Mehrsprachigkeit und das Politische. Группа авторов

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BilingualismusbilingualBilingualismus kam und kommt im Alltag zwar vor (siehe Verschik 2005; Verschik-Bone 2018), ExophonieExophonie gibt es in der Literatur trotzdem nur vereinzelt.

      4 ExophonieExophonie der heutigen Literatur(en) EstlandsEstland/Estonia

      Von den Fällen der ExophonieExophonie in der zeitgenössischen estnischenEstland/Estoniaestnisch Literatur hängt keiner mit der deutschenDeutschlanddeutsch Sprache zusammen. Paradoxerweise hat das Ereignis, das man gemeinhin mit der Absicht DeutschlandsDeutschland, OsteuropaOsteuropa sowohl politischPolitik/politicspolitisch/political als auch kulturell und sprachlich zu unterwerfen, assoziiert, die UmsiedlungUmsiedlung (fast) aller DeutschbaltenDeutschbalten 1939 (und 1941) aus dem BaltikumBaltikum „heim ins Reich“, mehr oder weniger abrupt und wohl auch unwiederbringlich die estnisch/lettisch-deutscheLettland/Latvialettisch-deutsch ZweisprachigkeitZweisprachigkeit beendet. Jenes Ereignis hat innerhalb kürzester Zeit die deutscheDeutschlanddeutsch Sprache ihres bisherigen kaum umstrittenen Status als erster FremdspracheFremdsprache und erster Wissenschaftssprache der baltischenBaltikumBaltisch Region beraubt.

      Im heutigen EstlandEstland/Estonia kann es in folgenden Fällen zu ZweisprachigkeitZweisprachigkeit kommen: Die möglichen Sprachpaare sind EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und EnglischEnglisch/English, EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und RussischRusslandRussisch/Russian, EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian StandardspracheStandard und lokale MundartenDialekt/Mundart (Setukesisch, Werro-, Mulgi-, Kihnuestnisch usw.). DeutschDeutschlandDeutsch wird in den Literaturen des BaltikumsBaltikum heutzutage nicht mehr verwendet (allenfalls als Stilmittel (Lokalkolorit) in historischenhistorisch Romanen und Erzählungen, z.B. von Jaan KrossKross, Jaan (1920–2007); oder Mati UntUnt, Mati (1944–2005) in seinem estnischsprachigen Brecht-Roman, der den deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig Titel hat: Brecht bricht ein in der Nacht (1997).

      In welcher Form (textintern, autorintern, sprachintern) äußert sich also ZweisprachigkeitZweisprachigkeit in der zeitgenössischen estnischenEstland/Estoniaestnisch Literatur? Obwohl der sprachinterne BilingualismusbilingualBilingualismus inzwischen aufs Neue ein alltägliches Phänomen geworden ist (in der estnischenEstland/Estoniaestnisch Umgangssprache vor allem jüngerer Leute wimmelt es von Elementen aus dem EnglischenEnglisch/English, die Umgangssprache der Russen EstlandsEstland/Estonia kommt aber darüber hinaus, so scheint es, nicht mehr ohne estnischeEstland/Estoniaestnisch Worte aus), trifft man diese Art von Zweisprachigkeit in der Literatur eher selten an.

      Auch textinterne ExophonieExophonie ist eine seltene Erscheinung und lässt sich an unerwarteten Orten entdecken, z.B. in der Lyrik von Øyvind RangøyRangøy, Øyvind, eines Norwegers, der in EstlandEstland/Estonia seine Wahlheimat gefunden und angefangen hat, auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian zu dichten.1 Sein Gedicht „Kodeveksling. Koodivahetus“ (Rangøy 2019) ist zweisprachigZweisprachigkeitzweisprachig:

      Eg er norsk. I det er eg heime, slik ein er heime som legg frå seg

      Sekken. Ser at bislaget er der som før, med lukter av barndom.

      At kjeledressen er min no, for nokon er død. Olen eesti keeles ka

      olemas.

      Kui õunapuule poogitud pihlakaoks. Kunagine teine puu on

      Praegu minugi väikeste õunte mahlas. Lugu, mis kunagi kaugel

      Mere ja okastraadi taga vaid virvendas, on nüüd ka minu. [---]

      Am häufigsten kommt die (autorinterne) ExophonieExophonie in der Literatur EstlandsEstland/Estonia vor und es lassen sich folgende Fälle unterscheiden:

      1 ExophonieExophonie zwischen EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und EnglischEnglisch/English (estnischer Autor fängt auf EnglischEnglisch/English zu schreiben an). Das hat weniger mit der persönlichen IdentitätIdentität/identity bzw. einem sprachlichen Hintergrund des Autors zu tun, vielmehr ist hier wohl von einem Versuch auszugehen, auf diese Art und Weise ein breiteres, internationales Publikum zu erreichen. Unter Liederautoren in der estnischenEstland/Estoniaestnisch Popmusik ist das seit den 1990er Jahren schon fast ein Normalfall.

