Worauf die Affen warten - Krimi. Yasmina Khadra
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»Hey, was tust du da?«, protestiert Sonia. »Dieses Zeug kostet ein Vermögen.«
Nora zieht ihr das Laken vom Leib, um die Langschläferin zu zwingen, aufzustehen. Sonia ist völlig nackt, mit festen, hohen Brüsten und einem buschigen Venushügel. Die Spuren des Slips haben auf ihrer sonnengebräunten Haut ein winziges milchig-weißes Dreieck hinterlassen.
»Was soll ich denn deiner Meinung nach den ganzen Tag lang tun?«, schreit sie Nora an. »Du hast ja immer noch keinen Job für mich gefunden und verbietest mir, auf der Straße herumzuhängen. Ich bin doch nicht deine Geisel. Und auch kein Möbelstück. Ich nehme das Zeug, weil mir stinklangweilig ist. Du bist ja ständig im Einsatz – und ich? Ich versinke in bodenloser Langeweile.«
»Jetzt geh erst mal duschen. Das bringt dich auf frische Ideen.«
Sonia rappelt sich widerstrebend hoch und stützt sich schwankend an der Bettkante ab, mit einem Blick, der so unstet wie ihre Bewegungen ist. Sie ist eine hübsche junge Frau, schlank und rank, so um die dreißig. Mit achtzehn Jahren ist sie von zu Hause ausgerissen und hat schon alles kennengelernt: klamme Zeiten, anrüchige Bordelle, den Straßenstrich, dubiose Männerbekanntschaften und den Haftrichter. Die Narben und Brandspuren von Zigaretten auf ihrer Haut, die der makellosen Perfektion ihres Körpers Abbruch tun, erzählen von den Kalamitäten, die ihren Weg in den Abgrund säumten. Nora hat Sonia rein zufällig während einer Razzia kennengelernt. Sie war in einem Keller eingesperrt, wo sie von einer Bande von Vergewaltigern und Zuhältern gefangen gehalten wurde. Sie war in einem erbärmlichen Zustand, wurde gefoltert, stand unter Drogen und kurz davor, den Verstand zu verlieren, weil sie Nacht für Nacht Opfer wüster Vergewaltigungsorgien war. Man brachte sie in ein Krankenhaus, in dem sie mehrere Tage blieb, bevor sie in eine Spezialklinik verlegt wurde, wo Nora sie regelmäßig besuchte. Zwischen den beiden Frauen entspann sich eine Beziehung, und bald kam die eine nicht mehr ohne die andere aus. Nach einer Entzugstherapie zog Sonia bei Nora ein. Inzwischen wohnt sie schon drei Jahre bei ihr, aber in letzter Zeit bricht ihr Hang zum Ausreißen wieder durch. Sie kommt jeden Abend später zurück, ist betrunken, sieht verlottert aus und riecht nach den Ausdünstungen ihrer Gelegenheits-Lover. Sie ist kaum noch zu bändigen und droht damit, ganz von der Bildfläche zu verschwinden, wenn Nora ihr nicht mehr Freiheiten zugesteht.
»Ich muss dringend in den Beauty-Salon und was für mein Aussehen tun«, sagt sie stockend.
»Da kann ich dir leider nicht widersprechen«, bestätigt die Kommissarin betrübt.
Sonia reibt vielsagend Daumen und Zeigefinger gegeneinander: »Ich brauche Geld.«
»Was hast du denn mit dem gemacht, das ich dir gestern gegeben habe?«
»Ich hab’s verpulvert.«
»Glaubst du vielleicht, ich betreibe irgendwo eine Fälscherwerkstatt?«
»Das ist nicht mein Problem. Ich muss mein Haar in Ordnung bringen. Sonst muss ich mir die Knete halt wieder wie früher besorgen.«
»Bitte keine Erpressung.«
Sonia lacht ihr ins Gesicht, berührt sie leicht und provozierend mit der bloßen Schulter, klimpert herzerweichend mit den Wimpern und streckt ihr die Hand hin: »Na los, stell dich nicht so an, mein Engel.«
Nora unterdrückt einen Seufzer, dann gibt sie nach. Im Nu hat sich Sonia die beiden Scheine geschnappt, die Nora aus ihrem Portemonnaie hervorkramt.
