Mehrsprachigkeit und das Politische. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mehrsprachigkeit und das Politische - Группа авторов страница 14

Mehrsprachigkeit und das Politische - Группа авторов

Скачать книгу

nehmt tas Wuchs mit lange Wanz

      Und pannt tas wor tas Saan4;

      Tann nehmt’ ich meine Mütz und Ans

      Und wangt’ su jagen an;

      Und nu katsait turch Tuchk und Tolm’5

      Ich tuhhat neljad6 wort.

      Und wie tas Wind war üks, kaks, kolm7

      Ich an tas Tell und Ort.

      Vart’, tenkt ich, willst toch machen Paß

      Mit oberpalse Wreind!

      Tu willst ihm trehen lange Nas’;

      Laß sehn, was tas toch meint!

      (MalmMalm, Jacob Johann 1861: 3)

      Auch in der estnischenEstland/Estoniaestnisch Literatur ist dieser Typus bekannt. Ein DialogDialog aus der Erzählung Veli Henn (1901) von August KitzbergKitzberg, August (1863–1955, Kitzberg 2002: 271) klingt wie folgt:

      Kniks-Mariihen: „Bitte,“ ütles Mariihen. „Astuge aita, sääl on toolisid, ja võite ennast natuke erhoolida.“

      „Herr Lehepuu, üks väga peenike kawalier, – herr Birkenbaum, minu Freundini Bräutigam, – herr Sissa, minu Tänzer, kui Vereinis ball oli, – herr Enilane, ka üks hää Tänzer…“

      Anders als bei MalmMalm, Jacob Johann ist hier die syntaktische und grammatikalischeGrammatikgrammatikalisch Basissprache EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, in das deutscheDeutschlanddeutsch Wörter oder Ausdrücke eingebettet und grammatischGrammatikgrammatisch angepasst sind. Jedes zweite Wort in der Rede von Kniks-Mariihen ist deutschDeutschlanddeutsch: Bitte, erhoolida (erholen), Herr, Kawalier, Freundin, Bräutigam, Tänzer, Verein, Ball.

      Ungeachtet der Basissprache wird in dieser Dichtung ein bestimmter sozialer Typus dargestellt, ein ‚Emporkömmling‘ meistens estnischer bzw. lettischerLettland/Latvialettisch Abstammung oder aber auch ein sozial heruntergekommener DeutscherDeutschlandDeutsche (ein sogenannter Klein-DeutscherDeutschlandDeutsche), der seine IdentitätIdentität/identity aufgegeben hat oder seine Position in der Gesellschaft ändern möchte und seine (vermeintliche) Bildung gern hervorkehrt. Dabei kann er z.B. ‚gehobene‘ deutschDeutschlanddeutsch- oder französischsprachige Sätze verwenden. Vahur Aabrams (Aabrams 2007) hat die halbdeutschsprachigeDeutschlandHalbdeutsch Dichtung als Erscheinung einer karnevalesken Kultur im Sinne von Michail BachtinBachtin, Michail interpretiert.

      2.2 Unter textinterner ZweisprachigkeitZweisprachigkeit verstehe ich die Verwendung zweier Sprachen in einem Text, ohne Morphologie und Syntax einer Sprache an die Ziel- oder Basissprache anzupassen. Abrupt wird von einer Sprache in die andere übergegangen, wobei die Sprachen eine bestimmte kulturelle Funktion im Text haben. Diese Art von MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit nahm ihren Anfang mit kirchlichen Texten im 16. Jahrhundert und war noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im BaltikumBaltikum gebräuchlich. Ein früheres, charakteristisches Beispiel sind die hauptsächlich estnischsprachigen Predigten (1600–1608) des Tallinner Pastors Georg MüllerMüller, Georg (1570–1608), in denen deutscheDeutschlanddeutsch und lateinischeLateinLateinisch Passagen verwendet werden. Aus späterer Zeit könnte man das Stück Die väterliche Erwartung, eine ländliche Familien Scene in Esthland, mit Untermischten Gesängen (1789) von August von KotzebueKotzebue, August von (1761–1819) hervorheben, das auf der Bühne des Revaler Liebhabertheaters uraufgeführt wurde. Der dritte Akt des Stückes beginnt mit einem estnischsprachigen DialogDialog und die ganze Parallelhandlung findet auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian statt.

