Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Gewiß empfinden sie Scham bei dem Verletzen einiger ihrer einfacheren Gesetze, und allem Anscheine nach auch Gewissensbisse, wie durch den Fall des Australiers bewiesen wird, welcher abmagerte und nicht ruhen konnte, weil er versäumt hatte, zur Besänftigung des Geistes seiner verstorbenen Frau ein anderes Weib zu ermorden. Wenn mir auch kein Bericht irgend eines anderen Falles vorgekommen ist, so ist es doch kaum glaublich, daß ein Wilder, welcher sein Leben eher opfert, als daß er seinen Stamm verräth, oder daß Einer, der sich selbst eher als Gefangenen überliefert, als daß er sein Wort bricht,290 nicht in seiner innersten Seele Gewissensbisse fühlen sollte, sobald er eine Pflicht versäumt hat, welche er für heilig hält.
Wir können daher schließen, daß der Urmensch in einer äußerst weit zurückliegenden Zeit durch das Lob und den Tadel seiner Genossen beeinflußt worden sein wird. Offenbar werden die Mitglieder eines und desselben Stammes ein Benehmen, welches ihnen als ein das allgemeine Beste förderndes erschien, lobend anerkennen und ein solches verwerfen, welches ihnen übelbringend erschien. Andern Gutes zu thun, – Andern zu thun, wie ihr wollt, daß man Euch thue – ist der Grundstein der Moralität. Es ist daher kaum möglich, die Bedeutung der Sucht nach Lob und der Furcht vor Tadel während der Zeiten der Rohheit zu überschätzen. Ein Mensch, welcher durch kein tiefes instinctives Gefühl dazu getrieben wurde, sein Leben für das Beste Anderer zu opfern, dagegen zu solchen Handlungen durch ein Gefühl des Ruhms veranlaßt wurde, würde durch sein Beispiel denselben Wunsch nach Ruhm bei anderen Menschen erregen und würde durch Übung das edle Gefühl der Bewunderung kräftigen. Er kann auf diese Weise seinem Stamme viel mehr Gutes thun als durch Erzeugung einer Nachkommenschaft, in der Absicht, seinen eigenen edeln Charakter zu vererben.
Mit der Zunahme der Erfahrung und des Verstandes lernt der Mensch die entfernter liegenden Wirkungen seiner Handlungen erkennen und lernt auch die das Individuum betreffenden Tugenden, wie Mäßigkeit, Keuschheit u. s. w. welche während sehr früher Zeiten, wie wir vorher gesehen haben, vollständig unbeachtet geblieben sein werden, nun sehr hochschätzen oder selbst für heilig halten. Ich brauche indessen nicht zu wiederholen, was ich im vierten Capitel über diesen Gegenstand gesagt habe. Zuletzt wird sich dann unser moralisches Gefühl oder Gewissen gebildet haben, jene äußerst complicierte Erscheinung, die ihren ersten Ursprung in den socialen Instincten hat, die in großem Maße von der Anerkennung unserer Mitmenschen geleitet, von dem Verstand, dem eigenen Interesse und in späteren Zeiten von tiefreligiösen Gefühlen beherrscht und durch Unterricht und Gewohnheit befestigt wird.
Es darf nicht vergessen werden, daß, wenn auch eine hohe Stufe der Moralität nur einen geringen oder gar keinen Vortheil für jeden individuellen Menschen und seine Kinder über die anderen Menschen in einem und demselben Stamme darbietet, doch eine Zunahme in der Zahl gut begabter Menschen und ein Fortschritt in dem allgemeinen Maßstab der Moralität sicher dem einen Stamm einen unendlichen Vortheil über einen andern verleiht. Ein Stamm, welcher viele Glieder umfaßt, die in einem hohen Grade den Geist des Patriotismus, der Treue, des Gehorsams, Muthes und der Sympathie besitzen und daher stets bereit sind, einander zu helfen und sich für das allgemeine Beste zu opfern, wird über die meisten anderen Stämme den Sieg davontragen, und dies würde natürliche Zuchtwahl sein. Zu allen Zeiten haben über die ganze Erde einzelne Stämme andere verdrängt, und da die Moralität ein bedeutungsvolles Element bei ihrem Erfolg ist. so wird der Maßstab der Moralität sich zu erhöhen und die Zahl gut begabter Menschen überall zuzunehmen streben.