»Ich frage mich nur, was aus mir geworden wäre, hätte die Vorsehung dich mir nicht auf den Weg gestellt«, säuselt sie, küsst sie auf den Mund und wankt in Richtung Badezimmer.
Noras Blick folgt ihr nach, gleitet über die harmonischen Rundungen ihrer Hüfte, verweilt auf Sonias prallen Pobacken, bis die Gefährtin hinter der Glastür verschwunden ist. Dann lässt Nora sich auf den Bettrand fallen, zündet sich eine Zigarette an und dreht sich versonnen zum Fenster um, vor dem aschfahl der Himmel hängt.
6.
Das Polizeipräsidium von Algier erinnert an einen verlassenen Lagerschuppen. Einige Polizisten schlendern müßig durch die Korridore, die Daumen unters Koppel geschoben, die Gedanken sonst wo. Das schwache Licht, das durch die verstaubten Fenster einfällt, gibt dem Halbdunkel einen deprimierenden Touch, den das Knarren der Türen, das Klappern der Tastaturen noch verstärkt.
Hinter den Schaltern versuchen zwei Polizisten, die Zeit totzuschlagen. Der eine traktiert sein iPhone, der andere quält sich durch ein Kreuzworträtsel. Er hat die Felder schon zigmal neu überschrieben, kaut auf seinem Kugelschreiber herum und zerbricht sich den Kopf, warum die Wörter nicht zusammenpassen. Ermattet greift er nach seinem Kaffeebecher, in dem das bittere Gebräu längst erkaltet ist, und nimmt erneut den Kampf mit den Synonymen auf, bleibt an einem Buchstaben hängen, der sich nicht fügen will, und brummt übellaunig:
»Das ist doch nicht normal. Der Typ, der dieses Kreuzworträtsel verbrochen hat, muss Analphabet sein. Hier, zum Beispiel das Wort ›Kapitale‹. Mit Kies, Moos, Koks, habe ich es schon probiert, aber es passt alles nicht.«
»Vielleicht solltest du’s mal mit einem Bilderrätsel versuchen«, empfiehlt der Kollege.
Ein Mann betritt das Präsidium. Er ist klein, hager, so um die sechzig, wirkt ziemlich angeschlagen und steckt in einem zerknitterten, viel zu großen Anzug. Mit seinem strubbeligen Haar, den zerfließenden Gesichtszügen und den dunklen Ringen unter den Augen sieht er aus, als hätte er die Nacht in einem Stall verbracht.
Er tritt an den Schalter, zieht eine umfangreiche Akte aus seiner Mappe hervor und knallt sie auf den Tresen.
Nach kurzem Blick auf den Blätterwust, der in dem Aktendeckel steckt, wendet der Polizist sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu.
»Büro 15, rechts am Ende vom Korridor«, sagt er noch eben, doch da ist sein Kopf schon hinter der Zeitung verschwunden.
»Ich komme wegen Aufhebung einer Beschlagnahme«, beharrt der Bürger.
Der Polizist legt seinen Kugelschreiber hin, sichtlich genervt.
»Kannst du nicht später wiederkommen? Ich habe meinen Kaffee noch nicht ausgetrunken.«
»Und ich habe weder geschlafen noch gefrühstückt. Ich komme direkt vom Nachtzug.«
Der zweite Polizist hört schweren Herzens mit Surfen auf, legt sein Handy aus der Hand und winkt den Bürger zu sich an den Schalter heran.
»Was haben Sie für ein Problem, Monsieur?«
»Ich bin hier, um den Staat zu verklagen.«
Die beiden Polizisten sehen sich verdutzt an, dann brechen sie in schallendes Gelächter aus.
»Ich bin kein Komiker«, antwortet der Bürger.
»Und das hier ist kein Kabarett«, hält man ihm entgegen.
Der Bürger zieht aus der Innentasche seines Jacketts einen Dienstausweis hervor und schiebt ihn über die Theke.
»Ich bin Petrochemie-Ingenieur und Dozent an der Universität Oran.«
Die beiden Polizisten wechseln einen verständnisinnigen Blick.
»Und wieso sind Sie dann auf Scherereien