Hund-Nase-Mensch. Alexandra Horowitz
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Schließlich bekamen wir die Proportionen richtig hin (bis auf winzig kleine Urinanteile heruntergeschraubt) und rekrutierten außerdem Hundebesitzer, die „Materialsammlungen“ für uns durchzuführen. Als diese an unserem Versuchsort eintrafen, stellten wir die erste Musterprobe zusammen: eine ganz winzige Menge Pipi des jeweiligen Hundes in einem verschlossenen Behälter mit Luftlöchern im Deckel. Eine zweite Probe enthielt zusätzlich ein kleines Fetzchen totes Gewebe von einem verstorbenen Hund (eigens postmortem in der Tierklinik einer veterinärmedizinischen Fakultät erworben). Andere Gefäße enthielten den Urin eines fremden oder eines befreundeten Hundes. Die Behälter wurden paarig angeordnet und dann in einem Raum ausgelegt, wobei es keine weiteren sichtbaren Hinweise darauf gab, dass jemand oder etwas hier gewesen war. Würden die Hunde diese Gerüche gleich „riechbar“ finden?
Sechsunddreißig wedelnde, hochkooperative Hunde und deren Besitzer nahmen an diesem für uns äußerst schrägen Experiment teil. Wir besitzen Filmaufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln, auf denen man jedes Zucken einer Nasenöffnung und jede vor Überraschung oder Alarmierung hochgezogene Augenbraue sieht. Wir zeichneten auf, wo die Hunde schnüffelten, wie lange sie schnüffelten und wie oft sie zurückkamen, um den Geruch nochmals zu überprüfen. Das Ergebnis: Die Hunde bestanden den Test. Unsere Subjekte verbrachten weitaus mehr Zeit mit dem Beschnüffeln ihres eigenen geruchlichen „Spiegelbilds“, wenn es markiert worden war – so, als ob man besonders oft in den Spiegel schaut, weil man irgendetwas Komisches zwischen den Zähnen hat. Sie schauten (rochen) sich selbst an, um sicher zu gehen, aber nicht so oft wie dann, wenn an ihrem Geruch noch irgendetwas anderes war. Auch die Gerüche anderer Hunde wurden stark beschnüffelt: So, als ob eine andere Person einen über die Schulter im Spiegel anschaut. Man schaut zurück.
Wie bei jedem Versuch boten einige Testkandidaten zusätzliche Verhaltensweisen an, die nicht unter die strenge Rubrik des Versuchsaufbaus fielen. In der Spiegelmarkierungsaufgabe benutzen Schimpansen den Spiegel, um Körperteile an sich selbst zu betrachten, die sie normalerweise nicht sehen können: Ihr Mundinneres beispielsweise, ihr eigenes Hinterteil oder ihre Nasenlöcher. Sie schneiden sich selbst gegenüber Grimassen. Unsere Hunde zeigten die genaue Entsprechung: Sie kratzten und leckten an den Behältern. Sie drehten sich mit dem Ausdruck von Verzweiflung oder Aufregung zu ihren Besitzern um und teilten die Neuigkeiten über diesen komischen Geruch mit ihnen. Ich gebe es zu, manchmal setzten sie auch Gegenmarkierungen auf die Behälter. Zum Glück hat jedes gute Forschungslabor zur hündischen Kognition große Mengen Papiertücher und Desinfektionsmittel vorrätig. Aber die Hunde pinkelten nur auf die Behälter anderer Hunde, nicht auf ihre eigenen. Sie sahen sich selbst.
Der Geruch des neuen Tages
Vom Konkreten – sich selbst oder andere erkennen – abgesehen, erkennt die Hundenase auch eine Welt der Abstraktion. Weshalb für einen Hund auch ein neuer Tag einen neuen Geruch hat.
Ihre morgendliche Gassirunde folgt vielleicht einem bestimmten Weg um den Block herum, zum Park bis zur Straße und wieder zurück. Wir gehen diese Wege mit unseren Hunden genau deshalb, weil sie uns vertraut und verlässlich sind. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere, und wir gehen davon aus, dass es Hunden genauso geht und sie die gleichen Gewohnheiten erleben.
Was sie mit ziemlicher Sicherheit nicht tun. Jedes Verlassen des Hauses eröffnet für sie eine neue Szene, die sie noch nie zuvor gesehen haben. Jeder Tag und jede Stunde eröffnet für sie eine neue Geruchslandschaft. Denn es gehen Menschen vorbei, die ihren Geruch oder Essensreste hinterlassen; Autos erwärmen die Straße und bedecken sie mit ihrem ganz besonderen Staub; Wolken tragen aus Gebirgsseen gesogenen Regen heran; der Wind trägt Gerüche aus einem Stadtteil in den anderen und umgekehrt oder Samenkörner aus dem Wald in die Ebene; das Tierreich vom Käfer über den Vogel bis hin zum Hund zieht vorbei und hinterlässt Spuren, Fäkalien und Hautschuppen – die gesamte Welt draußen vor ihrer Tür verändert und verwandelt sich andauernd. Für einen Hund gibt es keine „frische Luft“. Luft ist schwer und reichhaltig: sie ist ein Geruchsknoten, den die Hundenase gekonnt entwirren wird.
