Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder страница 9
Ich wiederholte meine Forderung.
„Vor einigen Tagen“, begann der Ältliche, „waren einige Reisende hier. Gerade solche wie Ihr.“
„Das bezweifle ich. Aber du wirst sie ebenso ausgefragt haben wie uns.“
„Verzeiht, Herr, aber wenn es nicht so gewesen wäre, könnte ich Euch jetzt nichts erzählen.“
Er schaute nicht mehr umher, sondern erst auf meinen Geldbeutel am Gürtel und dann auf seine Hand.
„Wann war das?“, fragte ich ungerührt.
„Vor ein paar Tagen.“ Ein Blick auf den Beutel, ein Blick auf die Hand.
Ich überschlug Reiserouten und Tagesritte und nannte eine Zahl. Der Mann wurde rot und kurzatmig vor lauter Aufregung und Spannung.
„Dann gehört Ihr tatsächlich dazu!“, hauchte er. „Ihr jagt den Beduinenmörder!“
„Wer Beduinen tötet, wer irgendjemanden tötet, gehört gejagt!“
Er schaute mich schief an, als hätte ich ihm die seltsamste aller Weisheiten enthüllt. „Nein, Herr. Er hat keine Beduinen getötet. Er ist Beduine und hat viele Männer ermordet, anständige Kaufleute in Dauha, und deren Freunde suchen ihn nun, um gerechte Rache zu nehmen!“
Dauha!
Ich ahnte die schreckliche Bosheit, die abgefeimte Scharade!
Und ich sah, wie der Mann ärgerlich die Hand vor den Mund schlug, weil er mir etwas verraten hatte, wofür er doch erst Bakschisch hatte nehmen wollen. Ich zerrte eine Münze aus dem Beutel und packte seine Hand, drückte das Geldstück hinein, schloss seine bebenden Finger darum und hielt sein Handgelenk weiter in hartem Griff.
„Wen suchten die Männer genau?“, drängte ich.
„Eben einen Beduinen …“
„Der Name!“
Ich ahnte und hoffte zugleich.
„Halef von den Haddedihn!“, sagte der Mann, und ich spürte, wie meine Ahnung meine Hoffnung verhöhnte, was schreckliche Schauer von Hitze und Kälte gleichermaßen in mir aufwallen ließ.
Armer Halef, törichter Halef! Was hatte er in Dauha, im Augenblick des Triumphs über die Sklavenhändler, denn nur so unbedacht und stolz seinen Namen nennen müssen? Aber ach, er hatte nicht bedacht, dass man ihn auch bei diesem halben Selbstgespräch belauschen konnte! Oder vielmehr, dass der ohnmächtige Abu Kurbatsch Halefs Worte auch in seiner Besinnungslosigkeit vernommen hatte. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben. Und Abu Kurbatsch hatte sein Wissen mit den Seinen geteilt, denn ihn selbst hatten wir im Sandmeer der Rub al Chali, in das er uns gefolgt war, bei einem heimtückischen Angriff auf uns erschossen. Wie hätten wir damals ahnen können, dass unsere Taten in Dauha noch ein weiteres Nachspiel haben würden? Ich hatte geglaubt, dass die einzelnen Gruppen der Sklavenhändler einander im Konkurrenzkampf als Feinde betrachteten und der Verlust des einen der Gewinn des anderen war. Doch schien Abu Kurbatsch treue Gesellen zu haben, die nun seine Rache fortführen wollten.
Und nun nutzten diese Sklavenhändler das Wissen Abu Kurbatschs für ihre Verfolgung. Sie hatten nur einen Namen, doch sie waren klug genug, diesem auf die Spur zu kommen, indem sie nicht schlicht nach jenen Beduinen und ihren Weidegründen fragten, sondern eben vorgaben, einen Verbrecher zu jagen.
Jeder aufrechte Mann würde ihnen Auskunft geben, so er es denn vermochte, und er würde es noch einmal so eifrig tun, wenn er für seine ehrenvolle und nützliche Auskunft auch noch Bakschisch erhielt. Die Sklavenhändler hatten wohl ebenso reiche Barmittel wie wir dank der Börse des Lords. Es ernüchterte mich, zu erkennen, wie sehr das seelenlose Geld doch den einen wie den anderen hilft, den Guten wie den Bösen.
Und eine meiner Münzen steckte nun in der Faust des Ältlichen – ein geringer Preis für jene wichtige Erkenntnis. Und vielleicht würde ich noch mehr erfahren.
„Wie sahen die Männer aus?“, fragte ich weiter.
„Ich sagte doch bereits, Herr, nicht viel anders als Ihr.“
Welch Unsinn! Ein Scheik, ein Bedu, ein Deutscher und ein Brite, Letzterer in graues Karo gekleidet. Wie konnte eine Gruppe uns ähneln!
„Sprich keinen Unfug!“
Der Mann hob beteuernd die Hände, eine offen, eine geschlossen, mit der Münze darin. „Sie waren gut gekleidet, angemessen für die Reise und auch sehr entschlossen. Grimmig und wortkarg. Wie es sich für gute Menschen geziemt, die Verbrecher jagen!“
Diese Worte schmerzten mich, denn sie hielten mir einen Spiegel vor, in den ich besser nicht hatte schauen wollen, wenngleich ich den Anblick doch selbst geahnt hatte. „Wie viele waren es?“
„Vier, wie ihr! Und sie ähnelten euch! Einer war klein, einer dünn, und einer hatte den gleichen ehrfurchtsgebietenden Anschein wie der dritte Eurer Gefährten, etwas das ich selten sehe, aber sogleich erkenne! Aber der wichtigste Mann, der Anführer, der war so stark und kühn wie Ihr, wenngleich er schon Grau im Bart trug, während der Eure noch prächtig …“
„Schmeichle mir nicht!“
„Verzeiht, Herr!“
„Es waren also nur vier?“
„Vier in diesem Haus. Ob noch weitere bei ihnen waren, weiß ich nicht.“
„Sie waren also an besagtem Tag hier. Und reisten nach Norden.“
„Ja. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.“
Mehr würde ich also nicht erfahren.
„Gut. Dann teile dein Bakschisch gerecht mit deiner Frau dort hinten, aber halte dich künftig mit deiner Neugierde und deiner Rede zurück. Und bring uns das gewünschte Brot.“
Damit ließ ich ihn in dem schäbigen Hinterhof stehen und ging wieder hinein.
Meinen Gefährten sagte ich noch nichts von meiner neuen Kenntnis. Ich wollte sie vor dem Schlaf nicht aufwühlen. Und vor allem Halef nicht in Gewissensnöte bringen. Denn wie konnte ich ihn an seine törichte Prahlerei in Dauha erinnern, die vielleicht zum Angriff auf die Haddedihn geführt hatte, wenn ich doch nichts Genaues wusste? Gewiss suchten Vertraute von Abu Kurbatsch nach Halef und seinen Beduinen. Doch hatten sie diese bereits gefunden und erreicht? Selbst wenn ich berechnet hatte, dass dies möglich gewesen wäre, so vermochten vier Männer doch nicht das große Lager der Haddedihn so zu zerstören, wie wir es im Spiegelstein geschaut hatten. War es also doch der Angriff eines anderen Stammes gewesen? Die Haddedihn hatten in der Dschesireh einen guten Stand, ihrer Stammesgröße wegen, was davon rührte, dass sie die Ateibeh in sich aufgenommen hatten. Und so waren kleinere Stämme ihnen tributpflichtig. Diese mochten auch den Wohlstand neiden, den die Haddedihn mit ihrer Kamelwolle und vor allem der herausragenden