Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann

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Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel - Nadine Erdmann Die Totenbändiger - Die gesamte Staffel

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und er erholt sich wieder. Reißen wir die Energie aber schnell und komplett aus ihm heraus, stirbt er. Meistens sieht es dann wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall aus.«

      »Aber das passiert nicht einfach so«, stellte Gabriel sicherheitshalber klar. »Wenn ein Totenbändiger jemanden töten will, muss er sich dazu genauso entscheiden wie jeder andere Mensch. Der einzige Unterschied ist, dass wir keine Waffen brauchen, um jemanden umzubringen.«

      Abwinkend wischte Pratt seinen Einwurf beiseite. »Ich weiß, dass ihr nicht unberechenbar seid. Jedenfalls nicht mehr als andere Menschen. Wenn jemand aus Wut die Kontrolle verliert und einen anderen erwürgt oder vor einen Bus stößt, braucht er dazu auch nicht mehr als seine Hände.«

      »Exakt.« Ein Grund, warum Gabriel seinen Boss mochte, war dessen pragmatische Sicht auf die Welt.

      »Was mich viel mehr interessiert ist, was passiert mit der Lebensenergie, die ihr nehmt?«

      »Sie macht uns stärker. Schneller. Wacher und aufmerksamer. Es ist wie ein ungeheurer Adrenalinschub, dessen Dauer und Stärke davon abhängt, wie viel Energie des anderen wir in uns aufgenommen haben.«

      Pratt musterte ihn scharfsinnig. »So wie du das beschreibst, hast du das also schon mal gemacht.«

      »Natürlich. Unsere Mutter hat uns beigebracht, wie unsere Kräfte funktionieren. Sie hat uns fühlen lassen, wie es ist, Energie in uns aufzunehmen. Und genauso, wie es ist, unserer Energie beraubt zu werden.«

      Pratt sah zwischen ihm und Sky hin und her. »Das heißt, ihr habt euch gegenseitig eure Lebensenergie genommen?«

      »Auch.« Gabriel hob die Schultern. »Aber im Prinzip war jeder in unserer Familie mal Versuchskaninchen. Auch unser Vater und unsere Großmutter. Die sind beide keine Totenbändiger, deshalb fühlt es sich bei ihnen anders an. Auch den Unterschied mussten wir lernen.«

      »Und wir können ja nicht nur Energie nehmen«, sagte Sky. »Wir können sie auch geben. Das übersehen die meisten Leute nur gerne, weil sie zu viel Angst vor uns haben. Unsere Mutter hat bei ihrem Job im Krankenhaus schon zig Leuten das Leben gerettet. Eigentlich müsste sie als Wächterin dort nur die Geister der Verstorbenen bändigen, um Patienten, Klinikpersonal und Besucher vor Übergriffen zu schützen. Aber wenn Menschen nach Operationen zu schwach sind oder Babys zu früh geboren werden und die Gefahr besteht, dass sie sterben könnten, hilft sie immer und schenkt ihnen Energie, damit sie es schaffen.«

      »Und auf ein Danke wartet sie meist vergebens«, schob Gabriel grollend hinterher. »Nicht, dass sie eins erwarten würde. Mum erwartet keine Gegenleistung. Sie rettet Leben, weil sie nicht anders kann. In ihren Augen wäre es verwerflich, ihre Kräfte nicht einzusetzen, wenn sie damit helfen kann. Doch statt das wertzuschätzen und ihr auf Knien dafür zu danken, wird sie von Angehörigen oft beschimpft, bedroht und aus dem Zimmer geworfen. Und sie kann froh sein, wenn man sie dann nicht auch noch beschuldigt, wenn der Patient es doch nicht schafft und stirbt.«

      Pratt seufzte vernehmlich. »Das tut mir sehr leid. Eure Mutter scheint eine sehr starke Frau zu sein.«

      »Ja, das ist sie. Und zum Glück steht die Leitung ihrer Klinik uneingeschränkt hinter ihr.«

      Pratt nickte zufrieden. »Das ist gut.« Er bedachte seine beiden Totenbändiger mit einem vielsagenden Blick. »Und ich hoffe, ihr zwei wisst, dass für mich in eurem Fall das Gleiche gilt.«

      Sky lächelte. »Ja, das wissen wir. Danke, Sir.«

      Pratt schüttelte den Kopf. »Dafür müsst ihr euch nicht bedanken. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber daran müssen wir in dieser Stadt wohl leider noch arbeiten.«

      Er verzog kurz das Gesicht, wandte sich dann aber wieder den Fotos vom Massengrab unter Golders Hill zu und kehrte zu ihrem Fall zurück.