      2 RussischRusslandRussisch/Russian-estnischeEstland/Estoniaestnisch ExophonieExophonie wird vertreten von estnisch-russischenRusslandrussisch AutorInnen, die gelegentlich auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian schreiben. Das kommt immer noch eher selten vor. Die Literatur der Russen EstlandsEstland/Estonia ist meistens in russischerRusslandrussisch Sprache geschrieben. Eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, wäre Igor KotjuhKotjuh, Igor, der seine Texte vorwiegend auf RussischRusslandRussisch/Russian schreibt, im Jahre 2007 aber auch einen estnischsprachigen Gedichtband Teises keeles (In einer anderen/zweiten Sprache) herausgebracht hat.In einer anderen Sprache1.Es gibt die MutterspracheMuttersprache/mother tongueund eine andere Sprache.Aber der Menschist derselbe.2.Es gibt das Lebenund die Dichtung.Jeder Dichter ist ein Mensch,nicht andersherum.3.Man kann eine andereSprache beherrschenim Leben oder in der Dichtung,von Geburt anoder danach.Dennoch wird diese Sprachefür ihn eine ewig andere bleiben.(KotjuhKotjuh, Igor 2007: 31–33.)Versuch einer SelbstbestimmungSich den Esten zurechnen — mit RussischRusslandRussisch/Russian als MutterspracheMuttersprache/mother tongue.Sich den Russen zurechnen — das Temperament stimmt nicht.Sich einen Europäer nennen — ein Vorrecht Auserwählter.Oder einen Weltbürger — zu abstrakt.Man muss schlicht und einfach ein Mensch sein.Wird das wohl verstanden?(KotjuhKotjuh, Igor 2007: 30.2)Seltener gibt es AutorInnen mit estnischenEstland/Estoniaestnisch Wurzeln, die angefangen haben, auf RussischRusslandRussisch/Russian zu schreiben. Einer von ihnen ist Priit ParmaksonParmakson, Priit, dessen literarisches Werk im Grenzgebiet von Sprachen (RussischRusslandRussisch/Russian, EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, EnglischEnglisch/English) und Kunstsprachen (Literatur, visuelle Künste, z.B. Graphik) entsteht. Seine MutterspracheMuttersprache/mother tongue ist EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, aber auf RussischRusslandRussisch/Russian zu schreiben hat er angefangen als ideologischeIdeologieideologisch Geste nach den Ereignissen um den Bronzenen Soldaten (das umstrittene Denkmal für die im Zweiten WeltkriegWeltkriegZweiter Weltkrieg gefallenen Soldaten der roten Armee in Tallinn, das von der estnischenEstland/Estoniaestnisch Seite als Symbol der Annektierung EstlandsEstland/Estonia, von der russischenRusslandrussisch Seite als das Symbol der Befreiung angesehen wird) im Jahre 2007.

      3 Drittens kann das Phänomen der ExophonieExophonie im Zusammenhang mit der sogenannten Mundartenliteratur (vor allem auf Werroestnisch, Setukesisch) behandelt werden. EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian ist für die meisten estnischenEstland/Estoniaestnisch SchriftstellerInnen heutzutage zwar die erste SchriftspracheSchriftSchriftsprache, eine MundartDialekt/Mundart hingegen (bzw. eine lokale Sprache) lernt man in der Funktion einer SchriftspracheSchriftSchriftsprache erst nach dem Erwerb der normierten estnischenEstland/Estoniaestnisch Sprache kennen und danach gegebenenfalls auch als LiteraturspracheLiteratursprache zu verwenden, da die einheitliche Schulbildung in EstlandEstland/Estonia (seit etwa 100 Jahren überall) nur auf Schriftestnisch stattfindet. Die Zahl der AutorInnen, die nur auf Werroestnisch und Setukesisch und nicht in estnischer StandardspracheStandard schreiben, ist heute dennoch relativ groß (Kauksi ÜlleÜlle, Kauksi, Merca, Andreas KalkunKalkun, Andreas u.a.).

      4 Dass ein Nichtmuttersprachler sich des EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian als dichterischer Sprache bedient, kommt selten vor. Eine Ausnahme ist die Lyrik des schon erwähnten Øyvind RangøyRangøy, Øyvind, in der er auch seine exophoneExophonieexophon/exophonic Situation reflektiert:Außerhalb der SpracheWurzeln schlagen in einer anderen Sprache ist ein In-die-Ehe-Treten in umgekehrter Richtung: man wird zwei Fleisch, zwei Seelen. Der Gang der Dinge ist unter Umständen schmerzhaft, wunderbar und unvermeidlich. Innerlich sich zweiteilen ist ein erstaunlich schneller Prozess.Wer bin ich außerhalb der Sprache? Einer jener Steine, die die Eltern meiner Eltern zum Schutz der Beerensträucher aufeinandergestapelt haben? Der Lichteinfallswinkel auf der Meeresoberfläche? Überhaupt irgend

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