Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg Chefarzt Dr. Norden Paket

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telefoniert, das die Versuche mit diesem Medikament durchführt. Außerdem kam heute ein Bote mit einer Sendung des Labors.« Er klatschte die Liste auf den kleinen Tisch vor dem Sofa, auf dem Daniel immer noch in aller Seelenruhe saß. Die Hände in die schwammigen Hüften gestemmt, blickte Dieter Fuchs auf seinen Kontrahenten hinab. Langsam beruhigte er sich. Ein hässliches Grinsen verzog seine vollen Lippen. »Wenn Sie wollen, können wir die Sache diskret regeln. Sie hängen den Chefarztkittel an den Nagel und kehren dorthin zurück, woher Sie gekommen sind. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung zu erstatten.« Mehr als einmal hatte er sich diese Szene ausgemalt und war jedes Mal hochzufrieden gewesen.

      Doch Daniel Nordens Reaktion fiel nicht annähernd so aus wie erwartet.

      »Mein lieber Herr Fuchs, Ihr Angebot erfüllt den Tatbestand der Erpressung. Ist Ihnen das bewusst?«

      Daniels Ruhe verunsicherte den Verwaltungschef. Er dachte kurz nach und beschloss, die Strategie zu ändern.

      »Machen Sie es mir doch nicht so schwer«, appellierte er an Dr. Nordens Gutmütigkeit. »Sagen Sie einfach, dass Sie es getan haben. Dann sehen wir weiter.«

      Allmählich hatte Daniel genug von dem Theater.

      »Darf ich eine Gegenfrage stellen?«

      Der Verwaltungsdirektor ließ sich wieder in den Sessel fallen. Er zog ein Stofftaschentuch aus der Tasche des Cordsakkos und betupfte sich die Stirn.

      »Meinetwegen.«

      Daniel beugte sich vor.

      »Nehmen wir an, ich würde ­Ihnen unterstellen, Büromaterial für den Privatgebrauch zu bestellen …«

      »Ich und ein Dieb? Für wen halten Sie mich?«

      Daniel lächelte nonchalant.

      »Sehen Sie! Und genauso wenig bin ich ein verantwortungsloser Arzt, der seinen Patienten aus Profitgier, Ehrgeiz oder was auch immer ungeeignete Medikamente verabreicht.« Er stand auf zum Zeichen, dass das Gespräch an dieser Stelle für ihn beendet war. »Fragen Sie lieber mal den Kollegen Lammers. Er war es, der mir diese fragwürdige Therapie vorgeschlagen hat.«

      Mit diesen Worten drehte sich Daniel um und ging zur Tür. Dieter Fuchs starrte ihm mit offenem Mund nach.

      »Aber … aber … «, stammelte er.

      Die Hand auf der Klinke, drehte sich Daniel noch einmal um.

      »Um Ihre Neugier zu befriedigen: Es ist richtig, dass ich mit diesem Institut telefoniert habe. Ich habe mich bei einem Kollegen, den ich noch aus Studienzeiten kenne, über den Stand der Forschungen informiert. Im Übrigen hat Dr. Lorentz Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe von Eltern anaphylaktischer Kinder. Um das Leid ihrer Kinder zu lindern, gehen sie jeden möglichen Weg. Unter anderem auch den der Homöopathie. Auch die traditionelle chinesische Medizin erzielt beachtliche Erfolge in der Linderung der Symptome dieser Erkrankung. Darüber habe ich mich mehrmals ausführlich mit meinem Kollegen unterhalten.«

      Wie erschlagen saß Dieter Fuchs im Sessel und hörte zu.

      »Und was ist mit der Sendung aus dem Labor?«, fragte er tonlos.

      Daniel lachte.

