Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 49
Ihr Retter in der Not lachte belustigt auf und hielt ihr die schmutzige Hand hin.
»Ich heiße Moritz!«, stellte er sich vor. »Und du?« Im selben Moment entdeckte er den Schmutz auf seinen Fingern und wollte die Hand wieder zurückziehen. Doch Leonie war schneller. Sie ergriff sie und hielt sie fest. Dabei sah sie ihm unverwandt in die Augen. Sein Blick ließ ihr Herz höher schlagen.
»Leonie.«
»Ein Name wie ein Gedicht.«
Sie spürte den warmen Druck seiner Finger. Plötzlich war die Welt um sie herum vergessen. Leonie hätte den Rest des Tages einfach nur dastehen und ihn ansehen können. Moritz schien es nicht anders zu ergehen. Auch er machte keine Anstalten, sie loszulassen.
Ein Lastwagen, der donnernd an ihnen vorbeirauschte, ließ die rosarote Seifenblase platzen, in der sie beide geschwebt hatten. Unsanft landeten sie wieder auf dem Boden der Tatsachen. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, sah Leonie auf die Uhr.
»Ich muss leider los. Ein wichtiger Termin.« Sie zog den Autoschlüssel aus der Tasche.
»Ich muss auch zur Arbeit.« Trotzdem blieb Moritz reglos stehen. Es war offensichtlich, dass er mit sich kämpfte. »Normalerweise ist es nicht meine Art, einfach so Frauen auf der Straße anzusprechen …«
»Und ich dachte schon, du wechselst jeder die Reifen«, scherzte Leonie nervös.
Moritz lachte.
»Beileibe nicht.« Er räusperte sich und griff noch einmal nach ihrer Hand. »Ich würde dich gern wiedersehen.«
Leonie schluckte. Sie war keine zwanzig mehr, hatte eine Ehe hinter sich und auch sonst genügend Erfahrungen mit Männern gesammelt. Trotzdem flatterte ihr Herz wie das eines Teenagers.
»Ich dich auch.«
Sein Strahlen verriet ihr, dass seine Freude echt war.
»Heute Abend um sechs Uhr im Café ›Schöne Aussichten‹?« Er deutete auf die Bäckerei. »Frau Bohde macht den besten Kuchen der ganzen Stadt.«
»Ich weiß. Deshalb bin ich hier.«
»Eine Naschkatze? Das wird ja immer besser.« Moritz war ehrlich verwundert. Sein bewundernder Blick glitt an Leonies Figur hinab. »Das hätte ich nie vermutet.«
»Ich kann mir das auch nur leisten, weil ich den ganzen Tag auf den Beinen bin«, verriet Leonie. »Und jetzt muss ich mich wirklich beeilen. Auf Wiedersehen, Moritz.« Sie winkte, während sie um den Wagen herum ging. Ihr Vorhaben, ein paar Süßigkeiten für ihren Sohn Caspar zu kaufen, hatte sie völlig vergessen.
*
Solange Dr. Norden den kleinen Niklas untersuchte und danach das Krankenblatt studierte, verzichteten die Eltern darauf, ihn auf das Gespräch anzusprechen, dessen unfreiwillige Zeugen sie geworden waren. Erst als Daniel das Zimmer wieder verlassen hatte, schickte Magdalena Kronseder ihrem Mann einen Blick. Er verstand die stumme Aufforderung und folgte dem Chefarzt aus dem Zimmer.
»Herr Dr. Norden!«
Überrascht blieb Daniel stehen und drehte sich um. Er ahnte nicht, dass Volker Lammers im leeren Krankenzimmer nebenan genau auf diese Situation gewartet hatte.
»Ja?«
Obwohl sie nur ein paar Meter trennten, war Gregor außer Atem, als er vor ihm Halt machte. Es war die Aufregung, die ihm die Luft abschnürte.
