These Girls. Группа авторов

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Verletzungen erzählten, Lieder, die Ausdruck ihres emotionalen und emanzipatorischen Kampfes waren, Lieder, die die Erfahrungen der Frauen der Baby-Boomer-Generation in den USA reflektierten: weiße, gebildete und mehr oder weniger privilegierte junge Frauen aus der (gehobenen) amerikanischen Mittelschicht, widerspenstig gegenüber einengender häuslicher Verhältnisse aber auch in ihrem Geschlechter- und Rollenverständnis eher konservativ, unheilbar romantisch und unzweifelhaft weiblich-heterosexuell orientiert und insofern auch auf die Anerkennung von Männern angewiesen. Die New Yorker Autorin Sheila Weller hat in Girls Like Us die exemplarischen Lebenswege und Kämpfe von Joni Mitchell, Carole King und Carly Simon, den drei Singer-Songwriter-Superstars der 1970er-Jahre, nachgezeichnet und so, weit über das popkulturelle Milieu hinaus, nachvollziehbar gemacht, wie die drei Künstlerinnen – gerade aufgrund all der gelebten Widersprüche – zu vielgeliebten Vorbildern oder Projektionsflächen (nicht nur) für Frauen ihrer Generation werden konnten. Noch mit einigen Jahrzehnten Abstand liest sich diese Geschichte atemberaubend und lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Musik von Joni Mitchell und ihren Kolleginnen und den Fragen und Perspektiven, die ihre Lieder aufwerfen. Nicht zuletzt können Männer hier lernen, ihre Männlichkeit zu entgiften.

      Holger Adam

       Alice Coltrane

      • ERSTE LP 1968 (ERSTE AUFNAHMEN 1957)

      »Jazz isn’t dead, it just smells funny«, dieses Bonmot von Frank Zappa, nachzuhören während des 17-minütigen Live-Jams »Be-Bop Tango (of the Old Jazzmen’s Church)« auf dem Doppel-Album Roxy & Elsewhere (1974, Discreet) bringt flapsig, aber sinnträchtig die historische Entwicklung eines musikalischen Genres auf den Punkt, das mit Free Jazz und Jazzrock bis zum Ende der 1960er-Jahre eine radikale Öffnung und Ausweitung erfahren hatte.

      Jazz war nicht tot, The New Thing hatte sich prächtig entwickelt – aber einer der Avantgardisten des Genres, John Coltrane, war buchstäblich auf der Strecke geblieben. 1967 – in der Blüte seines kreativen Lebens – war er an Leberkrebs, mutmaßlich einer Spätfolge seiner überwundenen Heroin- und Alkoholsucht, verstorben. Er hinterließ nicht nur ein einzigartiges und unverwechselbares Werk, sondern auch seine musikalische Partnerin und zweite Ehefrau, Alice Coltrane.

      Die war bereits, bevor sie Coltrane kennen und lieben gelernt hatte, eine anerkannte Jazz-Pianistin, doch der Tod ihres Seelenverwandten stürzte sie in eine existentielle Krise, die mit schweren gesundheitlichen Problemen einherging und in einer spirituellen Neuorientierung resultierte, die sich auch musikalisch niederschlug. John Coltrane hatte bereits in den letzten Jahren seines Lebens mehr und mehr religiöse bzw. spirituelle Motive in die Konzeption seiner Musik eingebunden, die seinem Interesse an alternativen (nicht christlichen) Glaubensinhalten Ausdruck verliehen und darüber hinaus auch dem herrschenden Zeitgeist entsprachen.

      1969, noch immer unter dem Eindruck des Todes von John Coltrane stehend, an Schlaflosigkeit und Depressionen leidend, lernte Alice Coltrane Swami Satchidananda kennen (der im selben Jahr das Woodstock-Festival mit einer Rede eröffnete) und in der Auseinandersetzung mit den Lehren des indischen Gurus fand sie nicht nur einen Weg aus der Depression, sondern auch eine neue Form des Ausdrucks, die ihr musikalisches Werk und irdisches Dasein fortan und bis hin zu ihrem Tod 2007 prägen sollten. War der Spiritual Jazz der Coltranes (mit Ausnahme von Alice’ Harfe) aufgrund klassischer Jazz-Trio- oder -Quartett-Instrumentierung dem Klangbild nach noch nahe am New Thing, so erweiterten und prägten der Einsatz der indischen Tanpura und der orientalischen Oud das Klangbild von Journey in Satchidananda. So bezeugte das Album über seinen originären Sound die Genesung und musikalische Neuorientierung von Alice Coltrane. Es markierte eine Zäsur in ihrem Leben und Werk, den Moment, in dem sie aus dem langen Schatten, den der Tod von John Coltrane auf ihr Leben warf, herauszutreten begann. Diese sowohl außerweltlichen als auch weltmusikalischen Bezugspunkte mögen Puristen seinerzeit abgeschreckt haben und für Vertreter einer reinen Lehre mussten solche Entwicklungen mit dem Ende des Jazz an sich einhergehen, bzw. wenn er nicht tot war, so roch er spätestens jetzt zu stark nach Patschuli – und was hatte man davon zu halten?