      »Sie haben gesagt, dass es damals ein Opfer gab, das dieses Massaker überlebt hat«, sagte er an Thaddeus gewandt. »Konnte es keine Aussage dazu machen, von wem er in diesen Keller verschleppt worden war und wer versucht hat, seine Kehle durchzuschneiden? Oder war es eine sie, die überlebt hat?«

      Thad schüttelte den Kopf. »Nein. Es war ein er. Aber es war keines dieser Opfer, das überlebt hat. Es war eins der Kinder.«

      Er erzählte seinem Vorgesetzten, wie er den kleinen Jungen in der Holzkiste zunächst für tot gehalten, dann aber gemerkt hatte, dass er nur bewusstlos war.

      »Nach Absprache mit meinem damaligen Boss, Commander Hugo Oswald, hielten wir das Überleben des Jungen geheim. Er bekam eine neue Identität und wuchs bei Freunden von mir auf, die bereits zwei andere Totenbändigerkinder bei sich aufgenommen hatten.«

      Pratt blickte zu Gabriel und Sky, als ihn bei Thads Worten die Erkenntnis traf. »Der Junge lebt in eurer Familie.«

      Die beiden nickten.

      »Er ist unser Bruder«, bestätigte Gabriel. »Unsere Eltern haben ihn als Pflegekind aufgenommen.«

      »Und er konnte sich damals an nichts aus der Nacht erinnern?«

      Sky schüttelte den Kopf. »Er war erst drei oder vier Jahre alt, als Thad ihn zu uns gebracht hat. Und er war völlig verängstigt und traumatisiert. Er konnte uns nicht mal sagen, wie er heißt. Er hat ohnehin kaum gesprochen und es hat ewig gedauert, bis er angefangen hat, uns zu vertrauen. Als er endlich mit uns gesprochen hat, schien es so, als hätte er alle Erinnerungen an die Nacht des Massakers und auch an alles, was davor mit ihm passiert war, aus seinem Gedächtnis gelöscht.«

      Pratt schwieg einen Moment. »Bei allem, was er vermutlich durchmachen musste, ist das für ihn sicher auch ein Segen«, meinte er dann mit einem tiefen Seufzen und fügte Richtung Sky und Gabriel hinzu: »Ich kann verstehen, warum der Leichenfund unter Golders Hill deshalb für euch von besonderem Interesse ist. Aber können die Fälle wirklich zusammenhängen? Außer den durchgeschnittenen Kehlen sehe ich im Moment noch keine Parallelen. Oder gab es im Tunnel auch Kisten mit toten Kindern? Oder Kinderleichen zwischen den Toten?«

      »Nein«, gab Gabriel zu. »Zum Glück nicht.«

      »Aber die Anzahl der Toten ist auffällig«, schaltete Connor sich wieder ins Gespräch ein. »Es sind in beiden Fällen achtundsiebzig – wenn man in dem Fall vor dreizehn Jahren die Totenbändigerkinder sowie die drei Jugendlichen außen vor lässt, die außerhalb des Kellers gefunden wurden. Die drei wurden vermutlich nur getötet, weil sie den Täter bei seinem Massaker im Keller überrascht haben. Laut ihren Eltern waren sie ständig auf der Suche nach Abenteuern und neuen Kicks. Wahrscheinlich wollten sie die Unheilige Nacht in einem gruseligen Haus verbringen und haben sich dafür einfach das falsche ausgesucht.«

      Pratt nickte zustimmend. »Ich werde mir den Bericht dazu nachher noch genauer ansehen, aber das klingt schlüssig. Die Kids waren zur falschen Zeit am falschen Ort.«

      »Genau. Und der Täter hat sie getötet, um sie als Zeugen zu beseitigen.«

      »Gut. Dann haben wir also damals wie heute achtundsiebzig Hauptopfer mit durchgeschnittenen Kehlen. Hatte man den Opfern damals auch die Schädel eingeschlagen und die Körper aufgeschlitzt?«

      Thaddeus verneinte.

      Pratt runzelte die Stirn. »Welche Gemeinsamkeiten gibt es dann sonst noch?«

      Gabriel sah zu Thad. »Die Opfer damals waren Obdachlose

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