Der Geruch der Zeit
So wie jeder Tag einen neuen Geruch trägt, so kennzeichnen auch seine Stunden geruchliche Veränderungen, die Ihr Hund wahrnehmen kann. Hunde riechen Zeit. Die Vergangenheit liegt ihnen unter den Pfoten; die Gerüche von gestern sind auf dem Boden zur Ruhe gekommen. Die Nachricht liegt, getragen von der ersten Morgenbrise oder vom Rücken der Nachtlebewesen geweht, zusammen mit der gefalteten Zeitung vor der Haustür. Der Geruch der Zukunft wird um die Ecke geweht und erreicht die Nase des Hundes, bevor er unsere Augen erreicht. Geruch zieht die Zeit für Hunde zusammen wie ein Gummiband, er katapultiert etwas aus der Vergangenheit und aus der Zukunft ins Jetzt.
Viele dieser Informationen liegen im Wind. Mit aus dem Autofenster gereckten Kopf und im Aufwind fliegenden Ohren betritt der Hund gleichsam den Wind.*
Wir sind abgelenkt von dem, was wir vom Wind mit den Augen sehen: von seinen Auswirkungen auf unsere Röcke oder Haare, von der knatternden Reaktion der Flagge auf die Kapriolen der Brise. Der Hund dagegen erfährt den Wind aus seinem Innersten heraus, er liest die Nachrichten und hört die Geschichten, die er aus weit entfernten Gegenden mitbringt. Er kündigt der Hundenase ein heraufziehendes Gewitter an, lange, bevor wir es wahrnehmen können. Wenn der Luftdruck fällt und die Luft über dem Boden sich besonders geräumig anfühlt, lässt die Erde die festgehaltenen Gerüche los und beginnt Aromen in diesen Raum hinein zu verströmen. Hunde, die von uns unabsichtlich dazu trainiert sind, Verknüpfungen zu bilden und ihnen Bedeutung beizumessen (zum Beispiel, dass „Leine vom Haken nehmen“ einen Spaziergang ankündigt oder das Kratzen von Messer und Gabel auf dem Teller voraussagt, dass gleich ein paar Reste für sie anfallen) lernen sehr leicht, dass starker, vom Boden ausgehender Geruch ein nahendes Gewitter bedeutet.
Der Geruch aller Dinge
Der mit Bettwanzen oder einem Gewitter konfrontierte Hund nimmt die Details wahr. Sie dagegen würden vom Riechpunkt Ihres Hundes aus betrachtet den Geruch Ihres eigenen Hauses nicht erkennen. Ja, Ihr Zuhause hat einen Geruch! Mit nur wenigen Ausnahmen hat jeder Einrichtungsgegenstand, jedes Buch und jeder Teller, jedes Sofakissen und jede Schreibtischlampe einen Geruch. Jedes Ding existiert in der visuellen Welt, die wir sehen und eine klare Kontur demarkiert den Raum, den es besetzt und den Raum, an den es angrenzt. Aber in der Welt des Geruchs ist diese Kontur verschwommen. Sie ist quasi bewölkt, und die Wolke um eine Lampe herum verwandelt sich, wenn sie berührt oder bewegt wird, wenn die Glühbirne sie erwärmt oder nach dem Ausschalten wieder abkühlt, vielleicht in die Form eines Kaninchens oder die eines Zuges.
Es ist nicht etwa so, dass Hunde jedes einzelne Molekül ihrer Umgebung riechen können. Man muss nicht übertreiben, um ihre Fähigkeiten zu würdigen. Aber möglicherweise ist das „Rosige“ im Geruchsprofil einer Rose für einen Hund weniger wichtig, relevant oder wahrnehmbar als einige andere ihrer Duftnoten wie zum Beispiel Citronellol oder die Bestandteile von Rosenoxid, dessen Geruch manchmal mit dem von Metall oder Urin verglichen wird. Stellen Sie sich vor, Sie könnten allein mit Hilfe Ihrer Nase die Teile vom Ganzen und die Vergangenheit von der Gegenwart unterscheiden.
Wie macht ein Hund das? Die Geschichte davon, wie diese Gerüche in sein Gehirn gelangen, die Substanz seiner