Es ist indessen sehr schwer, sich irgend ein Urtheil darüber zu bilden, warum ein besonderer Stamm und nicht ein anderer erfolgreich gewesen und in der Civilisationsstufe gestiegen ist. Viele Wilde sind noch in demselben Zustande, in welchem sie sich vor mehreren Jahrhunderten befanden, als sie entdeckt wurden. Wie Mr. Bagehot bemerkt hat, sind wir geneigt, den Fortschritt als das Normale im Leben der menschlichen Gesellschaft zu betrachten; aber die Geschichte widerlegt dies. Die Alten hatten nicht einmal diese Idee, ebensowenig wie die orientalischen Nationen sie heutigen Tages haben. Eine andere bedeutende Autorität, Sir Henry Maine, sagt:291 der »größte Theil der Menschheit hat niemals auch nur eine Spur eines Wunsches gezeigt, daß seine bürgerlichen Institutionen verbessert werden sollten«. Fortschritt scheint von vielen zusammenwirkenden günstigen Bedingungen abzuhängen, die viel zu compliciert sind, um hier einzeln verfolgt zu werden. Es ist aber oft bemerkt worden, daß ein kühles Klima, weil es zur Industrie und den verschiedenen Kunstfertigkeiten führt, zu jenem Zwecke äußerst günstig gewesen ist. Die Eskimos haben, von starrer Nothwendigkeit bedrückt, viele ingeniöse Erfindungen gemacht, aber ihr Klima ist zu rauh gewesen, um einen beständigen Fortschritt zu gestatten. Nomadisches Leben, mag es auf weiten Ebenen oder in den dichten Wäldern der Tropenländer oder den Seeküsten entlang geführt worden sein, ist in allen Fällen äußerst nachtheilig gewesen. Bei Beobachtung der barbarischen Einwohner des Feuerlandes drängte sich mir die Überzeugung auf, daß der Besitz irgendwelchen Eigenthums, ein fester Wohnsitz und die Verbindung vieler Familien unter einem Häuptlinge die unentbehrlichen Erfordernisse zur Civilisation sind. Derartige Gebräuche fordern fast mit Nothwendigkeit die Cultur des Bodens; und die ersten Fortschritte im Landbau, sind wahrscheinlich, wie ich an einem andern Orte gezeigt habe,292 das Resultat irgend eines Zufalls gewesen, wie beispielsweise, wenn die Samenkörner eines Fruchtbaumes auf einen Abraumhaufen fallen und eine ungewöhnlich schöne Varietät hervorbringen. Indessen ist das Problem des ersten Fortschritts der Wilden, nach ihrer Civilisation hin, vorläufig viel zu schwer, um gelöst zu werden.
Fußnote
285 Anthropological Review. May 1864, p. CLVIII.
286 Wenn die Glieder eines Stammes oder ganze Stämme in einen andern Stamm aufgegangen sind, so nehmen sie, wie Mr. Maine bemerkt (Ancient Law, 1861, p. 131), nach einiger Zeit an, daß sie Nachkommen derselben Voreltern wie die Glieder des letzteren seien.
287 Morlot, Soc. Vaud. Scienc. Nat. 1860, p. 294.
288 Beispiele habe ich in meinem »Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication«. 2. Aufl. Bd. II, p. 224 gegeben.
289 s. eine Reihe merkwürdiger Artikel »on Physics and Politics« in: Fortnightly Review. Nov. 1867, 1. Apr. 1868, 1. July 1869: seitdem separat erschienen.
290 Mr. Wallace führt Fälle hiervon an in seinen »Contributions to the Theory of Natural Selection«. 1870, p. 354.
291 Ancient Law. 1861, p. 22. Wegen Bagehot's Bemerkungen s. Fortnightly Review, 1. Apr. 1868, p. 452.
292 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. I, p. 342, 343.
Natürliche Zuchtwahl in ihrem Einflüsse auf civilisierte Nationen. – Ich habe bis jetzt den Fortschritt des Menschen von einem früheren halbmenschlichen Zustand zu dem der jetzt lebenden Wilden betrachtet. Es dürfte aber doch der Mühe werth sein, einige