»Wir … ich … wir haben vorhin zufällig das Gespräch gehört, das Sie mit Dr. Lammers geführt haben. Nicht, dass wir gelauscht hätten …« Abwehrend hob er die Hände. »Dieses Medikament, von dem die Rede war …«
Daniel verdrehte innerlich die Augen. Das hätte nicht passieren dürfen! Schlagartig ärgerte er sich, dass er sich von Lammers hatte überrumpeln lassen. Es war nur seiner Erfahrung zu verdanken, dass ihm äußerlich nichts anzumerken war.
»Diese Therapie kommt für Ihren Sohn leider nicht in Frage«, erklärte er mit fester Stimme. »Sie haben es ja selbst gehört. Es gibt offenbar noch keinerlei Erfahrungen mit Menschen.«
Nervös trat Gregor Kronseder von einem Bein auf das andere.
»Dr. Lammers hat uns gesagt, dass Niklas nicht zu helfen ist.« Seine Stimme war heiser vor Kummer und Verzweiflung. »Dann spielt es doch auch keine Rolle, ein neues Medikament auszuprobieren. Diese Therapie ist die einzige Hoffnung, die wir noch haben.«
Daniel Norden dachte kurz nach. Einmal mehr ärgert er sich über Volker Lammers. Wie kam der Kollege dazu, solche Aussagen zu treffen?
»Es stimmt, dass der Zustand Ihres Sohnes sehr schlecht ist und dass wir mit allem rechnen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht doch noch die Hoffnung haben, ein geeignetes Mittel zu finden, um Niklas zu helfen.«
Gregor sah aus, als wäre er dem Chefarzt am liebsten an die Gurgel gegangen. Er ballte die Hände zu Fäusten und starrte Dr. Norden an.
»Jeder sagt uns, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Warum wollen Sie uns nicht helfen?«
»Sosehr ich es will, ich kann es nicht. Diese Therapie ist noch nicht verfügbar. Und selbst wenn es mir gelänge, an die Medikamente zu kommen, dann wäre es illegal, sie zu verabreichen.« Mit Engelszungen redete Daniel auf den verzweifelten Vater ein. »Damit mache ich mich strafbar. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Viel schlimmer wäre es, dass ich damit das Leben Ihres Kindes aufs Spiel setze. Das kann ich nicht verantworten.« Er machte eine Pause und sah verstohlen auf die Uhr. »Haben Sie Vertrauen! Und jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich werde in ein paar Minuten zu einem wichtigen Termin erwartet.« Daniel machte Anstalten zu gehen, als er fühlte, dass Gregor Kronseder ihn am Ärmel festhielt.
»Dr. Norden, bitte! Sie müssen mich doch verstehen! Wie kann ich Sie überzeugen, dass Sie uns einfach helfen müssen?«, fragte er mit Panik im Blick. »Ich kann nicht zulassen, dass ein paar Paragraphen über das Leben meines Sohnes entscheiden.« Gregor Kronseder war am Ende seiner Kräfte angelangt. Er schlug die Hände vors Gesicht und wandte sich ab.
Diesmal hatte sich Dr. Norden nicht im Griff. Es war ihm deutlich anzusehen, wie er mit sich kämpfte. Endlich machte er ein paar Schritte auf den verzweifelten Vater zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Also gut, Herr Kronseder. Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach er.
Gregor wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, ehe er sich umdrehte.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
»Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn es schief geht«, erwiderte Daniel. »Sie hören von mir.« Er nickte Gregor zu, ehe er sich endgültig auf den Weg zu seinem Termin machte.
Keiner der beiden Männer ahnte, dass sie einen Zuhörer gehabt hatten. In seinem Versteck reckte Dr. Lammers die Faust in die Luft. Fast im gleichen Moment rief ihn sein Pieper zu einem Notfall.
»Keine Sekunde zu früh!«, frohlockte er, als er sich versicherte, dass die Luft auf dem Klinikflur rein war. Das Glück schien endlich auf seiner Seite zu sein.
*