ACT in Klinik und Tagesklinik. Группа авторов

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ACT in Klinik und Tagesklinik - Группа авторов

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und Patienten nicht »richtig mitmachen« wollen und dann anfängt zu argumentieren oder auf die Regeln zu pochen. Da dies aber nach ihrer Erfahrung oft zum Gegenteil des gewünschten Erfolgs führt, versucht sie, sobald sie dieses Verhalten bemerkt, bewusst einen »inneren Schritt zurück zu treten«, die Situation der Patientin oder des Patienten zu validieren und zu signalisieren, dass die Entscheidungsfreiheit bei ihr oder ihm liegt.

      Schwester K.: Guten Tag, Herr L., willkommen auf unserer Station.

      Herr L.: Ja, guten Tag.

      Schwester K.: Sie sind zum ersten Mal hier bei uns?

      Herr L.: (einsilbig) Ja.

      Schwester K.: Ist es okay, wenn wir beide erstmal zusammen den Aufnahmebogen ausfüllen und dann zeige ich ihnen die Station?

      Herr L.: Ich weiß nicht. Ich fühle mich zu nichts imstande. Kann ich mich nicht irgendwo hinlegen?

      Schwester K. (Nimmt wahr, dass Ärger in ihr aufsteigt, sie diesen wieder loswerden will und dass sie den Impuls hat, Herrn L. streng zu sagen, dass der Bogen jetzt gleich ausgefüllt werden müsse. Ihre Erfahrung sagt ihr gleichzeitig, dass diese Reaktion sie ggf. von dem wegführt, was ihr in ihrer beruflichen Tätigkeit wichtig ist (etwa dem Wert, »hilfreich und wirksam sein«). Sie entscheidet sich deshalb bewusst dafür, zunächst den Kontakt zum Patienten zu verbessern. Dies gelingt oft z. B. durch Perspektivübernahme im Sinne einer validierenden Rückmeldung): Herr L., ich sehe, dass ihnen dies hier sehr schwerfällt. Es muss eine große Überwindung für sie sein, überhaupt hierher zu kommen.

      Herr L.: Das können sie wohl glauben.

      Schwester K.: Davor habe ich wirklich großen Respekt. Was hat ihnen denn geholfen, sich zu überwinden und trotz dieser Erschöpfung hier in Behandlung zu kommen?

      Herr L.: Das weiß ich selber nicht. Ich glaube nicht wirklich, dass sie mir hier helfen können.

      Schwester K.: Wenn ich mich in ihre Lage versetze, so fühlt sich das bestimmt sehr schlimm an, nicht zu wissen, was mich eigentlich hierher bewegt und auch nicht zu glauben, dass es Hilfe gibt.

      Herr L. schaut überrascht, wirkt aber berührt und nickt.

      Schwester K.: Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?

      Herr L. nickt erneut.

      Schwester K.: Mir ist es wichtig, dass wir ihnen hier so gut wie möglich helfen. Auch wenn das bedeutet, dass wir erst einmal genau schauen müssen, wohin es eigentlich gehen soll, weil sie es selbst im Moment gar nicht mehr wissen. (Pause, der Patient hat Zeit zum Nachdenken, fühlt sich nicht überrumpelt!) Ich sehe auch, dass ihnen vieles sehr schwerfällt. Mein Vorschlag ist deshalb: lassen sie uns beide erst einmal mit dem Fragebogen anfangen. Das ist ein erster Schritt und wir schauen, wie weit wir kommen. Und sie signalisieren mir, wenn sie eine Pause brauchen, okay?

      4.2.2 Die (erste) Visite

      Wenn die erste Visite einer neu aufgenommenen Patientin oder eines Patienten von einer positiven Grundstimmung und einer engagierten Arbeitsatmosphäre geprägt ist, werden die Weichen in Richtung einer erfolgreichen Behandlung gestellt. Nur ist dies leider keineswegs immer der Fall. Oft werden in der ersten Visite z. B. Zweifel geäußert, ob der Schritt zu einer (teil-)stationären Behandlung wirklich richtig war oder ob die Klinik, Abteilung oder Station überhaupt die Geeignete sei. Im Behandlungsteam kann dies unterschiedlichste (innere) Ereignisse im Sinne von Gedanken und Gefühlen etc. auslösen: Menschen – in diesem Fall Behandlerinnen und Behandler – fühlen sich z. B. gekränkt, dass jemand die Vorzüge der angebotenen Behandlung nicht sieht, fühlen sich nicht gewürdigt und gesehen in ihrem Engagement zum Wohle der Patientinnen und Patienten oder fühlen Resignation und denken den Gedanken: »Wenn das schon so losgeht, kann das ja nichts werden« usw. Auch hier hilft es für das Gelingen der konkreten Beziehungsgestaltung und der Behandlung insgesamt sehr, sich dieser eigenen Gedanken und Gefühle im Hier und Jetzt bewusst zu werden, inne zu halten und ein entsprechend hilfreiches, wert-orientiertes Vorgehen zu wählen. Dazu können wiederum die vier ACT-Fragen aus Kap. 4.2.1. hilfreich angewandt werden (image Kap. 4.2.1).

