Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Diese ganze Zeit über hatte Benjamin emsig in seinem Gebetbuche geblättert, aber unglücklicherweise die rechte Stelle nicht finden können. Ehe jedoch der Geistliche zu dem Schluß der Beichtformel kam, erschien Richard wieder in der Tür und nahm, während er sich leichten Trittes durch den Raum bewegte, die Antwort mit einer Kraft auf, die keine andere Besorgnis verriet, als daß sie nicht gehört werden könnte. In seiner Hand trug er ein kleines offenes Kästchen mit den schwarzgemalten Zahlen ›8 zu 10‹ auf der einen Seite, welches er, augenscheinlich als einen Fußschemel für den Geistlichen, in die Kanzel stellte, worauf er zu seinem Platz zurückkehrte und gerade noch zeitig genug dort anlangte, um mit einem volltönigen ›Amen‹ einfallen zu können. Als Herr Jones mit seiner seltsamen Last eintrat, waren die Augen aus einem leicht erklärlichen Grunde nach den Fenstern gerichtet; sie kehrten sich jedoch bald wieder in gespannter Aufmerksamkeit dem Prediger zu, da man bereits an die Tätigkeit des ›Aushelfers in allen Dingen‹ gewöhnt war.
Langjährige Erfahrung hatte Herrn Grant instand gesetzt, sein Amt auf eine bewundernswürdige Weise durchzuführen. Er kannte den Charakter seiner Zuhörer, die als ein noch ungebildetes Volk, welches eifrig an den Spitzfindigkeiten seiner verschiedenen religiösen Ansichten hielt, die Einführung eines so zeitlichen Beiwerks, wie Formeln, in ihre geistige Gottesverehrung nicht nur mit Eifersucht, sondern oft sogar mit Widerwillen betrachteten. Einen großen Teil seiner Kenntnisse hatte er im Studium des großen Buches der Natur, das in der Welt offen vor uns da liegt, gefunden, und da er wußte, wie gefährlich es sei, mit der Unwissenheit zu streiten, so bemühte er sich durchweg, alles einem Befehl Ähnliche zu vermeiden, wo seine Vernunft es für ratsam erachtete zu überzeugen. Seine Rechtgläubigkeit hing nicht mit seinem Priesterrock zusammen. Er konnte, wenn es die Umstände erforderten, auch ohne den Beistand seines Küsters mit Glut und Andacht beten, wie man ihn auch oft einen sehr evangelischen Vortrag mit der vollen Kraft seiner Beredsamkeit halten hörte, ohne daß ihm dabei die Mithilfe eines weißen batistenen Tuches zu Gebote gestanden hätte.
Im gegenwärtigen Falle sah er der Menge seiner Zuhörerschaft manches nach, und als er mit seiner Rede zu Ende kam, war auch nicht einer in der ganzen Versammlung, dem die Feierlichkeit nicht weniger papistisch und anstößig und weit mehr im Einklang mit seinen eigenen Begriffen von wahrer Andacht erschienen wäre, als man ihn das von einem Formengottesdienst glauben gemacht hatte.
Richard erblickte in dem Geistlichen während des ganzen Abends einen äußerst mächtigen Verbündeten für die Ausführung seiner religiösen Entwürfe. Herr Grant hatte sich in seiner Predigt bemüht, den Mittelweg zwischen den mystischen Doktrinen jener sublimen Glaubensbekenntnisse, welche ihre Bekenner ohne Unterlaß in die absurdesten Widersprüche verwickeln, und den üblichen Vorschriften einer sittlichen Lebensnorm zu halten, welche unseren Erlöser in eine Reihe mit den Moralpredigern früherer und späterer Jahrhunderte stellen. Er mußte allerdings über Dogmen predigen, da sonst der Kontroversensucht seiner Zuhörer nicht gedient gewesen und ein Schweigen in dieser Hinsicht für eine stillschweigende Anerkennung der Oberflächlichkeit seines Glaubensbekenntnisses genommen worden wäre. Wir haben bereits gesagt, daß die Ansiedler bei der Unzahl ihrer verschiedenen Religionslehrer gewöhnt waren, von jedem Glaubensbekenntnis bestimmte, unterscheidende Lehrsätze zu verlangen, und eine Gleichgültigkeit in dieser Hinsicht hätte auf einmal den ganzen Einfluß des Geistlichen vernichtet. Aber Herr Grant verband die allgemein anerkannten Lehrbegriffe der Christusreligion so glücklich mit den Dogmen seiner eigenen Kirche, daß wohl keiner von seinen Gründen unbewegt blieb und nur wenige an der Neuerung Anstoß nahmen.