      Es verwundert daher auch nicht, dass, jazzhistorisch betrachtet, Alice Coltranes Werk jahrzehntelang kaum gewürdigt wurde und sie vielfach – wenn überhaupt – nur als musikalische Partnerin ihres Mannes Erwähnung fand (und im weiteren Verlauf, zur Fußnote herabgewürdigt, bloß als esoterische Witwe in der Jazz-Geschichtsschreibung existierte). Erst die im Verborgenen blühende, langanhaltende und enthusiastische Rezeption in musikalisch anderen experimentellen Szenen und Subkulturen sorgte in der jüngeren Vergangenheit für eine Renaissance und damit einhergehenden Wiederauflage ihrer Musik. Und so wird schließlich auch umgekehrt ein Schuh draus für alle in diesen post-irgendwas Szenen der Gegenwart sozialisierten Menschen, die – Borniertheit und Engstirnigkeit sterben eher nicht aus – Jazz für die akademisch-muffige Musik ihrer Eltern, Groß- oder gar Urgroßeltern halten und für die Jazz eben deshalb komisch riecht, weil er tot ist! Journey in Satchidananda kann den Kadavergeruch vertreiben, die Neugier an Jazz wecken und ein Fenster in dieses musikalische Universum öffnen. Die sanften Tanpura-Klänge des eröffnenden Titelstücks, das Sopransaxophon von Pharoah Sanders, Rashied Alis Schlagzeug und die Harfe von Alice Coltrane können ohne jede Detailkenntnis von modalem Jazz als psychedelisch-meditative Musik gehört werden. Das zugängliche, abwechslungsreiche und vor allem wunderschöne Album eignet sich nicht bloß zum wiederholten, konzentrierten Zuhören; es funktioniert auch im Alltag als Soundtrack zum Yoga, zum Kiffen und zum Mate-Tee oder Bier trinken auf dem Balkon oder in der Küche beim Tofu anbraten und kann so – ganz nebenbei – das Interesse an der Frage anregen, was es eigentlich mit John und Alice und all den anderen auf sich hat – und ehe man sich versieht, steckt man mitten drin: Art Ensemble of Chicago, Billie Holiday, Vi Redd, Sun Ra Arkestra, Nina Simone, Don Cherry, Sonny & Linda Sharrock … Jazz isn’t dead, it just smells funny – zum Glück! Und ja, stimmt schon, irgendwas stinkt auch an der Sache, wenn man sich mit Blick auf die wenigen gerade genannten Beispiele vor Augen führt, dass, historisch betrachtet, Jazz-Musikerinnen häufig und in überwiegender Zahl Sängerinnen waren. (Die Dokumentation The Girls in the Band von Judy Chaikin aus dem Jahr 2011 wirft ein Licht auf das Schattendasein von Jazzmusiker*innen und ihren Kämpfen gegen Diskriminierung und für Anerkennung.)

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      Alice Coltrane, Journey In Satchidananda (Impulse!, 1971)

      Die Gegenwart stellt sich für die so unterschiedlichen Instrumentalistinnen wie Camille Thurman, Nubya Garcia, Tomeka Reid, Mary Halvorson, Virginia Genta und Mette Rasmussen oder die noch immer aktive Pionierin des europäischen Free Jazz, die Pianistin Irène Schweizer, hoffentlich weniger konfliktreich dar. Alice Coltranes umfang- und abwechslungsreiche Diskographie, die vor allem mit Journey in Satchidananda und ab 1970 sich mehr und mehr der einfachen Kategorisierung entzieht und zwischen Spirtual Jazz, Fusion und reich orchestrierter Devotional Music oszilliert, kann auch vor diesem Hintergrund noch für viele Musiker*innengenerationen ein inspirierendes Zeugnis kreativer und geistiger Stärke und Unabhängigkeit sein.

      Franz Dobler

       Queen Esther Marrow

      • ERSTE LP 1969 (ERSTE AUFNAHMEN 1966)

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      Queen Esther Marrow, 1998

      Glaubt ihr da draußen etwa, christliche Gesänge hätten keine fundamentale Wirkung auf Geist und Körper von Gläubigen wie Ungläubigen! So nehmt denn dies.

      Nach der Premiere des neuen Programms von

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