      Aus der klinischen Erfahrung hat es sich zudem hilfreich gezeigt, ganz bewusst den eigenen »Normwert« zu überprüfen und ggf. zu adjustieren: initiale Zweifel der Patientinnen und Patienten an der Behandlung und am klinischen Setting sind so häufig, dass man sie als »Normwert« ansehen kann, selbst wenn es dem eigenen Anspruch, Wunsch oder Selbstbild (vgl. Selbst-als-Kontext) widerspricht. Hierzu gehört, Gedanken wie »Die Patientin muss doch unsere Behandlung als große Chance für sich wahrnehmen« bewusst wahrzunehmen (vgl. Hier und Jetzt), Abstand zu dem Gedanken zu gewinnen (vgl. Defusion) und anzuerkennen, dass Patientinnen und Patienten an unserer Therapie zweifeln dürfen, auch wenn dies in uns unliebsame Gefühle oder Gedanken hervorruft (vgl. Akzeptanz). Dies ermöglicht, gelassener mit dieser Art Situationen umzugehen und uns auf das zu fokussieren, was uns und den Patientinnen und Patienten für die Behandlung wichtig ist (vgl. Werte) und gemeinsam in diesem Sinne zu handeln (vgl. Engagiertes Handeln) – von Anfang an »gemeinsam in einem Boot« zu sitzen.

      Letzterer Aspekt ist eine besonders wichtige Komponente der ersten Visite bzw. der ersten Kontakte, nämlich die Verknüpfung der Behandlung mit handlungsleitenden Werten, d. h.: Was ist mir im Leben so wichtig, dass ich diese Behandlung und alles, was damit zusammenhängt, auf mich nehme? Selbst oder gerade wenn diese individuellen Werte – wie oft bei schweren psychischen Erkrankungen – zunächst nicht spürbar und präsent sind, ist es von großer Bedeutung für die anstehende Behandlung, die persönlichen Werte der Person von Beginn an zu fokussieren und zur Sprache zu bringen, da dies den Perspektivwechsel von einer Symptombeseitigung (vgl. Vermeidungsziel/Weg-Bewegungen) hin zu Vitalität und Lebenssinn (vgl. Annäherungsziel/Hin-Bewegungen) unterstützt.

      Praktisches Beispiel

      Die Patientin Frau H. (58 J.) erscheint zur ersten Visite bei Frau Dr. M., Frau H. ist wegen wiederkehrender Panikattacken in Behandlung gekommen. Die Attacken werden durch Brustschmerzen ausgelöst, die mit Ängsten verbunden sind, an einem Herzinfarkt zu sterben. Wegen der Heftigkeit der Panikattacken traut sich Frau H. seit einem Jahr nicht mehr, das Haus zu verlassen.

      Dr. M.: Guten Morgen Frau H., was ist Ihnen wichtig, heute mit mir in der Visite zu besprechen?

      Frau H.: Ach wissen Sie, ich weiß gar nicht so richtig… Ich bin ja jetzt schon den zweiten Tag hier und ich frage mich immer mehr, ob ich hier eigentlich richtig bin. Was soll mir das denn bringen?

      Dr. M.: Das sind ja sehr wichtige Fragen, die Sie da beschäftigen. Gut, dass Sie die auch jetzt und hier ansprechen.

      Frau H. nickt abwesend und knüllt mit verkrampften Händen ein Taschentuch zusammen.

      Dr. M. (Nimmt wahr, dass die Patientin in ihrer Anspannung gar keinen richtigen Kontakt zum Gegenüber aufnimmt und entschließt sich deshalb, zunächst den ACT-Prozess »Präsent sein im Hier und Jetzt« zu adressieren): Diese Fragen werden wir gern gleich besprechen. Im Moment bemerke ich aber auch, dass Sie ziemlich angespannt scheinen. Können Sie mir denn sagen, wie es Ihnen gerade jetzt in diesem Moment geht?

      Frau H.(scheint überrascht): Ja tatsächlich, ich krieg gar nicht so richtig Luft und meine Schultern sind auch total verspannt.

      Dr. M.: Das kennen Sie sicher gut? Darf ich Ihnen etwas vorschlagen? (Frau H.

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