»Wenn wir betrachten, wie verschieden sich der Charakter des Menschen unter dem Einfluß der Erziehung, der Verhältnisse und der natürlichen und sittlichen Anlagen entwickelt, meine lieben Zuhörer«, schloß er seinen feierlichen Vortrag, »so kann es nicht überraschen, daß Glaubensbekenntnisse von so verschiedenen Richtungen aus einer Religion entstehen konnten, die allerdings eine geoffenbarte ist, deren Offenbarungen aber im Laufe der Zeit verdunkelt wurden, um so mehr, da ihre Lehrsätze nach der Sitte der Länder, in denen man sie zuerst vortrug, häufig in Parabeln und in eine von Bildern wimmelnde Sprache gekleidet waren. In Punkten, wo die Forscher bei aller Reinheit ihres Herzens zu verschiedenen Ansichten gelangten, muß sich notwendig auch unter den Ungelehrten eine Spaltung herausstellen. Aber zum Glück für uns, liebe Brüder, entspringt der Brunnen der göttlichen Liebe aus einer zu reinen Quelle, als daß er in seinem Lauf getrübt werden könnte. Er gibt denen, die von seinem Lebenswasser trinken, den Frieden des Gerechten und das ewige Leben; er fließt fort durch alle Zeiten und durchdringt die ganze Schöpfung. Wenn etwas Geheimnisvolles in einem solchen Walten hegt, so ist es das Geheimnis der Gottheit. Eine umfassende Kenntnis der Natur, der Macht und der Majestät Gottes kann allerdings Überzeugung gewähren, aber dann ist noch von keinem Glauben die Rede. Wenn man also von uns verlangt, an Lehrsätze zu glauben, welche mit den Folgerungen menschlicher Weisheit nicht im Einklange zu sein scheinen, so laßt uns nie vergessen, daß wir dabei nur ein Gebot befolgen, das von der unendlichen Weisheit ergangen ist. Es muß uns genügen, daß uns ein Fingerzeig gegeben ist, der uns den rechten Weg kennenlehrt und den Erdenpilger nach der Pforte weist, hinter der sich uns das Licht des ewigen Lebens auf tut. Wenn wir nun diesen Weisungen folgen, so dürfen wir demütig hoffen, daß die Nebel, welche die Spitzfindigkeiten der menschlichen Vernunft geschaffen haben, vor dem geistigen Licht des Himmels verfliegen, und daß wir, wenn wir einmal unsere Prüfungszeit, unter Beihilfe der göttlichen Gnade, siegreich überstanden haben, die Größe Gottes schauen und die Seligkeit der Heiligen genießen dürfen. Alles, was jetzt dunkel ist, wird vor unserem erweiterten Gesichtskreis klar werden, und alles, was sich mit unseren hiesigen beschränkten Begriffen von Gnade, Gerechtigkeit und Liebe nicht vereinigen läßt, sehen wir dort in dem hellen Licht der Wahrheit, wo es sich als das Ergebnis der ewigen Weisheit und als das Wirken einer allmächtigen Liebe herausstellen wird.
Welch eine ernste Aufforderung zur Demut, meine Brüder, kann nicht ein jeder schon erfahren, wenn er auf die Tage seiner Kindheit zurückblickt und sich seiner jugendlichen Leidenschaften erinnert! Wie verschieden erscheint nicht dieselbe Handlung elterlicher Strenge in den Augen des leidenden Kindes und in denen des gereiften Mannes! Wenn der Mensch, der sich weise dünkt, die wirren Sätze seiner weltlichen Weisheit an die Stelle einer unmittelbaren höheren Eingebung pflanzen will, so möge er bedenken, wie beschränkt sein eigener schwacher Verstand ist, und er wird sich nicht weiter überheben; ja, er muß die Weisheit Gottes in dem, was teilweise verhüllt ist, ebensogut erkennen wie in dem, was offen vor ihm daliegt. An die Stelle seines Vernunftstolzes lasse er unterwürfige Demut, Glauben und wahres, inneres Leben treten!
Die Betrachtung dieser Frage, meine Zuhörer, enthält viel Tröstliches und hat ernste Aufforderungen zur Demut in ihrem Gefolge, die, in reinem Sinne geübt, das Herz bessert und den Kleinmut des Erdenpilgers auf seiner Wanderschaft verscheucht. Es ist ein köstlicher Trost, die Zweifel unserer anmaßenden Natur an der Schwelle unserer ewigen Heimat niederlegen zu dürfen, von wo sie, sobald die Tür sich öffnet, wie Morgennebel vor der aufsteigenden Sonne verschwinden. Oh, es liegt eine heilige Lehre in der Unzulänglichkeit unserer Kräfte; denn sie macht uns auf viele schwache Seiten aufmerksam, an denen wir von dem großen Feinde unseres Geschlechtes