Mehrsprachigkeit und das Politische. Группа авторов

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wurden und somit für diese alten Texte eine zweite Welle der Rezeption aufkam.

      In der aktuellen literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschung fehlt der Konsens darüber, wie die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur zu bestimmen ist. Traditionell werden estnischeEstland/Estoniaestnisch, lettischeLettland/Latvialettisch und deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur getrennt betrachtet, wobei vor allem die Sprache (vgl. Hasselblatt 2006: 3), aber auch die Herkunft der Autoren und Autorinnen sowie die behandelten Themen von Bedeutung sind (Wilpert 2005: 16). Diese sprachliche Abgrenzung wird jedoch der kulturellen und sprachlichen Vielfalt der in der Region geschriebenen literarischen Texte nicht gerecht. Jaan Undusk (2011: 561–562) macht darauf aufmerksam, dass die estnischeEstland/Estoniaestnisch und lettischeLettland/Latvialettisch Literatur bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine eigenen Literaturen bildeten, sondern als Peripherie der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur funktionierten. Diese Peripherie beeinflusste rückwirkend das Zentrum, wobei u.a. das mehrsprachigeMehrsprachigkeitmehrsprachig Schreiben eine bedeutende Rolle spielte. Ebenso kann man vermuten, dass die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur wegen der ethnischenEthnieethnisch Mischung der Bevölkerung, gesellschaftlichen und sprachlichen Kontakte, kulturellen Prozesse und Zugehörigkeit der Gebiete zu verschiedenen Mächten in einem mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig und transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Kontext entstand. Neben der deutschbaltischen VarietätDeutschbaltendeutschbaltische Varietät wurden auch finno-ugrischefinno-ugrisch und baltische Sprachen sowie je nach der kulturell-politischen Lage unter anderem auch LateinLatein, PolnischPolenPolnisch/Polish, SchwedischSchwedenSchwedisch, RussischRusslandRussisch/Russian, FranzösischFrankreichFranzösisch verwendet. Der Einfluss dieser sprachlichen Situation auf die Literatur ist jedoch bisher nur am Rande erforscht worden (Wilpert 2005: 16).

      Die Frage nach dem Einfluss der beschriebenen sprachlichen Vielfalt auf die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Anliegen eines Projekts von Tallinner Germanistikstudierenden unter der Leitung von Maris Saagpakk, aus dem der vorliegende Beitrag hervorgegangen ist. Am Projekt haben Studierende aus unterschiedlichen Studienjahren teilgenommen. Zwei der Studierenden (Mart Vinnal, Liisbet Erepuu) haben ihre Seminararbeiten zu diesem Thema geschrieben und sind dann aus dem Projekt ausgestiegen,1 drei (Marin Jänes, Annika Saar, Marianne Laura Saar) haben die Arbeit unter Betreuung von Maris Saagpakk fortgesetzt. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausarbeitung des Beitrags wurde von Marin Jänes ausgeführt.

      Der Fokus des Projekts lag darauf, in welchen Formen die MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in der Literatur weitergegeben wird, welche Funktionen die Mehrsprachigkeit in den Werken hat und welche Schlussfolgerungen für die sprachlichen, kulturellen und sozialen Differenzen im historischenhistorisch BaltikumBaltikum daraus gezogen werden können. Lawrence Alan Rosenwalds Satz: „literature can teach us something about linguistic history“ (2008: xi) diente dabei als Arbeitshypothese. Neben der Analyse der literarischen Primärtexte wurde auch die Mehrsprachigkeit in den ÜbersetzungenÜbersetzung/translation der analysierten Texte ins EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, die seit 1991 erschienen sind, in Betracht gezogen. Darüber hinaus hat die Gruppe ihre persönlichen Mehrsprachigkeitsprofile analysiert, um die eigenen Verwendungsformen und -kontexte sowie die allgemeinen sprachlichen, kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen der Mehrsprachigkeit besser zu verstehen. Auf die Analyse der ÜbersetzungenÜbersetzung/translation sowie die didaktische Einbettung und Lerneffekte des Projekts wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Der vorliegende Artikel präsentiert die Ergebnisse der studentischen Recherche und stellt sie in den Kontext der Forschungslage zur deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur und Kultur.