      Textbeispiele für texinternen Bilinguismus aus dem 19. Jahrhundert sind etwa der zweisprachigeZweisprachigkeitzweisprachig Briefwechsel von Lydia KoidulaKoidula, Lydia (1843–1886), der ersten estnischenEstland/Estoniaestnisch Lyrikerin, und Friedrich Reinhold KreutzwaldKreutzwald, Friedrich Reinhold (1817–1903), dem Verfasser des estnischenEstland/Estoniaestnisch Nationalepos Kalevipoeg (Kalews Sohn).

      2.3 Mit autorinternem Bilinguismus ist die Beteiligung eines Autors an zwei Literaturen gemeint, wie das etwa bei der Gelegenheitsdichtung des 17. Jahrhunderts nicht selten der Fall war. Der Autor schreibt in mehreren Sprachen, indem er seine SchriftspracheSchriftSchriftsprache entsprechend der Funktion, Gattung, dem Stil und Adressaten des Textes wählt, aber in einem Text durchgehend eine Sprache verwendet. Das allererste estnischsprachige Gedicht wurde im Jahre 1637 von dem gebürtigen Mecklenburger Reiner BrockmannBrockmann, Reiner (1609–1647), dem Professor des Revaler Gymnasiums, einem Freund von Paul FlemingFleming, Paul verfasst und trug den lateinischenLateinLateinisch Titel Carmen alexandrinum esthonicum ad leges Opitij poeticas compositum. Wie in der Barockdichtung üblich, hat Brockmann in mehreren Sprachen, u.a. auch auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, gedichtet. Sein Plädoyer für die estnischeEstland/Estoniaestnisch Sprache auf DeutschDeutschlandDeutsch klingt wie folgt:

      Andre mögn ein anders treiben;

      Ich hab wollen Esthnisch schreiben.

      Esthnisch redet man im Lande/

      Esthnisch redet man am Strande

      Esthnisch redt man in der Mauren

      Esthnisch redden auch die Bauren

      Esthnisch redden Edelleute

      Die Gelährten gleichfalls heute

      Esthnisch redden auch die Damen

      Esthnisch, die aus Teutschland kamen,

      Esthnisch reden jung’ und alte.

      Sieh, was man von Esthnisch halte?

      Esthnisch man in Kirchen höret

      Da Gott selber Esthnisch lehret.

      Auch die klugen Pierinnen

      Jetzt das Esthnisch lieb gewinnen.

      Ich hab wollen Esthnisch schreiben

      Andre mögn ein andres treiben.

      (BrockmannBrockmann, Reiner 2000: 94–95.)

      Die Landprediger Gotthard Friedrich StenderStender, Gotthard Friedrich (1714–1796) und Johann Wilhelm Ludwig LuceLuce, Johann Wilhelm Ludwig (1756–1842) haben ihre aufklärerischen SchriftenSchrift auf DeutschDeutschlandDeutsch, ihre volksaufklärerischenVolkvolksaufklärerisch Werke auf LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian bzw. EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian verfasst; der Dichter Kristian Jaak PetersonPeterson, Kristian Jaak (1801–1822) hat seine Arbeiten zur Sprache und Religion auf DeutschDeutschlandDeutsch geschrieben, sein dichterisches Werk ist aber in estnischer Sprache verfasst (mit Ausnahme von einigen deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig Gedichten). Der Este (bzw. der estnischstämmige) Friedrich Robert FaehlmannFaehlmann, Friedrich Robert (1798–1850) verfasste seine berühmten EstnischenEstland/EstoniaEstnisch/Estonian Sagen auf DeutschDeutschlandDeutsch, der DeutscheDeutschlandDeutsche (bzw. der deutschstämmige) Georg Julius von Schultz-BertramSchultz-Bertram, Georg Julius von (1808–1875) wiederum sein Epos Ilmatar (1870) auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian. Das estnischeEstland/Estoniaestnisch Nationalepos Kalevipoeg (unter dem Titel: Kalewipoeg. Eine estnischeEstland/Estoniaestnisch Sage, 1857–1861) erschien zum ersten Mal parallel auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian und DeutschDeutschlandDeutsch.

Скачать книгу