      »Sieh mal einer an. Sogar das hat Lammers bemerkt.« Unvermittelt wurde er wieder ernst. »In dem Umschlag war ein homöopathisches Präparat, das mir Dr. Lorentz nach enger Abstimmung geschickt hat. Das war das Mittel, das ich Niklas Kronseder verabreicht habe.«

      »Homöopathie?«, schnaubte der Verwaltungschef verächtlich. »Sie glauben an diesen Hokuspokus?«

      »Selbst wenn eine Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden kann, ist die Reaktion bei Kindern häufig sehr beeindruckend.« Daniel dachte nicht daran, sich aus dem Konzept bringen zu lassen. »Ich halte mich an die Devise: Was heilt, hat recht. Und dass es Niklas besser ging, ist unbestritten. Deshalb werde ich die Therapie auch nach seinem Einbruch fortsetzen.« Er drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. »Sie ist übrigens völlig nebenwirkungsfrei. Und ich bin optimistisch, dass wir Niklas damit und mit ein paar anderen Maßnahmen auf einen guten Weg bringen werden.« Damit war alles gesagt, was es zu diesem Thema zu sagen gab. »Einen schönen Tag noch«, wünschte Daniel Norden, ehe er das Büro endgültig verließ und sich beschwingt auf den Weg in die Pädiatrie machte.

      *

      In dieser Nacht hatte Leonie Jürgens kaum geschlafen. Die aufregenden Ereignisse des vergangenen Tages hatten sie wach gehalten.

      »Wie kann ich Caspar nur davon überzeugen, dass er sich in eine fixe Idee verrannt hat?«, murmelte sie, als das erste Licht des Tages ins Zimmer kroch. Doch so viel sie auch hin und her überlegte, so wenig fiel ihr eine Lösung ein. Schließlich schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf.

      Im Frühstücksrestaurant hatte das Personal eben erst die Lichter eingeschaltet. Der Duft frischgebackener Brötchen lag in der Luft. Irgendwo spielte ein Radio. Geschäftige Angestellte eilten auf lautlosen Sohlen hin und her, um das reichhaltige Buffet aufzubauen.

      »Lasst euch von mir nicht stören«, bat Leonie und schenkte sich einen Kaffee aus der Maschine ein. Die Düsen zischten und brodelten noch, als ihr Mobiltelefon klingelte. Moritz’ Name leuchtete auf dem Display auf. Augenblicklich begann Leonies Herz zu rasen.

      »Hallo!« Unsicher, wie sie war, wahrte sie vorsichtshalber die Distanz.

      Und auch Moritz wirkte völlig verändert.

      »Guten Morgen, Leonie. Kann ich dich kurz sprechen?« Offenbar hatte er beschlossen, sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten.

      Eine eiskalte Hand griff nach Leonies Herz. Sie wollte antworten, doch der Frosch in ihrem Hals ließ nur ein Krächzen zu. Sie räusperte sich.

      »Um was geht es?«, fragte sie ebenso reserviert zurück.

      »Das würde ich gern persönlich mit dir besprechen. Ich warte im Wagen auf dich.«

      Unwillkürlich flog Leonies Blick durch die großen Scheiben und hinaus auf die Straße. Tatsächlich stand eine schwarze Limousine am Straßenrand. Wer darin saß, konnte sie nicht erkennen.

      »Also gut. Ich bin in zwei Minuten bei dir.« Leonie stellte den Kaffee beiseite und verließ das Restaurant. Sie musste sich zwingen, langsam zu gehen. Was mochte das alles bedeuten?

      »Was hast du mir zu sagen?«, fragte sie, als sie wenig später neben Moritz im Wagen saß. Sie hatten sich weder geküsst noch andere Zärtlichkeiten ausgetauscht. Es war, als träfen sich zwei Geschäftsleute zu einer Besprechung. Leonie musterte Moritz ungeniert. Mit einer gewissen Genugtuung stellte sie fest, dass auch er eine schlaflose Nacht gehabt haben musste.

      »Caspar wird uns auseinanderbringen«, teilte er endlich die Gedanken mit ihr, die ihm schon die ganze Nacht durch den Kopf gingen.

      Leonie starrte ihn mit großen Augen an.

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Ich habe mir vorgestellt, wie meine Tochter damals in so einer Situation reagiert hätte. Deshalb ist mir halbwegs klar, dass Caspar dich vor die Wahl stellen wird. Entweder er oder ich.« Er machte eine Pause und fixierte Leonie. »Und? Wie wirst du dich entscheiden?«

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