These Girls. Группа авторов

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mit einem »Ex-Eislauf-Star« tanzte: Das hätten wir aber vom Boulevard-Kollegen gern etwas genauer gelesen! Ich meine, nur mal als Beispiel, Jane Birkin und Serge Gainsbourg haben damals einen Tanz erfunden, bei dem der Mann seine Vorderseite eng an die Rückseite der Partnerin presst und seine Hände relativ weit oben an ihre Vorderseite legt. War’s das? Im Gegenteil. Die »Politik-Studentin« Davorska T. »übte erste Schritte auf dem Society-Parkett«, behielt aber trotz dieser heiklen Situation kühlen Kopf und stellte dem Boulevard-Kollegen diese Frage: »Darf ich etwas Rückenfreies tragen, wenn Frau Stoiber in der Nähe ist?« Bitte? Was soll das heißen? Ich meine, ich könnte einen Sinn in der Frage erkennen, wenn der Bayerische Ministerpräsident in der Nähe gewesen wäre.

      Auf jeden Fall aber kann das Society-Küken im Werk von Queen Esther Marrow eine Antwort finden. Sie lautet »Walk Tall« und darf in diesem Fall so übersetzt werden: Fräulein, du kannst bei solch Anlässen nackt herumstehen oder nur mit ’nem Fetzchen auf der Rückseite deines wohlgestalten Leibes, der sowohl viele Männer und so manch Weib zu unkeuschen Gedanken verleitet, wichtig hingegen ist nur: walk tall!, lass niemals ab vom aufrechten Gang und falle nicht der Täuschung anheim, es könnte sich bei diesem Ausdruck nur um eine körperliche und nicht vor allem um eine geistige Position handeln. Zu der ich, sollte es zu einer Proseminararbeit »Der Aufrechte Gang unter spezieller Berücksichtigung der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung« kommen, diesen Hinweis geben darf (ohne irgendeine Form des Dankes zu erwarten).

      »Walk Tall« war eine wichtige Hymne des afroamerikanischen Widerstands in den USA und wurde von Queen Esther Marrow mit Joe Zawinul geschrieben. Zur berühmtesten Einspielung kam es 1969 anlässlich des von Jesse Jackson ins Leben gerufenen Hilfsprogramms »Operation Breadbasket«; nach einer aufrüttelnden Rede des Reverends tanzen die Engel zu den Klängen des Cannonball Adderley Quintetts, der heißesten Soul-Jazz-Formation aller Zeiten. Queen Esther, einst entdeckt von Duke Ellington, hatte sich schon 1965 der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen. Soviel auch zur Frage, ob man im Hintergrund dieser Gospel-Show mehr entdecken kann als einen soulvollen Gottesdienst, der schön anzusehen ist und in einer jubelnden Beschwörung des Weihnachtsfests endet.

      Wie auf den berühmten Gemälden mit alttestamentarischen Szenen, so legen die Scheinwerfer Lichtbahnen vom Himmel zur Bühne herunter, in deren Mitte sich die Musiker in dunklen Anzügen versammeln, flankiert von blau strahlenden Lichtsäulen und den Treppen für die Auftritte der Harlem Gospel Singers. Sie tragen violett-gelbe, priesterähnliche Gewänder, von denen sich das rein helle von Chorgründerin Mrs. Marrow abhebt. Am Ende vieler Songs verbinden sie sich – freeze – zu einer menschlichen Skulptur, aus der Finger gen Himmel zeigen.

      Es könnte sich also um eine Sekte handeln, deren Show in Las Vegas allen Anforderungen für eine TV-Übertragung zur besten Sendezeit entspricht. Dazu passend ist speziell der erste Teil eine bunte Revue mit Rock ’n’ Roll, Rhythm ’n’ Blues, Soul und Soft-Pop; oder auch ein Vortrag darüber, dass es in der populären Musik, außer der Neuen Deutschen Welle, kaum was gibt ohne Gospel-Wurzeln. Da ist Platz für ein getragenes »Swing Low Sweet Chariot«, für einen alle Höllenhunde verscheuchenden Temperamentsausbruch von Dorrey Lyles oder auch die Nikolausmütze, die sich der musikalische Leiter Anthony Evans mit dem Schlachtruf »Christmas Party!« überstülpt, um dann eine tobende, zitatreiche, komische Nummer am Klavier abzuziehen.

      Irgendwann wird mir bewusst, dass hier was nicht passt zum gewohnten Bild der großen TV-Show. Es dauert eine Weile, bis ich weiß, was hier fehlt: die faden Sprüche des Moderators, die mäßigen Gimmicks und irre tollen Gäste und Tonnen nackter Beine vor schlechter Musik. Hier ist das scheinbar bekannte Bild plötzlich mit so viel Ernsthaftigkeit, Qualität und Konzentration auf die Musik aufgeladen, dass man sich fragt, wie man sich jemals zum Glauben bekennen konnte, dass die Hölle eine Show für die ganze Familie ist.