      2 Soziokulturelle und sprachliche Rahmenbedingungen der analysierten Werke

      Für den vorliegenden Beitrag wurden drei Werke der deutschbaltischenDeutschbaltendeutschbaltisch Literatur ausgewählt, die Informationen zu den früheren Sprachsituationen in den Gebieten des heutigen EstlandsEstland/Estonia liefern – Mein Onkel Hermann von Monika HunniusHunnius, Monika (1921), Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten von Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (1934) und Der Henker von Edzard SchaperSchaper, Edzard (1940). Obwohl alle drei analysierten Werke in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen sind, deckt die Handlungszeit sowie die Schreibzeit der Werke mehr als ein Jahrhundert ab. Die kulturellen Rahmenbedingungen und die jeweilige politischePolitik/politicspolitisch/political Lage, wie auch die aktuell gültigen Sprachsituationen und -hierarchien1 während des Schreibens und der dargestellten Handlung waren somit bei allen Werken verschieden.

      2.1 Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von und die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts

      Die im Jahre 1934 in Leipzig erschienenen Briefe eines baltischenBaltikumBaltisch Idealisten wurden erst Jahrzehnte nach dem Tod des Autors von Johannes WernerWerner, Johannes herausgegeben. Das Werk enthält die Briefe des Schriftstellers, Arztes, Ethnologen und Journalisten Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (1808 Tallinn [damals Reval] – 1875 Wien). Die in der Sammlung publizierten privaten Briefe Schultz-Bertrams an seine Mutter und seinen engen Freundeskreis stammen aus den Jahren 1833–1875.

      Die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts war sowohl politischPolitik/politicspolitisch/political als auch kulturell turbulent. Wie vielerorts in Mittel- und OsteuropaOsteuropa kam es in der estnischsprachigen Bevölkerung zu einem Erwachen des Nationalgefühls, wobei die deutschbaltischeDeutschbaltendeutschbaltisch MinderheitMinderheit anfangs eine unterstützende Rolle spielte. EstlandEstland/Estonia gehörte seit Anfang des 18. Jahrhunderts zum russischenRusslandrussisch Zarenreich, aber die DeutschbaltenDeutschbalten hatten ständische Sonderrechte und baltische Provinzen genossen eine politischePolitik/politicspolitisch/political Autonomie. Für die sprachliche Situation bedeutete diese Zeit einen etwas stärkeren Kontakt zur russischenRusslandrussisch Sprache, aber DeutschDeutschlandDeutsch als Sprache der Verwaltung, höherer Bildung und Wissenschaft blieb an erster Stelle der Sprachhierarchie und die ständische Teilung der Sprachen – DeutschDeutschlandDeutsch als Sprache der Oberschicht und oberen Mittelschicht und EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian als Sprache der unteren Bevölkerungsschicht – blieb bestehen (vgl. Hennoste 1997: 55).

      Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von gehörte zu den estophilen DeutschbaltenDeutschbalten, die der Idee von Johann Gottfried HerderHerder, Johann Gottfried folgten, dass die Trennung zwischen ‚barbarischen‘ und ‚kultivierten‘ Völkern aufgehoben gehört. Er nahm aktiv an den Diskussionen über die Stellung der estnischenEstland/Estoniaestnisch Sprache und Kultur teil (vgl. Saagpakk 2015: 106) und befürwortete, dass die Esten „auf dem natürlichen Entwickelungsgange aus sich selbst einem erhöhten Selbstbewußtsein, einem nationalenNationnational Gefühl und dadurch einer höheren Bildung“ entgegengeführt werden sollten (Schultz 1860: 433). Während seiner Lebenszeit übernahmen nationaleNationnational Aktivisten estnischer Herkunft selbst die Entwicklung der estnischenEstland/Estoniaestnisch Kultur und nahmen diese damit den DeutschbaltenDeutschbalten aus der Hand.

      2.2 Monika HunniusHunnius, Monika und ihr Rückblick auf EstlandEstland/Estonia in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

      Der autobiographischeBiographiebiographisch Roman Mein Onkel Hermann von Monika HunniusHunnius, Monika erschien im Jahre 1921 in Heilbronn. Die Schriftstellerin, Sängerin und Gesangslehrerin Monika Adele Elisabeth Hunnius (1858 Riga – 1934 Riga) lebte ihre ersten zehn Lebensjahre in EstlandEstland/Estonia. Danach war sie vor allem in Riga ansässig, wo sie auch den Ersten WeltkriegWeltkriegErster Weltkrieg erlebte. Eine kurze Periode verbrachte sie danach in DeutschlandDeutschland (vgl. Bender/Peekmann 2019: 46), während der sie zu schreiben begann und der analysierte Roman erschien.

      Im Roman erinnert sie sich an die Sommer ihrer Jugendzeit in Paide (Weißenstein) bei Carl Hermann HesseHesse,

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