Äußeren war die Ähnlichkeit unverkennbar. Leonie Jürgens hatte ihrem Sohn die himmelblauen Augen und den ausgeprägten Amorbogen vererbt.
»Frau Jürgens? Mein Name ist Danny Norden. Ich habe Ihren Sohn in der Bar behandelt und dann hierher bringen lassen«, stellte er sich vor. »Das hier ist mein Kollege Carsten Kayser. »
»Der Tropenmediziner, ich weiß«, erwiderte Leonie und reichte beiden die Hand. »Warum muss Caspar auf der Isolierstation liegen?«
»Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Noch wissen wir nicht genau, was Ihr Sohn aus dem Urlaub mitgebracht hat«, erklärte Dr. Kayser. »Die Ergebnisse bekommen wir morgen früh.«
»Selbstverständlich können Sie ihn trotzdem besuchen«, fügte Danny hinzu. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit müssen Sie allerdings Schutzkleidung tragen.« Er sah hinüber zu seinem Kollegen, der es eilig hatte. »Melden Sie sich bei mir, wenn Sie die Ergebnisse haben?«
»Selbstverständlich.« Dr. Kayser nickte Danny und Leonie Jürgens zu, ehe er sich auf den Weg machte.
Danny Norden dagegen begleitete die besorgte Mutter.
»Kleidsame Tracht«, bemerkte Leonie, nachdem sie Kittel, Handschuhe und Mundschutz angelegt hatte.
»Einen schönen Menschen entstellt nichts.«
Trotz der Sorge um ihren Sohn lächelte Leonie.
»Sehr charmant, vielen Dank. Auch dafür, dass Sie sich um meinen Sohn gekümmert haben.« Sie hielt inne. Gedankenverloren strich sie den Kittel glatt. »Wissen Sie, Caspar und ich hatten einen Streit. Als Sie angerufen haben, habe ich mir fürchterliche Vorwürfe gemacht. Ich dachte, ich hätte Schuld an seinem Zustand.«
»Da können Sie ganz beruhigt sein«, versicherte Danny. »Obwohl man natürlich niemals im Streit auseinandergehen sollte. Schließlich weiß man nie, ob man sich wiedersieht.«
»Welch erstaunliche Weisheit hinter der jugendlichen Fassade.« Sichtlich überrascht legte Leonie den Kopf schief und musterte Danny. »Ich werde mich umgehend mit meinem Sohn versöhnen«, versprach sie, ehe sie das Krankenzimmer betrat.
Caspar lag mit geschlossenen Augen im Bett. Er musste sie nicht öffnen, um zu wissen, wer da an sein Bett trat. Das Parfum seiner Mutter hätte er unter Tausenden wiedererkannt.
»Jetzt habe ich die Quittung für meine Dummheit bekommen« murmelte er matt. »Freust du dich?«
»Unsinn!«, lehnte Leonie entschieden ab und zog sich einen Stuhl ans Bett. »Wie geht es dir?«
Caspar blinzelte. Als er die Verkleidung seiner sonst so schicken Mutter sah, musste er fast lachen.
»Bei deinem Anblick besser.«
Sie schnitt eine Grimasse. Er konnte es an den Fältchen um ihre Augen erkennen.
»Das freut mich, wenn dieser Aufzug wenigstens einen Zweck hat.« Sie streichelte ihrem Sohn mit behandschuhter Hand über das wirre Haar. Unvermittelt war sie ernst geworden. »Ich mache mir solche Vorwürfe wegen unseres Streits. Da bist du nach Wochen endlich wieder zu Hause, noch dazu krank, und dann mache ich dir so eine Szene. Es tut mir unendlich leid.«
»Du bist viel zu gut zu mir. Es ist doch meine eigene Schuld, dass es mir so schlecht geht.« Das Sprechen strengte Caspar an. Er machte eine Pause und schöpfte Atem. »Du hast dich so auf mich gefreut. Und ich mache nur Ärger.«
»Trotzdem war meine Reaktion nicht richtig«, beharrte Leonie. »Ich hätte nicht so abfällig über diese Rucksackreisenden sprechen dürfen.« Liebevoll strich sie eine widerspenstige Strähne aus seiner Stirn. »Außerdem habe ich kein Recht dazu, dir vorzuschreiben, was du zu tun und zu lassen hast. Es ist dein Leben.« Sie seufzte tief. »Kannst du deiner alten Mutter noch einmal verzeihen?«
»Alte Mutter?« Caspar lachte leise. »Wo denn?«
Trotz seiner rätselhaften Erkrankung konnte sie sich nicht länger zurückhalten. Sie beugte sich vor und umarmte ihren Sohn.
Diesmal hatte er keine Wahl und musste die mütterliche Liebe über sich ergehen lassen. Für eine Flucht war er zu schwach.
*
»Du bist doch Arzt, oder?«, versicherte sich Tatjana, nachdem Danny sie vom Kiosk abgeholt hatte und gemeinsam mit ihm zum Wagen gegangen war. Nun saß sie neben ihm und sah ihn fragend an.
»Worauf willst du hinaus?«, fragte er misstrauisch zurück, während er den Wagen durch den Feierabendverkehr lenkte.
»Wenn ich vor Hunger demnächst bewusstlos werde, kannst du mir helfen, oder?«
Erleichtert lachte Danny auf.
»So schlimm kann es doch gar nicht sein. Ich habe ganz genau gesehen, wie du vorhin im Kiosk eine Butterbreze aus der Auslage geklaut hast.«
»Eine Butterbreze!« Tatjana schnaubte verächtlich. »Das ist so viel ein Tropfen Wasser für einen Verdurstenden.«
Danny warf einen Blick in den Rückspiegel, ehe er den Blinker setzte.
»Ein Glück, dass wir eine Bäckerei haben. Sonst hättest du mir längst alle Haare vom Kopf gefressen.«
Tatjana schickte ihm einen langen, nachdenklichen Blick.
»Keine schlechte Idee. Das sollte ich tun, bevor sie grau werden. Danach sind sie sicher nicht mehr so schmackhaft.«
»Du tust gerade so, als wäre ich steinalt.«
»Im