      Während sie im ersten Teil ihren »Babies« viel Platz einräumt, stellt sich Queen Esther Marrow nach der Pause, jetzt in flammendes Rot gekleidet, ins musikalische Zentrum. Die Show wird dadurch strenger, inbrünstiger, heißer und steht ganz im Zeichen der Würde, die diese große Sängerin ausstrahlt, egal ob sie in überwältigender Ekstase oder im meditativen Gebet versunken scheint oder in einer Nightclub-Screamin’-Jay-Hawkins-Atmosphäre die Sünde an die Wand malt. Man glaubt, körperlich zu spüren, wie der ganze Saal von der Bühne aufgesogen wird. Aufgerufen und eingezogen von Gottes mobilem Spezialkommando.

      Der Ungläubige hat nun nichts gesagt über das, was sie sagen, aber soviel kann er sagen: Einen Glauben, der solches Werk hervorbringen kann, hätte ich auch gern. Ohne zu verzweifeln über der Frage, wie ein und dasselbe Konzert auf Rudolph Mooshammer, Societypraktikantin Davorska T., meine Frau und mich dieselbe Wirkung haben kann. Oder wie es Cannonball Adderley gesagt hätte: »Mercy, Mercy, Mercy«.

      Lutz Vössing

       Karen Dalton

      • ERSTE LP 1969

      Folk-Musiker*innen erzählen oft autobiografische Geschichten. Die Musikerin Karen Dalton (1938–1993) jedoch hat nie einen selbst geschriebenen Song gesungen oder aufgenommen, und dennoch schreitet ihre persönliche Lebensgeschichte, von der im Übrigen nur wenige Informationen wirklich gesichert sind, jedes Mal wie ein verkehrter Schatten ihrer Musik voraus. Es ist die Geschichte einer Frau, die mit 20 so singt, als hätte sie bereits zwei Leben hinter sich gehabt, die geradeheraus, ehrlich, mit ihrer krächzenden Stimme zu Lebzeiten gerade mal zwei Alben veröffentlichte, auf denen sie ihre Schwermut so roh und eindringlich einfing. Da ist das 1969 veröffentlichte It’s So Hard to Tell Who’s Going to Love You the Best und das kurze Zeit später aufgenommene und 1971 veröffentlichte In My Own Time.

      Das Leben der in Enid, Oklahoma, in eine musikalische Familie geborenen Dalton hat einige Hoch- und Tiefpunkte. Glaubt man den teils irren Geschichten bzw. dem roten Faden der Wahrheit, von dem man ausgehen muss, klingt es vor allem nach einer langen Reihe von Tiefpunkten: gescheiterte Ehen, Kindesentzug, Drogenprobleme, künstlerische Erfolglosigkeit, Armut und nicht weniger als zwei ausgeschlagene Zähne durch ihren Ex, die sie sich durch den Erlös der beiden ersten Alben reparieren lassen wollte, wozu es jedoch nie kommen sollte. Lauscht man ihrer Musik, verstärkt das die Annahme einer leidenden Person, schafft sie doch mit ihrer starken und zugleich sehr zerbrechlichen Stimme eine äußerst intime, melancholische, von der Tragik ihres Lebens sprechende Stimmung. Müssen Künstler*innen leiden, um Leid in Musik glaubhaft darzustellen? Schwer zu sagen. Im Falle von Karen Dalton sind die Anzeichen deutlich. Man kann sogar zum Teil vage Parallelen zu der Geschichte des enigmatischen Folk-Musikers Jackson C. Frank ziehen, dessen Karriere ebenfalls einer Reihe von Schicksalsschlägen und Depressionen erlag. Sidefact: Karen Dalton sang den Song »Mole in the Ground«, bei Frank heißt er in einer anderen Version »Kimbie«.

      Mit 17 war sie bereits zweimal verheiratet und Mutter zweier Kinder. Die Ehen scheiterten, das Sorgerecht für einen Sohn verlor sie. Sie krempelte ihr Leben um, verliebte sich in die Geschichten der amerikanischen Folk-Musik und trieb sich von nun an in den Kreisen um Tim Hardin, Fred Neil oder Dino Valente herum. Sie sang mit Bob Dylan, war als die wichtigste Frau in der Greenwich-Village-Folk-Szene der 1960er-Jahre anerkannt und Teil einer Hippie-Kommune mit Leuten wie Stan Brakhage. Bestes Terrain für eine steil verlaufende Karriere. Ihr Debüt bestätigt das. Hier klingt sie, wie man sie später auch auf den Live-Aufnahmen erleben wird, nämlich roh, straight-forward und so ungemein traurig. Beim zweiten Album klingt sie im Gegensatz zum Vorgänger etwas poppiger, etwas mehr Up-Beat. Das kann zwar durchaus schön sein, »Something on My Mind« sei nur ein Beispiel. Doch man hört auch den posthum veröffentlichen Aufnahmen an, dass ihre wahre Größe dann am besten zum Vorschein kommt, wenn sie allein, in ihrer Geschwindigkeit, nur mit Gitarre oder Banjo spielt, schön wie ein unbehauener Diamant. Auf 1966 ist das zu hören oder Green Rocky Road (zu Hause aufgenommen), besonders aber der 2007 als Cotton Eyed Joe veröffentlichte Live-Auftritt zeugt von ihrer starken,

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