Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine
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und fiedelnd schreitet voraus.
„Es fiedelt und tänzelt und hüpfet,
und klappert mit seinem Gebein,
und nickt und nickt mit dem Schädel
unheimlich im Mondenschein.“
23 Ich stand in dunkeln Träumen
und starrte ihr Bildnis an,
und das geliebte Antlitz
heimlich zu leben begann.
Um ihre Lippen zog sich
ein Lächeln wunderbar,
und wie von Wehmutstränen
erglänzte ihr Augenpaar.
Auch meine Tränen flossen
mir von den Wangen herab —
und ach, ich kann es nicht glauben,
dass ich dich verloren hab!
24 Ich unglückselger Atlas! eine Welt,
die ganze Welt der Schmerzen, muss ich tragen,
ich trage Unerträgliches, und brechen
will mir das Herz im Leibe.
Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt!
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich
oder unendlich elend, stolzes Herz,
und jetzo bist du elend.
25 Die Jahre kommen und gehen,
Geschlechter steigen ins Grab,
doch nimmer vergeht die Liebe,
die ich im Herzen hab.
Nur einmal noch möcht ich dich sehen,
und sinken vor dir aufs Knie,
und sterbend zu dir sprechen:
Madame, ich liebe Sie!
26 Mir träumte: traurig schaute der Mond,
und traurig schienen die Sterne;
es trug mich zur Stadt, wo Liebchen wohnt,
viel hundert Meilen ferne.
Es hat mich zu ihrem Hause geführt,
ich küsste die Steine der Treppe,
die oft ihr kleiner Fuss berührt,
und ihres Kleides Schleppe.
Die Nacht war lang, die Nacht war kalt,
es waren so kalt die Steine;
es lugt’ aus dem Fenster die blasse Gestalt,
beleuchtet vom Mondenscheine.
27 Was will die einsame Träne?
Sie trübt mir ja den Blick.
Sie blieb aus alten Zeiten
in meinem Auge zurück.
Sie hatte viel leuchtende Schwestern,
die alle zerflossen sind,
mit meinen Qualen und Freuden,
zerflossen in Nacht und Wind.
Wie Nebel sind auch zerflossen
die blauen Sternelein,
die mir jene Freuden und Qualen
gelächelt ins Herz hinein.
Ach, meine Liebe selber
Zerfloss wie eitel Hauch!
Du alte, einsame Träne,
zerfliesse jetzunder auch.
28 Der bleiche, herbstliche Halbmond
lugt aus den Wolken heraus;
ganz einsam liegt auf dem Kirchhof
das stille Pfarrerhaus.
Die Mutter liest in der Bibel,
der Sohn, der starret ins Licht,
schlaftrunken dehnt sich die ältre,
die jüngere Tochter spricht:
Ach Gott, wie einem die Tage
langweilig hier vergehn!
Nur wenn sie Einen begraben,
bekommen wir etwas zu sehn.
Du irrst, es starben nur vier,
seit man deinen Vater begraben,
dort an der Kirchhofstür.
Die ältre Tochter gähnet:
Die Mutter spricht zwischen dem Lesen:
Ich will nicht verhungern bei euch,
ich gehe morgen zum Grafen,
und der ist verliebt und reich.
Der Sohn bricht aus in Lachen:
Drei Jäger zechen im Stern,
die machen Gold und lehren
mir das Geheimnis gern.
Die Mutter wirft ihm die Bibel
ins magre Gesicht hinein:
So willst du, Gottverfluchter,
ein Strassenräuber sein!
Sie hören pochen ans Fenster,
Und sehen eine winkende Hand;
der tote Vater steht draussen
im schwarzen Predgergewand.
29 Das ist ein schlechtes Wetter,
es regnet und stürmt und schneit;
ich sitze am Fenster und schaue
hinaus